Grippe im Großraumbüro Wann kann man wieder arbeiten?
27.01.2011, 10:05 Uhr
Nähe garantiert. Da fühlen sich auch die Viren wohl.
(Foto: picture alliance / dpa)
Zur Unterstützung der Kollegen kehrt auch nach einer Grippe jeder schnell ins Büro zurück. Aber sollte nicht zuhause bleiben, wer noch immer großzügig Viren verteilt? Uwe Gerecke, Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, gibt bei n-tv.de die Antwort.
Ausgangssituation: 25 Personen in einem Raum. Gerade noch haben mehrere Mitarbeiter ein paar Tage gefehlt, weil sie mit Grippe – echter Grippe – im Bett lagen. Jetzt haben sie ihre Fieberschübe überstanden, können beinahe wieder Bäume ausreißen und kehren zu ihren lieben Kollegen zurück, um diese tatkräftig zu unterstützen. Allerdings husten und schniefen sie dabei noch ziemlich ausgiebig. Ehrlich gesagt, klingen sie nicht wirklich gesund. Sie fühlen sich gut, aber die Mitstreiter im Großraumbüro fürchten um ihr eigenes Wohlergehen. Und können bei lautstarken Hustenattacken nachbarlicherseits kaum einen klaren Gedanken fassen. Was nun?
"Wo viele Menschen zusammenkommen, können Sie sich zu dieser Jahreszeit nicht wirklich vor den Viren schützen", sagt Dr. Uwe Gerecke, Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V. (VdBW) und Leitender Betriebsarzt bei enercity, Hannover. "Einige Ihrer Kollegen werden auch schon ansteckend sein, ohne dass sie es ahnen. Die Viren übertragen sie nämlich schon bis zu zwei Tage, bevor die ersten Symptome auftreten. Da fangen sie gerade erst an, sich krank zu fühlen."
Nach dem Fieber noch zwei Tage warten

Ein Großraumbüro im Winter ...
Zurzeit gehen, wie Gerecke weiß, etwa 80 Prozent der Grippe-Erkrankungen auf das Konto von H1N1-Viren. Rund 30 Prozent der Bevölkerung haben sich mit dem Schweinegrippe-Virus inzwischen infiziert und sind jetzt vielleicht dagegen immun. Alle anderen kann es noch erwischen. Und dann sind da noch all die Viren, die zu normalen Erkältungen führen. Typisch für eine echte Grippe ist, dass die Erkrankung plötzlich losgeht. "Morgens kommen Sie noch einigermaßen zur Arbeit, mittags fangen Sie an zu frösteln, und abends kommen Sie kaum aus dem Auto und schaffen es gerade noch ins Bett. Dann haben Sie Fieber, und dann die Erkältung, und die dauert in der Regel eine Woche", sagt Gerecke.
Sollte man dann auch die komplette Woche zu Hause bleiben? Oder sogar warten, bis der letzte Huster verklungen ist? "Wer so engagiert ist, dass er auch mit Grippe arbeiten will, sollte das im Home Office tun", meint Gerecke. "Zumindest, solange man Fieber hat, sollte man in den eigenen vier Wänden bleiben. Wenn das Fieber weg ist, wäre es vernünftig, noch ein bis zwei weitere Tage zu warten, bis man wieder zur Arbeit geht."
Das ist eine klare Ansage. Nur hört das Husten und Schniefen ja nicht zeitgleich mit dem Fieber auf. Wie können sich die noch gesunden Kollegen da schützen? "Na", sagt der Betriebsarzt, "die haben sich ja hoffentlich impfen lassen. Diese Vorsichtsmaßnahme sollte man treffen, wenn man in einem Großraumbüro arbeitet. Sie können ja nicht drei Monate das Büro schließen und sagen: 'Wir treffen uns nur im Sommer.'"
Gute Stimmung stärkt das Immunsystem
Für Großraumbüros empfiehlt Gerecke die üblichen Hygienemaßnahmen: Mülleimer, in denen die Papiertaschentücher landen (übrigens schon nach dem ersten Mal Reinschniefen!), sollten einen Deckel haben. Und der sollte mit dem Fuß zu öffnen sein. Tastaturen, die von mehreren Kollegen benutzt werden, können gelegentlich mit einem Desinfektionstuch abgewischt werden. Und dann ist da noch das Niesen. Wer niest, schleudert die Viren schon mal zehn Meter weit durch den Raum. "Aber deswegen", meint Gerecke leicht ironisch, "niesen wir ja auch nicht in den Raum, sondern in unsere Hände. Und dann greifen wir damit zum Telefonhörer oder drücken die Klinke runter." Deswegen stellen viele Unternehmen Hand-Desinfektionsmittel bereit. Untersuchungen haben gezeigt, dass weniger Erkältungen auftreten, wenn sich die Menschen dreimal am Tag die Hände desinfizieren. "Ich persönlich halte das nicht für unbedingt erforderlich. Aber regelmäßiges Händewaschen sollte schon sein", sagt der Experte. "Wer schnieft und schnupft, braucht sich nicht mehr zu schützen. Der ist eh infiziert. Und um die anderen zu schützen, können wir nun auch keine Atemschutzmasken und Ganzkörperkondome einführen."
Wenn es ums Vorbeugen geht, kommt der Betriebsarzt zunächst wieder auf die Impfung als wichtigsten Schutz vor der echten Grippe zurück. Doch auch für Impfmuffel hat er Tipps parat: "Wer gern zur Arbeit geht und beflügelt und in guter Stimmung das Großraumbüro betritt, der tut etwas zur Stärkung seines Immunsystems." Anders ist es bei den eher schlecht gelaunten Kollegen: "Die haben eine Blockierung des Immunsystems und sind daher auch anfälliger." Das seelische Wohlergehen betrachtet Gerecke als zentral für die eigene Gesundheit. Stimmungszustand und Psyche spielen fürs Immunsystem eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie Ernährung, Sport und gesunde Lebensweise. "Die, denen es schlecht geht, erwischt es immer als erstes", so die Erfahrung des Arztes. "Toll wäre, wenn der Arbeitgeber einen Obstteller zur Verfügung stellen würde, voller Apfelsinen. Obst ist – pragmatisch betrachtet – besser als Desinfektionsmittel. Wenn der Arbeitgeber Interesse am Wohlergehen seiner Mitarbeiter signalisiert, dann hebt das auch die Stimmung. Und dann empfiehlt es sich noch, viel Wasser oder Tee zu trinken, immer mal wieder kurz zu lüften und die Raumtemperatur auf 20 bis 22 Grad zu halten."
Und wie kann man sich gegen die Geräuschkulisse abschirmen, mit der hustende Kollegen den Raum erfüllen? "Das nervt wahrscheinlich nicht jeden", sagt Gerecke. "Da ist die Frage, was man an sich ranlässt und was nicht. Das ist im Großraumbüro immer ein Problem, weil man sich mental nicht so abschotten kann, wie es manchmal erforderlich wäre." Wenn es gar nicht anders geht, helfen Ohrstöpsel oder die musikalische Berieselung über Kopfhörer, um die lautstarken Hustenattacken der Kollegen von sich fernzuhalten. "Aber", sagt Gerecke, "solch ein Großraumbüro, das muss man sagen, setzt eine bestimmte Leidensfähigkeit voraus".
Quelle: ntv.de