DFB-Elf in der Einzelkritik Bastis Buddys und Löws kalte Hose
01.09.2016, 08:22 Uhr
Beim Spiel gegen Finnland wurde entgegen anderslautender Gerüchte nicht nur Bastian Schweinsteiger gefeiert, sondern auch Fußball gespielt.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Um Fußball geht’s nur am Rande, dafür schwärmen alle von Bastian Schweinsteiger - das gehört sich auch so. Blöd nur, dass es bald wieder ernst wird. Doch der Bundestrainer sieht sich gerüstet.
Entgegen anders lautender Meldungen hat ein sehr zugeneigtes Publikum am Mittwochabend in Mönchengladbach nicht nur Kapitän Bastian Schweinsteiger nach zwölf langen und meist erfolgreichen Jahren verabschiedet, es soll im bei Weitem nicht ausverkauften Borussia-Park auch ein Fußballspiel stattgefunden haben. Zum Glück waren wir dabei und können das aus eigener Anschauung bestätigen. Die deutsche Elf hat gegen die aus Finnland gewonnen und zwar mit 2:0 (0:0). Die Tore schossen der Schalker Max Meyer und der ehemalige Schalker Mesut Özil. Sie taten das in der 55. und in der 77. Minute, doppelte Schnapszahl also. Das passte doch zum Anlass der großen Bye-bye-Basti-Show.
Ansonsten war es so, dass das DFB-Team zwar etwas großspurig als Weltmeister angekündigt worden war, aber mit Shkodran Mustafi, Mario Götze und eben Schweinsteiger nur drei Titelträger in der Startelf standen. Und falls jemand von den 30.121 Zuschauern tatsächlich Geld dafür ausgegeben hatte, um eine gute Partie zu sehen, dürfte er sich geärgert haben. Nur Bundestrainer Joachim Löw hatte die Zukunft auf dem Rasen gesehen: "Ich werde solche Spiele immer wieder nutzen, jungen Spielern die Möglichkeit zu geben, internationale Erfahrung zu sammeln." Das soll er tun, doch es spricht viel dafür, dass am Sonntag um 20.45 Uhr in Oslo gegen Norwegen im ersten Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft 2018 in Russland wieder die auflaufen, die es stets dann tun, wenn es um etwas geht - Manuel Neuer, Mats Hummels und Toni Kroos. Bis es soweit ist, hier rasch und in gebotener Kürze die deutschen Spieler in der Einzelkritik:
Marc-André ter Stegen: Der 24 Jahre alte Torhüter in Diensten des FC Barcelona trug in seinem siebten Länderspiel dazu bei, dass die deutsche Mannschaft beim Abschied ihres Kapitäns kein Tor kassierte. Und bei der bisweilen nicht ganz so glücklichen DFB-Historie des ehemaligen Mönchengladbachers ist das durchaus eine Erwähnung wert - auch wenn er an diesem Abend weitgehend arbeitslos war. In der zweiten Halbzeit blieb er draußen, und der gleichaltrige Leverkusener Bernd Leno von TSV Bayer 04 Leverkusen durfte ran. Es war sein zweites Länderspiel. Und am Sonntag in Oslo spielt dann wieder Manuel Neuer von FC Bayern - mutmaßlich als neuer Kapitän.
Joshua Kimmich: Er avancierte bei der Europameisterschaft in Frankreich quasi aus dem Nichts zur Stammbesetzung auf der Position des rechten Außenverteidigers - und durfte nun gegen Finnland am rechten Ende der Dreierkette spielen. Der 21 Jahre alte Münchner tat das in seinem sechsten Länderspiel mit der gebotenen Ruhe - und wird auch gegen Norwegen zum Auftakt zur WM-Qualifikation wieder zur Startelf gehören.
Shkodran Mustafi: In der Mitte der Dreierabwehrformation machte der 24 Jahre alte Nordhesse in seinem 13. Länderspiel einen soliden Job. Nach einer guten Viertelstunde und einer von Max Meyer getretenen Ecke hätte er beinahe mit einem ebenso schönen wie wuchtigen Kopfball ein Tor erzielt. Das gehört sich ja auch für einen Spieler, der dem FC Arsenal dem Vernehmen nach 40 Millionen Euro wert ist. So viel soll der englische Klub aus der Premier League am Montag dem FC Valencia überwiesen haben. Damit wäre Mustafi nach Mesut Özil und Leroy Sané der drittteuerste deutsche Fußballer.
