
Carlo Ancelotti vermisst seinen Topstürmer Robert Lewandowski wohl schmerzlich - von ihm hängt auch sein Nimbus ab.
(Foto: imago/Sven Simon)
Carlo Ancelotti setzt bei seinen Mannschaften im Frühjahr besondere Kräfte frei - beim FC Bayern auch, aber keine guten. RB Leipzig marschiert unbeirrt weiter, Bremen übertrifft sich selbst und an Ostern stellt sich der Tabellenkeller die Glaubensfrage.
1. FC Bayern kratzt an Ancelottis Nimbus
Starensemble. Eine Ersatzbank, die überall woanders die Startelf bilden würde. Da ist es doch egal wer spielt, die sind alle überragend. Eben nicht! Sie sind schon alle sehr gut, ohne Frage, aber mancher ragt eben doch hervor. Robert Lewandowski etwa, oder Mats Hummels oder Jerome Boateng - und das zeigt sich, wenn sie mal verletzt sind. Jetzt also. Und der aktuelle Durchhänger - neben der Niederlage in der Champions League jetzt auch die Nullnummer in Leverkusen - beschädigt das unfehlbare Image des Carlo Ancelotti. Das nämlich besagt, dass er ein Frühjahrsspezialist ist. Wenn es also richtig heiß wird in der Saison und im Pokal und in den internationalen Spielen, dann sind seine Mannschaften bislang immer topfit gewesen. Er selbst hatte zum Jahreswechsel alle Kritiker beschwichtigt, denen bei den Bayern der Saison 2016/17 das gewisse Etwas fehlte. "Wären wir bereits in der Hinrunde auf Hochtouren gelaufen, hätten wir das im Frühjahr bereut", hatte er der "TZ" gesagt. Und jetzt? Klar, die Meisterschaft wird ihnen nicht mehr zu nehmen sein. Aber dann? In der Champions League wartet das Hammer-Rückspiel gegen Real Madrid und im Pokal geht es gegen Dortmund. Da muss was Zählbares bei herauskommen. Nur ein Titel schmeckt den Bayern nicht - und Ancelotti sicher auch nicht.
2. Spielfreude lenkt den BVB ab

Für Sokratis war es eines der härtesten Spiele und trotzdem schoss er eines der schönsten Tore.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Zusammenhalt setzt Kräfte frei - das beweisen die Dortmunder gegen Eintracht Frankfurt. Logisch, sie waren im Vorfeld der klare Favorit, aber der Anschlag auf den Mannschaftsbus am Dienstagabend hätte einiges durcheinanderwirbeln können. Hat er sicherlich auch, aber für 90 Minuten galt die Konzentration der Spieler dem Ball. Und dann war da ja noch Marco Reus, der beim Anschlag nicht im Bus saß und mit seiner Cleverness und dem trickreichen Tor in der 3. Minute den Dosenöffner gab.
"Es war sehr schwer, nicht nur heute. Auch in den nächsten Spielen wird das noch nicht einfach sein. Die Ereignisse dieser Woche lassen sich nur sehr schwer vergessen", fasste es der Grieche Sokratis zusammen. Und doch war er es, der den Klub besonders gut ablenkte - und sogar zum Schmunzeln brachte. Dem Verteidigerkoloss gelang ein Traumtor. "Ja, ich glaube, das war tatsächlich das schönste Tor meiner Karriere. Ich widme es Marc Bartra und seiner Familie", kommentierte Sokratis es selbst. Bei seinem Trainer Thomas Tuchel brachte es den Schalk zum Vorschein: "Er hat ausgeholt zum Schuss, da kann alles passieren. Von einem Einwurf für den Gegner bis hin zum Tor."
Lachen und Frohsinn ist in Dortmund also wieder drin - zumindest zeitweise. Und das macht Mut. Mut, das Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale gegen den AS Monaco ohne allzu düstere Gedanken zu bestreiten und Mut, im Endspurt der Bundesliga-Saison vielleicht doch noch den Sprung auf Platz drei und damit die direkte Qualifikation zur Champions League zu schaffen.
3. Werder Bremen übertrifft sich selbst
39 Punkte, Platz acht in der Bundesliga-Tabelle. Alles in Butter also. War da was? Ja, allerdings - eine unglaubliche Aufholjagd. Werder hat nun neun Spiele ohne Niederlage in Folge auf dem Konto, holte in dieser Zeit 23 Punkte und kann plötzlich auf die Europa-League-Plätze schielen. Bedeutet auch: Neun Spiele zuvor - also Mitte Februar - hatte Werder 16 Punkte und stand auf dem Relegationsplatz und wurde - mal wieder - als Abstiegskandidat gehandelt. Doch jetzt haben sie sich selbst übertroffen. Man muss schon ganz schön lange zurückschauen, wenn man einen 29. Spieltag finden will, an dem der Klub mehr Punkte gesammelt hatte. Es war in der Saison 2011/12 - siebter Platz, 41 Punkte. Das war noch in der Ära Thomas Schaaf.
