Alma, Susi und Shakira Die Rasse macht die Milch
23.02.2009, 12:38 UhrAlle 25 Kühe von Hannelore Siegel haben einen Namen. Und jeden Morgen, wenn die Bäuerin aus Durach bei Kempten zum Melken in den Stall geht, spricht sie mit den Tieren. "Die Kühe mögen es, wenn man mit ihnen redet. Sie reagieren auch ganz deutlich auf unsere Stimmen und den Tonfall." Über eine Studie aus England, wonach Kühe diesen persönlichen Umgang mit einer Extraportion Milch belohnen, kann die erfahrene Landwirtin allerdings nur lachen. "Vor Jahren hieß es schon mal, dass Kühe mehr Milch geben, wenn man ihnen Mozart vorspielt. Das ist in meinen Augen alles Unfug."
Ob eine Kuh 6500 Liter Milch pro Jahr produziert oder mit mehr als 10.000 Litern zu den leistungsstarken, sogenannten "Elite-Kühen" zählt, hängt laut Siegel von der jeweiligen Rasse und Züchtung ab. Außerdem müsse man unterscheiden zwischen reinen Milchkühen und ihren Artgenossen, die sowohl Milch- als auch Fleischlieferanten sind. Auch Alter und Gesundheit, gute Pflege und das richtige Futter würden die Milchmenge beeinflussen. "Ob das Tier einen Namen hat, spielt aber ganz sicher keine Rolle", ist die ehemalige Landesbäuerin überzeugt. Sie habe Großbetriebe in Ostdeutschland besucht, die bis zu 2000 Stück Vieh umfassen. "Da haben die Kühe keinen Namen mehr, sondern sind als Nummern registriert. Trotzdem geben sie mehr Milch als unsere Kühe."
Mehr Milch durch Namensgebung
Forscher der Newcastle Universität hatten herausgefunden, dass Kühe, die durch eine Namensgebung mehr Zuneigung erfahren, glücklicher sind und dadurch größere Milchmengen produzieren. Eine Kuh, die nur mit einer Nummer versehen und wie eine unter vielen behandelt wird, gebe laut der Studie pro Jahr bis zu 258 Liter weniger Milch. "Für Großbetriebe ist es einfacher, mit Nummern zu arbeiten. Das heißt aber nicht, dass die Kühe deshalb schlechter behandelt werden", sagt Alfred Enderle, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) im Oberallgäu. Er hält die Studie aber insoweit für plausibel, als etwa Krankheiten bei einer Einzeltierbetreuung schneller zu erkennen sind. Enderle selbst hält auf seinem Hof in Wertach nur 15 bis 20 Kühe und fängt deren Milch beim Melken noch in Eimern auf. "Ich sehe gleich, wenn weniger drin ist als am Vortag. Dadurch kann ich sofort reagieren und schauen, was der Kuh fehlt."
Ob eine Kuh Alma oder Berta heißt oder nur als Ziffer gehalten wird, kann jeder Bauer selbst entscheiden. "Eine Ohrmarken-Nummer zusätzlich zum Namen brauchen aber alle Kühe. Eine Datenverarbeitung wäre sonst nicht möglich, denn bestimmte Namen sind in beinahe jedem Stall vertreten", sagt Stefan Immler vom Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung (LKV) in Kempten. Die Behörde führt regelmäßig Milchleistungsprüfungen durch, an die laut Immler etwa 80 Prozent des Milchkuhbestandes im Allgäu angeschlossen sind. Die Prüfungen dienen der Kontrolle der Leistung von Milchkühen, erfasst werden die Milchmenge und der Gehalt von Fett und Eiweiß.
Immer häufiger Systemnummern
Einen Zusammenhang zwischen der Namensgebung und der abgegebenen Milchmenge einer Kuh hat Immler bislang nicht festgestellt. "Ein Landwirt hat sicherlich einen engeren Bezug zu seinen Kühen, wenn er ihnen einen Namen gibt. Dass alleine dadurch alles in Butter ist, glaube ich aber nicht", zweifelt der Fachberater die Studie aus England an. Im Allgäu habe der Großteil der Kühe noch einen Namen. Es sei jedoch ein leichter Trend erkennbar, dass vor allem die größer werdenden Betriebe immer häufiger mit Systemnummern arbeiten.
Beliebte Kuhnamen sind laut Immler vor allem kurze Mädchennamen wie Susi, Lisa oder Nina. "Es tauchen aber auch immer wieder neue Kreationen auf. Aktuelle Popstars wie Shakira zum Beispiel." Häufig würden Betriebe ein bestimmtes System verwenden, um die Tiere leichter zuordnen zu können. So bekommen etwa Mutter und Tochter Namen mit gleichen Anfangsbuchstaben. Auch Alfred Enderle wendet dieses System an, um die verwandtschaftliche Linie seiner Tiere zurückverfolgen zu können. Bei der Auswahl der Namen sei jedoch die gesamte Familie eingebunden. "Unsere Buben machen sich schon lange vor dem Kalben Gedanken darüber, wie das Neugeborene heißen könnte."
Quelle: ntv.de, Birgit Klimke, dpa