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Plötzlich 80 "Age Man"-Anzug simuliert Alter

Medizinstudenten sollen ein Gefühl für alte Menschen bekommen.

Medizinstudenten sollen ein Gefühl für alte Menschen bekommen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie empfindet und sieht ein alter Mensch die Welt? Was passiert, wenn die körperlichen Fähigkeiten Schritt für Schritt nachlassen? Ein Anzug soll helfen, die Schwächen der Alten nachzufühlen.

Die Geräusche sind dumpf wie unter Wasser, das Sichtfeld ist eingeschränkt wie mit Scheuklappen. In die Hocke gehen, um etwas aufzuheben? Gar nicht dran zu denken! Im Altersanzug "Age Man" erlebt man, wie es sich anfühlt, alt zu sein. Dafür sorgen Gewichte an den Gelenken, eine ebenfalls bleischwere Latzhose und eine Jacke. Außerdem gehören ein Helm mit einem gelblichen Sichtfenster, spezielle Kopfhörer und Handschuhe zur Ausrüstung des "Age Man", der an einen sehr behäbigen Roboter erinnert.

Das Evangelische Geriatriezentrum Berlin, an dem Medizinstudenten der Charité ausgebildet werden, nutzt den speziellen Anzug seit einigen Wochen für die medizinische Lehre. "Die Studierenden sollen so ein besseres Verständnis für die Lebenswelt eines älteren Menschen erlangen. Praktische Selbsterfahrung kann hier mehr bewirken als theoretische Vermittlung", sagt Rahel Eckardt, Oberärztin für Geriatrie.

Nicht nur Schulung für Mediziner

Mehr Geduld, mehr Verständnis, mehr Einfühlungsvermögen. Wer einmal versucht hat, mit den Alters-Handschuhen das passende Kleingeld aus dem Portemonnaie zu fischen, wird nie wieder an der Supermarktkasse schimpfen, wenn eine alte Dame beim Bezahlen etwas länger braucht.

Bewegungen fallen schwerer, sind anstrengender.

Bewegungen fallen schwerer, sind anstrengender.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das in Saarbrücken ansässige Unternehmen, das den "Age Man" herstellt, hat bereits 1995 den ersten Altersanzug entwickelt. Seit 2008 wird das jetzige Modell ausgeliefert. "Unser Schwerpunkt liegt in der Medizinerausbildung, Altenpflegeschulen und Verkehrsbetrieben", erklärt Hersteller Gundolf Meyer-Hentschel. Die Berliner Verkehrsbetriebe schulten ihre Busfahrer und ihr Servicepersonal mit Hilfe der Alters-Simulation.

Auch die Forschung soll vom "Age Man" profitieren - zum Beispiel die Automobilbranche: "Wissenschaftler und Ingenieure können sich so besser in den Zustand von älteren Menschen hineinversetzen und zum Beispiel den Fahrraum und Bedienelemente auf die Bedürfnisse anpassen", sagt Medizinerin Eckardt.

Vermittlung eines Gefühls

Volker Schmidt vom Deutschen Senioren Ring betont, dass eine Alters-Simulation keine Tatsachen vermittle, sondern eher das Gefühl: "Aha, so könnte sich Alter anfühlen." Man dürfe nicht vergessen, dass das Alter facettenreich sei. "Der eine sieht schon mit 55 schlecht, der andere hat mit 90 noch Adleraugen." Man sehe aber natürlich, dass Motorik und Wahrnehmung mit der Zeit immer schlechter würden.

Ein konkretes Alter soll der Anzug nicht vermitteln, wohl aber die nachlassenden Kräfte. "Der Verlust an Muskelkraft und Muskelmasse ist für viele ein besonders schwerwiegendes Problem", sagt Ärztin Eckardt. Durch Stürze gerate die Selbstständigkeit der älteren Menschen in Gefahr. Viele schränkten sich in ihren Bewegungen aus Angst vor weiteren Unfällen zunehmend ein.

Diese Angst wird im Anzug nachvollziehbar. Das Schlimmste ist die Wahrnehmung. Blau und Grün lassen sich kaum unterscheiden. An Gesprächen teilzunehmen, ist nur dann möglich, wenn man direkt von vorne angesprochen wird. Geräusche von der Seite oder von hinten sind kaum zu verstehen und lassen sich nicht zuordnen.

Quelle: ntv.de, Sophia Weimer, dpa

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