Fußball

Bundesliga-Check: FC Bayern Ein völlig verzockter Kader?

Viel Qualität, wenig Quantität: Reicht der Kader des FC Bayern zur Erfüllung der großen Ziele?

Viel Qualität, wenig Quantität: Reicht der Kader des FC Bayern zur Erfüllung der großen Ziele?

(Foto: imago images / MIS)

Deutscher Fußball-Meister ist er. Den DFB-Pokal gewinnt er auch. Und dennoch wird der Druck auf Trainer Niko Kovac in seiner zweiten Saison beim FC Bayern München nicht kleiner. Die von allen Seiten formulierten Ziele sind hoch, der Kader aber nach wie vor viel zu klein.

Der Begriff "Community Shield" steht beim FC Bayern mutmaßlich sehr weit oben auf dem Index. Der "Community Shield" zerstörte den mächtigsten Transfer der Vereinsgeschichte. Die dort erlittene, schwere Knieverletzung von Fußball-Nationalspieler Leroy Sané stürzte den Sportdirektor noch tiefer in sein panisches "Ruhe-bewahren"-Mantra. Dieses hatte Hasan Salihamidzic Anfang der Woche dann aber überraschend spontan ausgesetzt, um eiligst den Transfer von Ivan Perisic klarzumachen. Auch wenn der nicht zu seinen bevorzugten Zielen gehörte. Aber mit denen hatte es ja ohnehin nicht geklappt. Nun also ist der 30 Jahre alte Vize-Weltmeister aus Kroatien da. Wie viel Wunschtransfer tatsächlich in ihm steckt und welches Buchstaben-Präfix sich die Außenbahn-"Lösung" verdient, das wird erst in ein paar Wochen seriös bewertet werden können. Das Stimmungsbild unserer Leser ist derzeit so: 46 Prozent halten Perisic für einen guten Fußballer, aber nicht für einen Top-Transfer. Das sehen 34 Prozent anders, sie wähnen einen Transfercoup des FC Bayern. 20 Prozent glauben dagegen an eine totale Verlegenheitslösung.

Was gibt's Neues?

Druck von Klubchef Karl-Heinz Rummenigge. Kleiner Scherz. Den Triumph in der Königsklasse als Saisonziel hat er ausgerufen. Natürlich nicht in Hoeneß'scher Unmissverständlichkeit, sondern in Rummenigge'scher Umständlichkeit. "Dieser Klub lechzt nach der Champions League", hatte er in einem Interview mit Sport1 gesagt. Er glaube auch, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger werde, diese Trophäe zu gewinnen, aber "die Anstrengung Champions League ist immer wieder die Benchmark."Einen erfüllten Transferwunsch für die arg ausgedünnte Offensive um James Rodriguez, Franck Ribéry und Arjen Robben konnte er seinem Trainer im Gegenzug für die zu erfüllenden Ambitionen nicht präsentieren. Dieser kommt nun erst rund fünf Wochen verspätet. Und dann ist der Neue auch noch ein Fußballer, der der Rummigge'schen Bayern-Vorstellung widerspricht. Denn Perisic ist eher Handwerker, als Künstler. Er passt damit sehr gut zu Niko Kovac.

Und dessen Idee für den FC Bayern mag der Boss ja nicht. Anfang Juli, der Doublesieg war gerade einigermaßen gut verarbeitet, rüffelte er ohne Not: "Ich glaube erstmal, dass sich ein Trainer der Spielkultur eines Klubs anpassen muss - und nicht umgekehrt. Jeder Trainer hat seine Präferenzen, wie ein Spieler in seinem System spielen soll. Nur: Am Ende des Tages muss es ein Bayern-System geben, wie es ein Barcelona-System gibt." Dieser Wunsch steht nun drohend über dem zweiten Jahr von Kovac. Neben neuen Titeln ist die zweite Bewertungsgrundlage für eine mittelfristige Zukunft Kovac' beim Rekordmeister die Implementierung eines dominanten Spielsystems. Aber weder im Supercup bei Borussia Dortmund (0:2), noch im DFB-Pokal bei Energie Cottbus (1:3) war zu erkennen, wie die Bayern ihre Gegner dominieren wollen. Ansätze eines mutigeren, weil deutlich höheren Pressings waren zu sehen. Ansonsten aber entstand Gefahr vor allem, wenn Kingsley Coman seine Gegner auf der linken Außenbahn überlief. Und flankte. Oder schoss.

Auf wen kommt's an?

Wichtigster Mann beim FC Bayern ist Salihamidzic. Das klingt vielleicht ein bisschen lustig, weil dessen Arbeit öffentlich ja mindestens so kritisch gesehen wird wie Kovac' Arbeit von Rummenigge. Der Kaderplaner ohne durchschaubaren Kaderplan muss mindestens noch einen Top-Transfer für den Rumpfkader - in dem sogar Jérôme Boateng und Renato Sanches bleiben mussten durften - stemmen, um seinen Trainer, die Mannschaft und das Umfeld zu beruhigen. Das Anforderungsprofil: erfahren, superduper und offensiv variabel einsetzbar. Barcelonas Philippe Coutinho, um den der FC Bayern aktiv wirbt, erfüllt immerhin zwei der geforderten Attribute. Er ist erfahren. Und er ist variabel einsetzbar. Nur superduper spielte er zuletzt nicht. Dem 21 Jahre alte Steven Bergwijn von PSV Eindhoven fehlt's dagegen an Erfahrung, die hat auch Leipzigs Sprinter Timo Werner nur auf einem mittleren Level. Beide werden gehandelt. Ebenso wie plötzlich auch wieder ein Comeback von Mario Mandzukic. Bleibt ein weiterer Transfer aus, ist Coach Kovac und dessen Kreativität gefragt. Einen Notfallplan hatte er bereits entworfen. Detailiert können Sie das hier nachlesen. Immerhin ein Problem würde dem Kroaten erspart bleiben: die Moderation seines mitunter mucksigen Ensembles (dem fehlen ja aus bekannten Gründen die manchmal besonders mucksigen Ribéry, Robben und James). Das Gefühl eines völlig verzockten Kaders würde aber wohl trotzdem bleiben.

