Junge Erde im Hitzestress Rätsel der heißen Ur-Meere gelöst
31.05.2021, 21:10 Uhr
3,5 Milliarden Jahre alte Steinformation in West-Australien: Die Zusammensetzung lässt auf viel zu hohe Temperaturen des Meerwassers schließen. Doch eine neue Studie löst das Problem.
(Foto: Christian S. Marien)
Seit Langem fragen sich Forscher: Wieso war es auf der frühen Erde so warm, obwohl die Sonne damals schwächer leuchtete? Auch waren die Meere damals fast siedend heiß - darauf deuten jedenfalls Gesteinsproben hin. Einer neuen Studie gelingt es nun, beide Mysterien mit einem Schlag zu lösen.
Vor drei bis vier Milliarden Jahren strahlte die Sonne erheblich schwächer als heute, sodass die Erde eigentlich ein Eisklumpen hätte sein müssen. Tatsächlich gab es aber schon damals Ozeane. Eine Erklärung für diesen Widerspruch liefert ein deutsch-dänisches Wissenschaftlerteam nun im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS): So habe die Erdatmosphäre zu jener Zeit vermutlich einen extrem hohen CO2-Gehalt aufgewiesen, wodurch die Erde aufgeheizt wurde. Jene Erklärung würde auch ein anderes geowissenschaftliches Rätsel lösen.
Die Studie von Daniel Herwartz von der Universität zu Köln, Andreas Pack von der Universität Göttingen und Thorsten Nagel von der dänischen Universität Aarhus könnte eine Antwort auf eine der großen offenen Fragen der Paläoklimatologie liefern. Denn tatsächlich wird seit Jahrzehnten kontrovers über das sogenannte "Paradoxon der jungen schwachen Sonne" diskutiert, das 1972 erstmals von den beiden Astronomen Carl Sagan und George Mullen beschrieben wurde.
Es besagt, dass die Sonne im Archaikum, einem Abschnitt der Erdfrühzeit, der sich von 4 Milliarden bis etwa 2,5 Milliarden Jahren vor unserer Zeit erstreckte, nur mit 70 bis 80 Prozent ihrer heutigen Intensität strahlte. Dennoch war das Klima auf der noch jungen Erde relativ warm, sodass es beispielsweise kaum Gletschereis gab. Zur Deutung des Widerspruchs wurden bislang CO2, Methan und andere Treibhausgase herangezogen, eine ältere Studie dänischer Geoforscher machte Wolken- und Landarmut für das Phänomen verantwortlich.
Wasser 70 Grad Celsius heiß? Eher nicht
Die Untersuchungen von Herwartz, Pack und Nagel legen nun indes nahe, dass die noch junge Erde tatsächlich durch hohe atmosphärische CO2-Gehalte aufgeheizt wurde. Denn nur so ließe sich auch ein anderes geowissenschaftliches Problem erklären: die scheinbar zu hohen Meerestemperaturen jener Zeit. Messungen von Sauerstoff-Isotopen in sehr alten Kalk- oder Kieselgesteinen, die als Geothermometer dienen, legen Meerestemperaturen von über 70 Grad Celsius nahe - niedrigere Temperaturen würden sich nur dann ergeben, wenn sich auch das Meerwasser in seiner Sauerstoff-Isotopen-Zusammensetzung verändert hätte, so die Wissenschaftler in einer zur Studie veröffentlichten Mitteilung. Das habe jedoch lange Zeit als unwahrscheinlich gegolten.
Die Modellierungen der Forscher zeigen nun aber, dass hohe CO2-Gehalte in der Atmosphäre auch eine veränderte Zusammensetzung der Ozeane verursacht hätten: "Hohe CO2-Gehalte würden somit gleichzeitig zwei Phänomene erklären: zum einen das warme Klima auf der Erde und zum anderen, warum die oft herangezogenen Geothermometer scheinbar heißes Meerwasser anzeigen", beschreibt Daniel Herwartz. Berücksichtige man das andere Sauerstoff-Verhältnis des Meerwassers, ergebe sich eher eine Temperatur von 40 Grad Celsius. Es sei auch denkbar, dass ein hoher Methan-Gehalt in der Atmosphäre die Erde erwärmt habe - dies hätte jedoch keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Ozeans gehabt und würde somit nicht erklären, warum das Sauerstoff-Geothermometer zu hohe Temperaturen liefert.
Die Gesamtmenge an CO2 schätzen die Autoren der Studie auf etwa ein bar CO2. Das sei so viel, als bestünde unsere gesamte heutige Atmosphäre aus CO2. "Heute ist CO2 nur ein Spurengas in der Atmosphäre. Verglichen damit klingt ein bar CO2 nach absurd viel. Wenn wir aber unseren Schwesterplaneten Venus mit etwa 90 bar CO2 anschauen, relativiert sich das", erläutert Mitautor Andreas Pack.
Plattentektonik verändert alles
Der enorme CO2-Gehalt erklärt sich auch mit dem Erscheinungsbild der damaligen Erde, die überwiegend von Ozeanen bedeckt war und nicht von größeren Landmassen, die Kohlenstoff hätten speichern können. "Vor grob drei Milliarden Jahren hat die Plattentektonik und die Entwicklung von Landmassen, in denen Kohlenstoff über lange Zeit gespeichert werden konnte, gerade erst an Fahrt aufgenommen", führt Thorsten Nagel, ein weiterer Autor der Studie, dazu aus.
Eben jener Beginn der Plattentektonik veränderte den Kohlenstoffkreislauf grundlegend. Die Entstehung großer Landmassen mit Gebirgen setzte geophysikalische Prozesse in Gang, in deren Verlauf das CO2 der Atmosphäre und dem Ozean sukzessive entzogen und in Form von Kohle, Öl, Gas, Schwarzschiefern und in Kalkstein gespeichert wurde. In der Folge wurde es auf der Erde deutlich kälter, wie das vermehrte Auftreten von Eiszeiten zeigte.
"Schon frühere Studien hatten darauf hingewiesen, dass die Kalkgehalte in alten Basalten auf einen starken Abfall im atmosphärischen CO2-Gehalt hindeuten. Das passt gut mit einem Anstieg in den Sauerstoff-Isotopen zur selben Zeit zusammen", erklärt Forscher Herwartz und resümiert: "Alles deutet darauf hin, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre nach dem Beginn der Plattentektonik schnell zurückgegangen ist." "Schnell" muss hier allerdings als geowissenschaftliche Einordnung verstanden werden: Tatsächlich ist damit ein Zeitraum von mehreren Hundert Millionen Jahren gemeint.
Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa