Preise nehmen Kurs auf 50 Dollar Ist das die Trendwende am Ölmarkt?
17.05.2016, 16:23 Uhr
Der Druck auf den Ölmarkt nimmt ab.
(Foto: REUTERS)
Die Ölpreise steigen. Ob in Nigeria, Kanada oder den USA - die Fördermengen schrumpfen. Die Zeit des Überangebots neige sich schneller dem Ende zu als erwartet, sagen Rohstoffexperten. Verbraucher und Anleger sollten wachsam bleiben.
Die Ölpreise profitieren kräftig von Spekulationen über ein bevorstehendes Ende der Ölschwemme. Die Nordsee-Sorte Brent machte seit ihrem Tiefststand im Januar über 70 Prozent gut, das amerikanische Leichtöl WTI verteuerte sich seitdem immerhin um über 50 Prozent. Für den Preisauftrieb am Ölmarkt sorgen vor allem zwei Studien: Die Rohstoffexperten von Barclays und Goldman Sachs äußern sich in ihren jüngsten Markteinschätzungen deutlich optimistischer als zuvor. Die Ölförderer Nigeria, Venezuela, die USA und China produzierten weniger. Gleichzeitig steige die Nachfrage aus China und Indien, heißt es. Die kurzfristige Prognose von Goldman Sachs von 50 Dollar pro Barrel hat der Ölpreis schon fast erreicht.
Die Verbraucher dürften "die Signale nicht überhören", hatte der Chef der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, bereits Ende Februar gewarnt. Es sei "einfach, sich durch die niedrigen Preise einlullen zu lassen". Seine Prognose: Spätestens 2017 würde der dauerhafte Preissturz beim Öl ein Ende haben und der Markt sich stabilisieren. Wie es scheint, vollzieht der Ölmarkt die Trendwende jedoch schneller, als erwartet - und dies, ohne dass die großen Ölförderer sich auf eine Deckelung ihrer Förderung verständigen mussten.
Ende der Überversorgung?
Das Angebot schrumpft - wenn auch unfreiwillig: Nigeria fördert wegen einer riesigen Gewaltwelle im Niger-Delta so wenig Öl wie seit 22 Jahren nicht. In Kanada gibt es nach verheerenden Waldbränden ebenfalls Produktionsausfälle. Förderanlagen wurden zwar nicht beschädigt, doch bis die Produktion wieder in Gang kommt, soll es noch einige Wochen dauern, heißt es. Die Commerzbank rechnet damit, dass in diesem Monat 660.000 Barrel pro Tag weniger gefördert werden. Das entspricht schon einmal annähernd der Hälfte des täglichen Überangebots an Öl, das auf über 1,5 Millionen Barrel pro Tag geschätzt wird.
Auch Venezuela, die USA und China fördern derzeit weniger. Das krisengeschüttelte Opec-Mitglied Venezuela schrumpfte seine Produktion seit Jahresanfang um mindestens 188.000 Barrel pro Tag. Die Vereinigten Staaten werden von einer erdrutschartigen Pleitewelle im Energiesektor - vor allem in der hoch verschuldeten Frackingindustrie - erschüttert. Und China reduzierte wegen seiner konjunkturellen Schwäche die Umdrehungen seiner Pumpen.
Der größte Anteil des Rückgang der Erdölförderung entfällt laut Opec aber auf die US-Schieferölproduzenten, die wegen der niedrigen Preise unprofitable Ölquellen schließen müssen. Die US-Ölförderung werde deshalb in diesem Jahr um 431.000 Barrel auf 13,56 Millionen Barrel pro Tag fallen, schreibt das Erdölkartell in seinem Monatsbericht.