Für den aktuellen Trainer Alexander Nouri kann das eigentlich nur eines bedeuten: Er darf weitermachen. Doch in dieser Situation verlässt sich der Klub offenbar wieder vermehrt auf alte Tugenden aus der Ära Schaaf - es werden keine eiligen Entscheidungen zu einem Zeitpunkt getroffen, an dem es Wichtigeres gibt. Und so muss Nouri gelassen bleiben und daran glauben, dass seine Bremer weiter für ihn spielen.
4. RB Leipzig macht es wie Hoffenheim - nur besser
Als Aufsteiger direkt in die Champions League. Also zumindest in die Qualifikation dazu - die hat RB Leipzig bereits fünf Spieltage vor Schluss sicher. Wie schön, dass man sich in Sachsen darüber hinaus "schon" über einen gefühlten Meistertitel freuen würde. "Vize-Meister hinter dem FC Bayern zu werden, ist gefühlt fast wie Meister zu werden. Und deswegen wollen wir mit aller Macht diesen zweiten Platz behalten", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl.
Logisch, dass die Brötchen, die man bei RB backt, nicht sonderlich klein sind. Schmecken tun sie - ebenfalls logisch - längst nicht jedem. Doch das interessiert in Leipzig - auch logisch - niemanden (mehr). Vielleicht glaubt man auch an die Kraft der Verdrängung. Schließlich wurde Liga- und Tabellenkonkurrent 1899 Hoffenheim vor mittlerweile neun Jahren ebenfalls so kritisch beäugt, als man erstmals in der Bundesliga auftauchte. Heute feiern viele Trainer Julian Nagelsmann und seine Truppe für ihr großartiges Spiel und den Erfolg. Gut, bei Hoffenheim hat es immerhin neun Jahre gedauert, bis erstmals internationale Spiele erreicht werden. Aber wie bei RB möchte man wohl die Europa League gleich auslassen - und volle Kraft auf die Champions League zusteuern.
5. Darmstadt macht Fans zu Hause glücklich
Puh, zuhause schon mal nicht abgestiegen. Darüber werden sich die Darmstädter nach dem 29. Spieltag wohl am meisten freuen. Kaum jemand kann schließlich ernsthaft glauben, dass die drei Punkte gegen die miserabel aufgelegten Schalker der Anfang einer wunderbaren Aufholjagd sind. Schließlich wehrt sich auch der Rest im Tabellenkeller ordentlich gegen den Abstieg - und so haben die Lilien immer noch 14 Punkte Rückstand auf den vorerst rettenden Relegationsplatz - bei noch 15 zu vergebenen Punkten.
Der Abstieg ist also nur vertagt. Und man möge den Darmstädtern und ihren Fans im Stadion am Böllenfalltor wünschen, dass sie den Gang ins Unterhaus nicht zuhause besiegeln müssen. Nächste Woche geht es zum jetzt ebenfalls wieder akut bedrohten Hamburger SV und danach ist der SC Freiburg zu Gast. Nun ja, warten wir es ab. Der seit Längerem verletzte Peter Niemeyer jedenfalls schaut bereits über den Sommer hinaus: "Ich hoffe, es entsteht nach dem Abstieg hier eine Aufbruchstimmung und wir greifen in der 2. Liga wieder richtig an", sagte er bei Sky. Dann mit Kevin Großkreutz.
6. Tabellenkeller übt Oster-Auferstehung
Ostern ist die Zeit der Auferstehung: Wenn es danach geht, ist man im Tabellenkeller besonders gläubig. Der FSV Mainz hat zuletzt sechs Spiele in Folge nicht gewonnen, der FC Augsburg hat zuletzt sechs Spiele in Folge nicht gewonnen, der VfL Wolfsburg hat zuletzt drei Spiele in Folge nicht gewonnen. Und am Osterwochenende? Sammeln sie plötzlich jeweils drei Punkte wie andere Ostereier.
Da kann einem der FC Ingolstadt fast schon leidtun - Wolfsburg hatte im Duell wohl einfach den stärkeren Glauben. So wird es nichts mit dem Verbleib in Liga eins. Augsburg gewinnt gegen den Europa-League-Aspiranten Köln - aber das hat sie nicht vom Relegationsplatz katapultiert. Weil eben Mainz ebenfalls gegen einen Europa-League-Kandidaten (Hertha BSC) gewinnt und Wolfsburg … na Sie wissen ja.
Quelle: ntv.de