Habeck warnt vor Eskalation "Könnten dann 'Handel' in Handelskriege auch weglassen"
24.06.2024, 18:19 Uhr Artikel anhören
Habeck will eine "wettbewerbliche Partnerschaft" zu China.
(Foto: IMAGO/Frank Ossenbrink)
Wirtschaftsminister Habeck wirbt für eine Verständigung mit China. Neue Zölle hätten keine Gewinner und massive Folgen für alle - bis hin zu militärischen Konflikten. Um dies zu vermeiden, müsse auch die EU reformiert und bei manchen Fragen der Einfluss der Einzelstaaten zurückgedrängt werden.
Wirtschaftsminister Robert Habeck warnt eindringlich vor einer Eskalation des Handelskonflikts mit China. "Das wäre gegen unsere Interessen, und zwar nicht nur ökonomisch", sagte er beim Tag der Industrie in Berlin. "Dann würden wir nicht über Handelskriege oder bedrohliche Handelskriege reden, sondern da können wir 'Handel' auch weglassen." Die EU müsse ihre eigenen Interessen "in einer wettbewerblichen Partnerschaft" mit China umsetzen. Ein Scheitern der Gespräche und eine Eskalation des Handelskonflikts bärgen hingegen das Risiko, "dass sich Russland, China, der Iran und Nordkorea in einer festen politischen Achse zusammenschließen".
Habeck war zuvor von einer mehrtägigen China-Reise zurückgekehrt. Der Besuch in Peking und weiteren chinesischen Metropolen wurde von dem Streit über eine mögliche Erhöhung der EU-Zölle auf chinesische Elektroautos überschattet. Die EU-Kommission wirft Peking vor, seine Hersteller zum Nachteil europäischer Hersteller stark zu subventionieren. Die chinesische Regierung prangert das Brüsseler Vorgehen als "Protektionismus" an. Die zusätzlichen Auto-Zölle der EU sollen ab 4. Juli vorläufig in Kraft treten und bis zu 38 Prozent betragen. Beide Seiten haben sich nun auf einen Verhandlungsfahrplan verständigt.
Allgemeiner steht China bei westlichen Handelspartnern wegen mutmaßlich unfairer Handelspraktiken in der Kritik. Es besteht die Sorge, dass durch hohe staatliche Subventionen in chinesische Schlüsselsektoren wie die Automobilindustrie, erneuerbare Energien oder auch die Batterieproduktion Überkapazitäten entstehen. In der Folge könnten Produkte zu niedrigen Preisen den europäischen Markt und den Weltmarkt überschwemmen - zum Nachteil der Konkurrenten.
"Welt darf nicht in Zollräume zerfallen"
In China hatte Habeck sich bereits um eine Entschärfung des Streits bemüht und dafür geworben, die Sichtweisen der jeweils anderen Seite zu verstehen. "Wir müssen uns fragen, was können wir tun, um diesen Wettlauf, der sich so negativ entwickelt, zu verhindern", sagte er nun. Es müsse versucht werden, im Wettbewerb mit China zu bestehen und zu einer Kooperation zu kommen.
Dabei warnte der Grünen-Politiker vor einem Zerfall der Weltwirtschaft in Zonen. "Würde also die Welt in Zölle und Zollräume wieder zerfallen, hätte es nur einen Effekt, egal wer am Ende die Nase vorne hat: Alles würde wieder teurer werden." Man dürfe nicht einsteigen in eine Spirale des 'Ich gönne dir nichts', denn am Ende würden alle durch dieses Nichtgönnen verlieren.
Ein Zollkrieg wäre letztlich das Ende der Globalisierung: "Weniger Menschen würden daran profitieren, weniger Wohlstand würde entstehen, weniger Menschen würden Zugang zu Energie, zu sauberer Energie, zu Wasser, zu Bildung, zu Gesundheitsfürsorge und so weiter bekommen", sagte er weiter und zeigte sich fest davon überzeugt, dass die Chinesen glaubten, man wollen sie fernhalten von den Märkten. Die Angst sei dort real. Andersherum befürchte die EU, dass China nicht mit besseren Produkten, sondern mit Dumping-Angeboten den Markt und die europäischen Industrien zerstören wollten.
"EU only"
Habeck plädierte dafür, die EU-Wirtschaft zu stärken. Dafür müsse es Reformen bei den EU-Wettbewerbsregeln geben. Diese konzentrierten sich zu sehr auf faire Rahmenbedingungen in der EU. Stattdessen müssten innerhalb der EU auch starke Regionen gefördert werden können, da sie sich mit US-Bundesstaaten oder chinesischen Provinzen messen müssten. Auch bei Fusionen von Unternehmen müsse der Weltmarkt Maßstab sein und nicht Europa. Freihandelsabkommen müssten von der EU geschlossen werden können, ohne dass Parlamente jedes einzelnen Mitgliedsstaates auch zustimmen müssten.
Für das Motto "EU only" sprach sich auch Kanzler Olaf Scholz aus. Andernfalls drohten jahrelange Verzögerungen durch Ratifizierungsprozesse in den Mitgliedstaaten. Die Diskussion über dieses neue Prinzip müsse sehr sorgfältig geführt werden, es brauche mehr Pragmatismus und mehr Geschwindigkeit. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, sagte, es sei wenig erfolgversprechend, es in Europa allen recht machen zu wollen. Er verwies auf das Scheitern eines Handelsabkommens mit Australien sowie lange Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenverbund Mercosur.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/rts