Niklas Süle: Zuallererst fiel der Debütant dadurch auf, dass er an Mustafis linker Seite mit Schuhen in der Farbe grünlichblauer Schwimmbadkacheln auflief und sich kurz vor der Pause traute, einfach mal aus der Distanz auf des Gegners Tor zu schießen. Ansonsten agierte der 20 Jahre alte Hoffenheimer durchaus selbstbewusst. Er befand: "Es ist für mich ein überragendes Gefühl. Er ist eine Legende. Besser kann ein Debüt nicht sein, mit dem Abschied für Bastian. Ich bin überglücklich heute." In der 58. Minute kam der gleichaltrige Leverkusener Jonathan Tah in die Partie und zu seinem zweiten Länderspiel. Mats Hummels vom FC Bayern muss sich aber keine Sorgen machen, am Sonntag ist er wieder dran. Für Spieler wie ihn reiche auch ein Spiel in einer Woche, sagte der Bundestrainer, auch wenn es gegen Norwegen so sei: "Wir spielen so ein bisschen aus der kalten Hose heraus." Was immer das heißen mag.
Bastian Schweinsteiger: Auch wenn die Stimmung im Stadion zwischendurch - also immer dann, wenn er nicht am Ball war - der beim Training der zweiten Mannschaft von Manchester United verdammt nahe gekommen sein dürfte, war der 32 Jahre alte Nun-nicht-mehr-Kapitän schon während seines 121. und letzten Länderspiels rundum glücklich. Und das nicht nur, weil Mutter Monika, Vater Alfred, Bruder Tobias und Buddy Lukas Podolski im Stadion waren. Sondern weil er als gefeierter Sympathieträger geht, als einer, den die Menschen nicht vergessen werden. Um mit Löw zu sprechen: "Es war der Abschied, den Bastian verdient hat. Er hat die Mannschaft zwölf Jahre lang geprägt. Ohne ihn wären die Erfolge so durchgängig nicht möglich gewesen. Ich war immer beruhigt, wenn er auf dem Platz war." Nach 68 Minuten war die Ära Schweinsteiger im Trikot des DFB beendet. Und der 20 Jahre alte Dortmunder Julian Weigl kam nicht nur zu seinem zweiten Länderspiel. Sondern er wird für immer der bleiben, der den Kapitän abgelöst hat - zumindest in diesem Spiel.
Karim Bellarabi: Der 26 Jahre alte Leverkusener schien mit dem festen Vorsatz in sein elftes Länderspiel gegangen zu sein, dem Bundestrainer zu zeigen, dass es ein Fehler war, ihn nicht mit zur EM nach Frankreich zu nehmen. Jedenfalls sorgte er anfangs auf dem rechten Flügel für ordentlich Wirbel, war eifrig und bemüht. Doch dann ließ er nach, die Arbeit in der Defensive ist seine Sache nicht.
Max Meyer: Der 20 Jahre alte Schalker wäre bei seinem zweiten Einsatz für die DFB-Elf so etwas wie der Mann des Spiels gewesen, wenn es sich bei der Veranstaltung nicht um eine Abschiedsparty gehandelt hätte. Nicht nur, dass er sein erstes Tor erzielte, auch sonst bot er im zentralen Mittelfeld eine ganz starke Vorstellung, wirkte enorm agil, spielte viele gute Pässe in die Spitze zu Kevin Volland und Mario Götze, war stets da, wenn ein Kollege ihm den Ball überlassen wollte. Also abgesehen von Schweinsteiger war er der Beste auf dem Rasen. "Einen besseren Rahmen für mein erstes Tor kann ich mir auch nicht vorstellen. Es ist eine Riesenehre. Bastian war sehr locker, hat sich sehr gefreut auf sein letztes Spiel. Ich kannte ihn vorher nicht, er hat sich gleich sehr um uns gekümmert."
