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Die philosophische Perspektive Toleranz hielt Zivilisation am Leben

Julian Nida-Rümelin, Kulturstaatsminister a.D., ist Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Julian Nida-Rümelin, Kulturstaatsminister a.D., ist Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Von 1618 bis 1648 tobte in Europa der Dreißigjährige Krieg, ausgelöst durch religiöse Intoleranz. Es kamen damals prozentual mehr Menschen um, als im Ersten und Zweiten Weltkrieg zusammengenommen. Wenn die europäische Zivilisation nicht untergehen wollte, musste sie einen Weg finden, der eine Wiederholung dieses Desasters verhindert. Dieser Weg war mühsam, und er hat einen Namen: "religiöse Toleranz". Menschen glauben Unterschiedliches und viele sind fest davon überzeugt, dass ihr Glaube der richtige und der andere der falsche ist. Dennoch müssen sie lernen, mit dieser Differenz zu leben, sie auszuhalten, sie zu tolerieren. Je größer die Unterschiede und je tiefer die Überzeugungen in einer Lebensform verankert sind, desto schwieriger ist das.

Die Moderne Demokratie hat zwei Antworten entwickelt: Der säkulare Staat macht sich unabhängig von religiösen Gemeinschaften, er versteht sich als religionsfrei. Dies ist das französische Modell. Die andere Antwort verlangt Neutralität des Staates gegenüber unterschiedlichen Religionen. Der Staat versteht sich nicht unabhängig von den Religionsgemeinschaften, er fordert diese, zieht vielleicht sogar für diese Steuern ein, wie in Deutschland, aber behandelt alle Religionsgemeinschaften mit gleichem Respekt.

Die Demokratie als Ganze ist nur möglich, wenn unterschiedlichen Lebensformen, unterschiedlichen Weltanschauungen und Religionen, unterschiedlichen Herkünften gleicher Respekt entgegengebracht wird. Wenn die Gesellschaft von Toleranz aus Respekt, nicht lediglich aus Indifferenz geprägt ist.

Quelle: ntv.de

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