"Kiesel fliegen einem um die Ohren" Forscher verdampfen die Erde
05.08.2012, 12:16 UhrSie wollen endlich nicht mehr nur darüber reden, sondern es auch ausprobieren: Forscher verdampfen am Computer die Erde. Sie drehen die Temperatur höher und höher und werden Zeuge eines eindrucksvollen Schauspiels.

Zum Vergleich ziehen die Forscher Exoplaneten, wie den Corot-7b (Vordergrund) heran. Er umkreist seine Sonne (Hintergrund) so dicht, dass er auf seiner stets sonnenzugewandten Seite von einem 2000 Grad heißen kochenden Lavaozean bedeckt sein könnte.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Was passiert, wenn die Erde verdampft? Das haben US-Forscher mit Computersimulationen erkundet. Die Arbeit erinnert an den Science-Fiction-Klassiker "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams, in dem die Erde einer Hyperraumstraße weichen muss und verdampft wird, hat aber einen seriösen Hintergrund: Die Gruppe um Bruce Fegley von der Washington-Universität in St. Louis hat untersucht, wie die Atmosphären heißer, erdähnlicher Planeten bei anderen Sternen erscheinen, um Planetenjägern einen Anhaltspunkt zu geben. Sie berichtet im Fachblatt "The Astrophysical Journal" über ihre Simulationen. "Wir Wissenschaftler sind nicht zufrieden damit, nur über das Verdampfen der Erde zu reden", betont Fegley in einer Mitteilung seiner Universität. "Wir wollen genau verstehen, wie es wäre, wenn es passieren würde."
Viele der sogenannten Exoplaneten, die bei anderen Sternen gefunden werden, umkreisen ihre Heimatsonne in so geringer Entfernung, dass es auf ihnen glutheiß ist. Die große Zahl solcher Entdeckungen liegt daran, dass ferne Planeten in der Regel umso leichter zu finden sind, je größer sie sind und je dichter sie ihren Stern umkreisen. Für große Gasplaneten auf engen Umlaufbahnen hat sich der Begriff heiße Jupiter eingebürgert.
Heutige und junge Erde
Oft erlauben die Beobachtungen den Astronomen, auch die mittlere Dichte der Exoplaneten zu bestimmen. Im Fall von Gasplaneten können die Forscher daraus direkt auf die grobe chemische Zusammensetzung schließen. Im Fall von Gesteinsplaneten ähnlich der Erde führen jedoch verschiedene chemische Zusammensetzungen zur selben mittleren Dichte. Genauere Schlüsse können die Forscher manchmal aus der Untersuchung der Atmosphäre des fernen Planeten ziehen. Das ist immer dann möglich, wenn ein Exoplanet von der Erde aus gesehen regelmäßig vor seinem Stern vorbeizieht, so dass dessen Licht vorrübergehend die Planetenatmosphäre durchleuchtet. "Zurzeit gibt es acht vor ihrem Stern vorbeiziehende Exoplaneten, bei denen Astronomen einige atmosphärische Messungen gemacht haben, und weitere werden wahrscheinlich bald folgen", berichtet Fegley.
Um die Interpretation solcher Messdaten zu erleichtern, ließen die Forscher zwei verschiedene Typen von Gesteinsplaneten verdampfen: einen mit der Zusammensetzung der heutigen kontinentalen Erdkruste und einen mit der Zusammensetzung der jungen Erde, bevor die Kruste sich bildete. Beide bestehen hauptsächlich aus Silizium und Sauerstoff, letzterer besitzt jedoch einen höheren Anteil anderer Elemente wie Eisen und Magnesium. Am Computer drehten die Wissenschaftler die Temperatur beider Modellplaneten langsam höher, auf 270 bis 1700 Grad Celsius.
"Großer Ball aus dampfendem Gas"
Die Simulation zeigte, dass die Atmosphären beider Modellplaneten über einen weiten Temperaturbereich von Wasserdampf und Kohlendioxid dominiert werden. Der größte Unterschied bestand darin, dass der Planet mit der Zusammensetzung der jungen Erde mehr Gase in der Atmosphäre besaß, die in Gegenwart von Sauerstoff oxidieren würden. Unterhalb von etwa 730 Grad enthält seine Atmosphäre etwa Methan und Ammoniak, Verbindungen, aus denen im klassischen Miller-Urey-Experiment durch Blitze Aminosäuren entstanden, Grundbausteine des Lebens. Oberhalb von 730 Grad spielt Schwefeldioxid eine merkliche Rolle. "Dann gleicht die Atmosphäre des Exoplaneten derjenigen der Venus, nur mit Dampf", erläuterte Fegley.
Oberhalb von 1430 Grad tritt in der Atmosphäre beider Planetentypen Siliziummonoxid auf, eine gesteinsformende Verbindung. Sollte es auf solchen Planeten Frontensysteme in der Atmosphäre geben, könne es dort Kiesel regnen, erklären die Forscher. Aus Neugier haben sie die Temperatur in ihren Simulationen weiter aufgedreht, bis die gesamte Modellerde verdampfte. Ergebnis: "Es bleibt ein großer Ball aus dampfendem Gas übrig, in dem einem Kiesel und Tröpfchen aus flüssigem Eisen um die Ohren fliegen", berichtet Fegley.
Quelle: ntv.de, dpa