Was fehlt?

  • Leroy Sané. Er ist verletzt. Und zu teuer.

  • Callum Hudson-Odoi. Er ist verletzt. Und wurde vom FC Chelsea zum Bleiben überredet.

  • Hakim Ziyech. Der hatte keine Lust mehr zu warten. Und verlängerte bei Ajax Amsterdam.

  • Mats Hummels. Der spielt jetzt bei Borussia Dortmund. Immerhin wurde er durch zwei französische Weltmeister ersetzt. Durch Lucas Hernández. Und durch Benjamin Pavard.

  • Die Seele. Das Herz. Das Hirn. Das allerdings erst ab November.

Was sagt der Blogger?

"Beim FC Bayern könnten Erwartungshaltung und Realität in dieser Saison sehr weit auseinanderliegen. Einerseits strebt man immer nach dem Maximum. Kovac formuliert als Ziel erneut das Double und in der Champions League wolle man weiter kommen als in der vergangenen Saison als im Achtelfinale gegen den späteren Sieger FC Liverpool ziemlich deutlich Schluss war. Auf der anderen Seite steht ein schwieriges Transferfenster und eine Mannschaft, deren Potenzial länger nicht mehr voll ausgeschöpft wurde. Perisic wird den Kader in der Breite sicherlich verstärken können, doch in der Spitze fehlt es auf den offensiven Außenbahnen und im Zentrum weiterhin an Qualität, sobald sich Thiago, Serge Gnabry oder Coman verletzen. Im Prinzip brauchen die Bayern noch einen kreativen und spielstarken Mittelfeldmann und einen Flügelspieler, der auf höchstem Niveau spielen kann. Und selbst dann ist der Weg noch weit. Die Konkurrenz aus Dortmund, aber auch Mannschaften wie Leipzig, Leverkusen oder Gladbach sind eher stärker geworden. Bayern hat in der abgelaufenen Saison eine gute Rückrunde gespielt, die aber auch mit vielen Spielen gespickt war, in denen frühe Treffer das Geschehen positiv beeinflusst haben. Sobald sie das Spiel nicht sofort auf ihre Seite ziehen konnten, hatten sie Probleme. Das wird mir beim Blick in den Rückspiegel zu häufig vergessen.

Auftaktprogramm
  • 1. Spieltag: Heimspiel gegen Dodi Lukebakio und Hertha BSC (Freitag, 16. 8., 20.30 Uhr)
  • 2. Spieltag: FC Schalke 04 (A), Samstag, 24. 8., 18.30 Uhr
  • 3. Spieltag: FSV Mainz 05 (H), Samstag, 31. 8, 15.30 Uhr
  • 4. Spieltag: RB Leipzig (A) Samstag, 14. 9., 18.30 Uhr
  • 5. Spieltag: 1. FC Köln (H), Samstag, 21. 9., 15.30 Uhr
  • 6. Spieltag: SC Paderborn (A), Samstag, 28. 9., 15.30 Uhr

Alle Spieltage zum Durchklicken finden Sie übrigens hier.

Leider blenden gute Ergebnisse und Titel zu oft den Blick auf die tatsächlichen Geschehnisse. Besonders im taktischen Bereich muss der FC Bayern mindestens einen Schritt nach vorn machen, um den Erfolg auf nationaler Ebene zu wiederholen - international ist der Weg noch weiter. Das betrifft vor allem das Positionsspiel als Basis für alles. In der Champions League rechne ich nicht mit großen Verbesserungen. Andere Mannschaften sind zu eingespielt und zu stark. Bayern hat hier höchstens Außenseiterchancen. Ohnehin sollte der Fokus im ersten Jahr der Umstrukturierung darauf liegen, die erfolgreiche Zukunft vorzubereiten. In der Vorbereitung gab es in Ansätzen den Versuch, wieder mehr durch Kurzpässe und Tiefenläufe in den Strafraum zu kommen als durch sinnlose hohe Bälle. Können sie aus diesen Ansätzen wieder die Regel machen und kommen in der nächsten Saison Spieler wie Kai Havertz und/oder Sané, dann wäre mir ein weiteres Übergangsjahr, in dem endlich mal Strukturen für die Zukunft gelegt werden, durchaus lieber als ein nationales Double ohne erkennbaren Zukunftsplan. In der jüngeren Vergangenheit wurde dahingehend leider mehr geredet als umgesetzt."

Justin Kraft betreibt den Bayern-Blog "Miasanrot" und schreibt als Blogger auch für n-tv.de.

Wie lautet das Saisonziel?

Deutscher Meister. DFB-Pokalsieger. Und mindestens mal Titelherausforderer in der Champions League. Wobei Rummenigge "Herausforderer" am liebsten streichen würde.

Die n-tv.de-Prognose

Nach sieben Titeln in Serie wird der FC Bayern nicht Deutscher Meister. Den Pokal gewinnt der Klub aber, denn Coach Kovac ist in diesem Wettbewerb ja nachweislich unschlagbar (die einzige Ausnahme, das verlorene Finale 2017, bestätigt die Regel). Und in der Champions League, tja, da braucht's wohl Losglück.

Quelle: ntv.de

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