Steigende Wassertemperatur Königskrabben erobern Antarktis
10.09.2011, 10:56 Uhr
Die Königskrabbe wird wegen ihrer Größe auch Monsterkrabbe genannt.
(Foto: Wikipedia)
Eine weitere Auswirkung der globalen Erwärmung macht sich bemerkbar: In einer Senke vor der Antarktis siedeln sich immer mehr Königskrabben an. Vor Jahren war das Wasser dort für sie noch viel zu kalt, um zu überleben. Heute breiten sich die Tiere aus und vertreiben andere Meeresbewohner.
Königskrabben und andere Räuber, die Gehäuse und Panzer ihrer Beute knacken können, gibt es in den Meeren rund um die Antarktis nur in großer Tiefe. Der gesamte Festlandsockel des Eiskontinents ist frei von diesen Räubern, und das wahrscheinlich schon seit mindestens 14 Millionen Jahren. Der Grund dafür, so glauben die Wissenschaftler, ist die Wassertemperatur, die in flacheren Gewässern der Antarktis besonders kalt, in den Tiefen dagegen für Krabben noch erträglich ist.

Die Invasion der Königskrabbe bleibt nicht ohne Folgen für den Meeresboden und andere Meeresbewohner.
(Foto: Wikipedia)
Nun aber erwärmt sich auch der Ozean um die Antarktis langsam, um etwa ein zehntel Grad pro Jahrzehnt, und US-amerikanische Forscher haben Königskrabben nicht nur höher als jemals vorher auf den Flanken des Kontinentalsockels beobachtet, sondern sogar eine anscheinend große, stabile Population der Tiere in einer Senke innerhalb des Schelfs. Die Tiere haben also bereits die erste Kältebarriere überwunden und sich nahe der Antarktischen Halbinsel festgesetzt, berichtet Craig Smith von der Universität Hawaii in den "Proceedings B” der britischen Royal Society.
Smith und seine Mitarbeiter untersuchten mittels eines ferngesteuerten Unterwasserroboters die 1440 Meter tiefe Palmer-Senke, eine Vertiefung innerhalb des Festlandsockels westlich der Antarktischen Halbinsel. Bei den Kamerafahrten entdeckten sie zahlreiche große Königskrabben, darunter trächtige Weibchen.
Spuren auf dem Sandboden
Die genetische Untersuchung zeigte, dass es sich um die Art Neolithodes yaldwini handelte, die man bisher nur aus großen Tiefen der Ross-See kannte. Erstaunlich war die Menge der Tiere: Berechnungen zeigten, dass auf dem Boden der Senke etwa 10.600 Tiere pro Quadratkilometer leben. Das ist eine größere Dichte als die der kommerziell genutzten Kamtschatka-Krabben vor Alaska und bedeutet eine Gesamtpopulation von mehr als 1,5 Millionen Tieren.
Eine solche Menge großer Krabben bleibt nicht ohne Folgen, beobachteten die Forscher. Überall auf dem Sediment in der Tiefe sahen sie die Spuren, die die großen Krabben mit ihren Beinen und Zangen hinterlassen hatten. Zum Teil wirkte der weiche Sedimentboden regelrecht durchpflügt.
Artenvielfalt geht zurück
Anscheinend hat die Invasion der Krabben auch Folgen für die andere Meeresfauna: Die Vielfalt der Meerestiere in der Palmer-Senke ist deutlich geringer als an der Flanke des Kontinentalsockels, wo es noch keine Königskrabben gibt. Auf Steinen und dem Sediment der Senke gab es fast nur noch Schwämme und Seeanemonen, dagegen nur wenige Würmer und keine Seesterne und Seeigel, eine bevorzugte Nahrung der Krabben.
Die Größe dieser Population bedeutet, dass die Tiere schon seit längerer Zeit die Kältebarriere überwunden haben müssen, die die Senke umgibt – wahrscheinlich innerhalb der vergangenen 50 Jahre. Da nur geringe Temperaturunterschiede die Tiere bisher vom kalten Schelfbereich zurückgehalten haben, bedeutet dies, dass eine zunehmende Erwärmung der Ozeane rund um die Antarktis diese letzten Barrieren immer durchlässiger werden lassen könnte.
Die Krabbenpopulation in der Palmer-Senke könnte damit erst ein Vorgeschmack auf eine allgemeine Krabbeninvasion der kalten Antarktisgewässer sein, glauben die Forscher – einer Invasion mit großen Folgen für die gesamte Tierwelt des Meeresbodens rund um den Eiskontinent.
Quelle: ntv.de, dpa