Gleichzeitig würden die Explorations- und Förderinvestitionen in den kommenden Jahren weltweit dramatisch sinken. Sie sollen bis 2018 auf jährlich 40 Milliarden US-Dollar zurückgehen, damit wären die Investitionen nur noch halb so hoch wie im Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2014. Die Investitionsrückgänge sollen auch dauerhaft dramatisch auf die Förderquote wirken. Laut IEA wird die Tagesproduktion zwischen 2015 und 2021 weltweit nur noch um vier Millionen Barrel (je 159 Liter) Rohöl steigen - bei steigender weltweiter Nachfrage, vor allem im aufstrebenden Indien. Zum Vergleich: In den Jahren 2009 bis 2015 waren täglich 11 Millionen Barrel hinzugekommen.
Wenn der Ölpreis weiter klettert
Sollten die Ölpreise weiter steigen, dürfte dies über kurz oder lang die Inflation ankurbeln. Marktbeobachter werden deshalb die Teuerung in den USA und in Europa im Auge behalten. Denn diese Daten geben Aufschluss über die weitere Geldpolitik der Notenbanken. Steigen die Preise, steigt der Druck auf die Fed, die Zinsen schneller anzuheben. Die EZB dagegen würde auf weitere Geldspritzen in Form von Anleihekäufen verzichten. Gleichzeitig verleihen Spekulationen auf steigende Zinsen in den USA dem US-Dollar Auftrieb, was den in Dollar notierten Rohstoff Öl noch teurer machen würde.
Noch erwarten Börsenexperten jedoch keinen deutlichen Anstieg der Teuerung. Wann der Ölpreis auf die Preise an der Tankstelle durchschlägt, lässt sich schon gar nicht vorhersagen. Benzinmarkt und Ölmarkt bewegen sich laut Mineralölwirtschaftsverband MWV eigenständiger, als es häufig erwartet wird.
Wachsam bleiben
Freuen dürfen sich deweil die gebeutelten Ölproduzenten, deren Staatskassen im Moment geschont werden. Und die Aktienanleger, denn die Börsen ziehen mit den steigenden Ölpreisen ebenfalls nach oben. Grund ist die Annahme, dass die steigende Nachfrage nach Öl für starke Konjunkturen steht. Allerdings gibt es auch die Kehrseite der Medaille: Wirtschaften, die aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise einen Turbo-Start ins Jahr hingelegt haben, droht möglicherweise eine Turbo-Bremsung, wenn die Preise kräftig anziehen. Das Motto der IEA behält also weiter Gültigkeit: Verbraucher und Anleger sollten wachsam bleiben und auf die Signale lauschen.
Denn Angebotsausfälle in Ländern wie Nigeria und Kanada werden nicht von Dauer sein. Analyst Eugen Weinberg rechnet schon allein deshalb eher noch einmal mit einem Preisrückgang. Auch die höheren Fördermengen der Opec - zurückzuführen auf die Rückkehr des Irans an den Ölmarkt, der über die kommenden drei Jahre seine Förderstärke wieder auf altes Niveau hochfahren will - sprechen gegen einen schnell ansteigenden Ölpreis. Die Opec pumpte im April insgesamt 32,44 Millionen Barrel pro Tag. Das sind 188.000 bpd mehr als im März, laut Reuters-Daten ist das die höchste Menge seit mindestens 2008. Auch das verhindere einen stärkeren Anstieg der Ölpreise, meint Goldman Sachs.
Hinzu kommt die anhaltende Unsicherheit über die zukünftige Nachfrage. Viele der weltweiten Konjunkturdaten sind im Abwärtstrend. Die chinesische Wirtschaft arbeitet zwar immer noch auf hohem Niveau, die Industrie hat aber auch im April ihr Wachstumstempo wieder stärker als erwartet verlangsamt. Die gebeutelten Ölproduzenten Saudi-Arabien, Venezuela und Russland dürfen bei Preisen von knapp unter 50 Dollar insofern zwar aufatmen. Doch ob es einen Weg zurück zu altem Wohlstand im Zeichen des Ölpreises gibt, ist eher fraglich.
Quelle: ntv.de