Zuckerbergs eigene Welt Was will Facebook mit Oculus VR?
26.03.2014, 15:22 Uhr
Teilen Facebook-Nutzer bald auch Erfahrungen, die sie mit der Oculus Rift gemacht haben?
(Foto: kwe/Facebook)
Facebook hat den Hersteller der VR-Brille Oculus Rift aus guten Gründen gekauft, Mark Zuckerberg hat eine Zukunftsvision, die weit über Computerspiele hinausgeht. Aber es gibt viele, die seinen Blick auf eine schöne neue virtuelle Welt nicht teilen mögen.
Kann man die Welt wirklich so machen, wie sie einem gefällt oder glauben das nur Menschen, die ein kunterbuntes Haus, ein Äffchen und ein Pferd oder mächtig einen an der Klatsche haben? Früher, als Pippi Langstrumpf 1968 ihr Lied zum ersten Mal im Fernsehen sang, ahnte wohl niemand, was rund 45 Jahre später möglich sein würde. Zwar können auch heute die echte Welt nur sehr wenige Menschen verändern, aber in der virtuellen Welt ist fast alles möglich.
Ein Pionier der virtuellen Realität ist die kalifornische Firma Oculus VR, die 2012 aus einem der bisher erfolgreichsten Kickstarter-Projekte hervorging. Sie hat eine Virtual-Reality-Brille namens Oculus Rift entwickelt, die es Computerspielern erlaubt, sich in einer Welt, die sie nur auf Displays vor ihren Augen sehen, scheinbar frei zu bewegen. Immersive virtuelle Realität nennt man das. Die Begeisterung unter Technik-Enthusiasten war so groß, dass das Finanzierungsziel von 250.000 Dollar bereits nach vier Stunden erreicht war, das Kickstarter-Projekt schloss mit mehr als 2,4 Millionen Dollar.
Oculus Rift noch in den Kinderschuhen
Bisher gibt es allerdings nur Vorab-Versionen für Entwickler, ein Serienmodell wird erst im Laufe dieses Jahres erwartet. Die Prototypen, die auf Messen zum Einsatz kamen, lassen aber bereits ahnen, was mit der Oculus Rift möglich ist. Ob sie ein Erfolg wird, ist jedoch noch offen. Denn nur wenn die Massen auf den Oculus-Zug aufspringen, werden die Studios ausreichend Spiele für die Brille liefern, deren Entwicklung viele Millionen Dollar und Monate oder Jahr e an Arbeit kosten. Zwar bietet Oculus VR ein SDK an, um bestehende Spiele anzupassen, doch die Möglichkeiten der Brille kann wohl nur speziell entwickelte Software ausschöpfen. Aber so lange es keine Blockbuster für die Plattform gibt, werden sich nur ein paar Geeks eine Oculus Rift kaufen, was den Großen der Branche kaum genügen wird.
Auch wenn Sony kürzlich ebenfalls den Prototypen einer Datenbrille vorgestellt hat, ist also nicht mit einem kurzfristigen (finanziellen) Erfolg der Oculus Rift zu rechnen. Ein Unternehmen mit einem kleineren Finanzpolster hätte daher wahrscheinlich nicht rund zwei Milliarden Dollar für den Hersteller hingeblättert. Doch Facebook kann es sich a) leisten und hat b) noch viel mehr als Computerspiele mit der Datenbrille vor.
Zuckerberg denkt weiter
Unternehmenschef Mark Zuckerberg schreibt in einem Facebookeintrag, die Spiele seien nur der erste Schritt. Danach "werden wir Oculus zu einer Plattform für viele andere Erlebnisse machen. Stellt euch vor, ihr beobachtet von der Tribüne ein Tennisspiel, sitzt in einem Klassenraum mit Schülern und Lehrern aus der ganzen Welt oder konsultiert einen Doktor - ganz einfach, indem ihr zu Hause eine Brille aufsetzt", schwärmt er. Und weil Facebook auch in der virtuellen Welt Facebook bleibt, dreht sich auch in Zuckerbergs Zukunftsvision viel ums Teilen. "Stellt euch vor, nicht nur M omente, sondern ganze Abenteuer und Erlebnisse mit euren Freunden online zu teilen."
Der Facebook-Chef kann sich aber auch noch ganz andere Einsatzgebiete vorstellen, die es erst noch zu entdecken gilt. "Wir glauben, dass die immersive virtuelle Realität eines Tages für Milliarden von Menschen zum täglichen Leben gehören wird", schreibt er. Wie zuvor bei Computern und Smartphones werde mit der virtuellen Realität ein Science-Fiction-Traum wahr. "Die Zukunft kommt und wir haben die Chance, sie zusammen zu gestalten."
Nutzer und Entwickler enttäuscht
So begeistert wie Mark Zuckerberg sind die meisten Kommentare zu dem Deal nicht. Im Gegenteil: Wie schon beim WhatsApp-Kauf geht ein Aufschrei durchs Internet. Diesmal ist er sogar noch lauter, weil viele Spieler und Technikfans glaubten, ein Kickstarter-Projekt habe etwas mit Idealismus zu tun. Auch an populären Kritikern fehlt es nicht. Markus Persson, der eine VR-Version seines populären Spiels Minecraft für die Oculus Rift entwickeln wollte, verkündete auf Twitter seinen Ausstieg aus dem Projekt. Er beglückwünsche Oculus VR, wolle persönlich aber nichts mit Facebook zu tun haben, erklärte er den Schritt in seinem Blog.
Auch unter den über 700 Kommentaren unter einem Blogpost von Oculus-Gründer Palmer Luckey und seiner Führungscrew, in dem sie Zuckerbergs Weitsicht loben, finden sich nur wenige Befürworter des Facebook-Deals. Geschäftsführer Brendan Iribe nennt in seinem Blogeintrag zwar gute Gründe, warum seine Firma sich Facebook anschließt: Oculus VR kann die Infrastruktur und personelle Ressourcen des sozialen Netzwerks nutzen, ist finanziell abgesichert und kann damit langfristig planen. Doch auch hier überwiegt der Protest.
Das Spiel ist noch offen
Vielleicht wird sich der Sturm bald legen. Auch WhatsApp hat den Aufkauf durch Facebook ohne größere Schäden weggesteckt. Das Wachstum sei stabil, sagte CEO Jan Koum dem "Focus" kürzlich und verkündete mit 430 Millionen aktiven Nutzern eine neue Rekordzahl. Doch bei der Oculus Rift sieht die Sache etwas anders aus. Sie ist noch nicht auf dem Markt und hat nicht viele Millionen Nutzer, die kaum bereit sind, zu einer Alternative zu wechseln, die niemand verwendet. Die Rift muss erst noch Käufer finden, ist bei Weitem noch nicht massentauglich und sieht sich vermutlich bald starker Konkurrenz von Sony und anderen Herstellern gegenüber. Für die Oculus Rift kann ein schlechtes Image durch den Facebook-Deal also auch mittel- oder langfristig durchaus schädlich sein. Allerdings hat das soziale Netzwerk weltweit hunderte Millionen Nutzer, die Zuckerbergs schöne neue VR-Welt betreten könnten. Das Spiel wurde eben erst eröffnet, der Ausgang ist noch völlig offen.
Quelle: ntv.de