Jonas Hector: Als Linksverteidiger in Deutschlands wichtigster Mannschaft gesetzt, lief der 26 Jahre alte Kölner in seinem 21. Länderspiel im Mittelfeld auf, weil in einer dreigliedrigen Abwehrkette eben nur Platz für drei Spieler ist. Das tat seiner guten Leistung aber keinen Abbruch, er kann's auch ein Stückchen offensiver. Nach einer guten Stunde kam der 27 Jahre alte Mesut Özil vom FC Arsenal in die Partie und erzielte in seinem 80. Länderspiel prompt seinen 21. Treffer. Und das zum ersten Mal mit der Nummer zehn auf dem Rücken, die er vom zurückgetretenen Lukas Podolski geerbt hat. Özils Nummer acht hat jetzt Toni Kroos, der in Mönchengladbach pausieren durfte. Und auch er, also Özil, weiß, was sich gehört: "Jeder ist traurig. Wir wissen, er ist ein großartiger Kerl. Man sieht heute, dass die Fans dankbar sind. Wir bedanken uns bei ihm, dass wir zusammen mit ihm kicken konnten. Er und Lukas haben immer gute Energie in die Mannschaft gebracht." Na, von wem hat er da wohl gesprochen?
Julian Brandt: Nicht ganz so stark wie beim Olympiaturnier in Rio, als er mit den Kollegen die Silbermedaille gewann, präsentierte sich der 20 Jahre alte Leverkusener nun in seinem zweiten Länderspiel mit der richtigen Nationalmannschaft. Vorne rechts im Angriff leistete er sich einfach zu viele Fehlpässe, auch wenn er sich stets bemühte. Nach 78 Minuten kam der 26 Jahre alte Münchner Thomas Müller in die Partie und zu seinem 78. Länderspiel, nachdem es ihm gelungen war, dem elf Minuten zuvor ausgewechselten Schweinsteiger endlich die Kapitänsbinde abzuluchsen. Seine größte Tat war es, als er nach dem Abpfiff gemeinsam mit Neuer eben jenen Schweinsteiger auf die Schultern nahm - eine etwas wacklige Konstruktion, die nicht lange hielt. "Ich habe das Gefühl, er war schon mal leichter. Aber ich bin auch nicht der optimale Träger. Wir haben ihm einen tollen Abschied beschert. Es hat ihn schon richtig berührt, das war schön zu sehen. Da sieht man, dass wir auch Menschen sind mit Gefühlen. Hut ab vor der ganzen Karriere beim DFB. Ein bisschen traurig bin ich schon, dass ich jetzt nicht mehr mit ihm auf dem Platz stehen kann. Er ist da, seit ich angefangen habe beim FC Bayern."
Mario Götze: Dortmunds Trainer Thomas Tuchel hält den Rückkehrer nicht für fit genug, um in der Bundesliga zu spielen. Für einen Einsatz in der Nationalelf reicht es aber stets, da kann sich der 24 Jahre alte Angreifer auf Löw verlassen. In seinem 57. Länderspiel lief er viel und versuchte einiges. Exakt 23 Jahre, nachdem Jay-Jay Okocha im Trikot der Frankfurter Eintracht einen gewissen Oliver Kahn, seinerzeit Torhüter des FC Bayern, mit einem irrwitzigen Dribbling schwindelig gespielt hatte, versuchte Götze das nun nach einer guten halben Stunde mit dem finnischen Torhüter Lukas Hradecky, der seinerseits in Frankfurt unter Vertrag steht. Hat aber nicht geklappt. Dafür bereitete er beide Tore vor.
Kevin Volland: Der 24 Jahre alte Angreifer des TSV Bayer 04 Leverkusen glänzte in seinem siebten Länderspiel dadurch, dass er vor dem 1:0 den Ball nicht berührte, sondern den Kollegen Meyer schießen ließ. Auch sonst war das alles ganz ordentlich. Unglücklicherweise hat er sich, wie der Bundestrainer berichtete, die Hand zumindest angebrochen. Für die Partie in Oslo fällt er also aus.
Quelle: ntv.de