Unruhige Füße Wenn Entspannung quält
02.08.2006, 11:57 UhrVor lauter Kribbeln in Armen und Beinen kann Ilka Ernst nicht mehr schlafen. Und der Kinobesuch wird nach einer halben Stunde zur Qual. "Ich fühle mich ohne einen äußeren Anlass wie unter Strom gestellt", sagt die 37-Jährige.
Die Architektin leidet am Syndrom der ruhelosen Beine (Restless Legs Syndrom, RLS) -eine Krankheit, die jeder zehnte Europäer hat. Das Schlimme daran: je entspannter und ruhiger die Betroffenen sind, desto stärker wird ihre plötzliche Unruhe und das Kribbeln im Körper. Erforscht wird die Krankheit am Freiburger Universitätsklinikum.
"Wir leisten hier Pionierarbeit", sagt die Freiburger Schlafforscherin Magdolna Hornyak. Gegen RLS gebe es keine wirksamen Medikamente. Das Schlaflabor der Freiburger Uniklinik habe für Betroffene deshalb ein Hilfsprogramm entworfen. "Weltweit gibt es kein vergleichbares Programm", sagt Hornyak.
Eine Patientin ist Ilka Ernst. Vor vier Jahren begann die Krankheit bei der jungen Frau. Wegen RLS bekam sie jeden Sommer über sechs bis acht Wochen nur ein paar Stunden Schlaf in der Nacht. Gegen ein Uhr war sie plötzlich hellwach, musste in der Wohnung herum laufen und die Arme schlenkern, damit das Kribbeln in den Gliedern nachließ. Mit diesem Phänomen muss Ernst nun regelmäßig kämpfen.
"Nach vier Wochen weiß ich nicht mehr, wie ich heiße", sagt Ernst. Sie sei vor Erschöpfung wie gelähmt und könne nicht mehr effektiv arbeiten. Weil sie so extrem verlangsamt ist, fahre sie in diesen Wochen auch kein Auto. "Das ist keine schöne Zeit", sagt die Architektin. Sie ziehe sich in diesen Wochen völlig aus ihrem sozialen Umfeld zurück und treffe sich nicht mehr mit Bekannten weil sie sich schonen muss.
Die Hausärztin schickte die junge Frau ins Schlaflabor der Freiburger Uniklinik. "Es hat mir sehr geholfen zu wissen, dass ich eine körperliche Erkrankung habe und keine Psychomacke", sagt die Betroffene. Sie hat Glück, denn ihre Schlafstörungen sind noch vergleichsweise selten. Bei rund drei Prozent der Betroffenen tritt das große Kribbeln zwei Mal pro Woche oder häufiger auf.
"Frauen sind fast doppelt so oft betroffen wie Männer und haben nach Geburten sogar ein erhöhtes Risiko, RLS zu bekommen", sagt Schlafforscherin Hornyak. Typische Patienten seien 45 bis 50 Jahre alt. Das Risiko steige im Alter.
Die Ärzte wissen nach eigenen Angaben nicht, woher die Krankheit herrührt und haben nur Medikamente zur Verfügung, die im Gehirn die Kribbelempfindung eindämmen. Diese werden jedoch von Patienten häufig nicht vertragen und verlagerten das Problem oft nur von der Nacht in den Tag. Eine Heilmethode gibt es zur Zeit nicht. Aus diesem Grund bietet die Oberärztin an der Freiburger Psychiatrie seit einem Jahr Therapiegruppen an, in denen Betroffene lernen sollen mit der Krankheit besser zu leben.
"In acht Sitzungen lernen die Patienten die Krankheit besser kennen und ihre Aufmerksamkeit gezielt vom Kribbeln weg zu lenken", sagt Hornyak. "Es werden Konzentrationsübungen wie Schach spielen oder Rollenspiele gemacht."
Die Übungen sollen von den Betroffenen zu Hause fortgeführt werden. Probieren will das auch Ilka Ernst. "In der Gruppe funktioniert das sehr gut, jedoch zu Hause habe sie noch Schwierigkeiten", sagt sie. Sie sei gespannt, ob sie sich in diesem Sommer vom großen Kribbeln ablenken könne. Ihr Alltagsleben würde dadurch erheblich erleichtert.
Quelle: ntv.de