Frisch geschlüpft in den Schredder Wie männliche Küken getötet werden
20.05.2016, 09:55 Uhr
Sie landen bei lebendigem Leib im Häcksler: Millionen männlicher Küken.
(Foto: imago stock&people)
In der Geflügelindustrie ist die Massentötung männlicher Küken seit Jahrzehnten gängige Praxis. Wie die Tiere aussortiert werden, ist vielen Verbrauchern aber gar nicht klar. Sie werden geschreddert oder vergast - aus Gründen der Wirtschaftlichkeit.
Männliche Küken gelten in der Legehennen-Zucht als unerwünschtes Nebenprodukt. Da sie später keine Eier legen, betrachten die Brütereien sie als nutzlos. Auch lassen sich die Hähne nur schlecht mästen, haben also zu wenig Fleisch zu bieten. Die Folge: Jahr für Jahr werden hierzulande rund 48 Millionen männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet. In der Geflügelindustrie spricht man von Eintagsküken.
Das Vorgehen ist brutal: Mit routiniertem Blick sortieren Mitarbeiter des Geflügelbetriebs die männlichen Küken aus. Sie werden – noch quietschlebendig – auf ein Fließband gesetzt. Dieses transportiert die Tiere zu einem Industrieschredder. Der zerhäckselt sie bei lebendigem Leib. Bislang gibt es zu diesem Verfahren, dem Kükenschreddern, nur eine Alternative: die Gaskammer. Hier sterben die Küken innerhalb weniger Minuten, weil sie keinen Sauerstoff mehr, sondern nur noch Kohlendioxid einatmen.
Hähne brauchen zu viel Futter
Schreddern oder vergasen – das eine wie das andere ist seit Jahrzehnten gängige Praxis in der Geflügelindustrie. Ein Teil der toten Küken wird dann als Futter für andere Tiere an Zoos weitergereicht. Es sind schlicht Kostengründe, die den männlichen Küken zum Verhängnis werden. Sie zu Hähnen heranzuziehen, ist aufwendig und teuer. Bis das männliche Tier schlachtreif ist, dauert es sehr viel länger als bei Hühnern. Bis dahin braucht der Hahn doppelt so viel Futter wie seine Schwestern.
Die Massentötung von Küken ruft seit Langem Tierschützer auf den Plan. "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen", heißt es in Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes. Doch diese Maßgabe wird unterschiedlich interpretiert. Dass die getöteten Küken zum Teil verfüttert werden, gilt den Betrieben als vernünftig genug.
Ei kann das Geschlecht verraten
Nordrhein-Westfalen hatte die Massentötung der Nachwuchs-Hähne 2013 als erstes Bundesland per Erlass verboten. Elf Geflügelbetriebe aber klagten - mit Erfolg. Andere Bundesländer entschieden sich von vornherein gegen ein Verbot. Sie fürchteten die Verlegung der Legehennen-Produktion ins Ausland.
Eine von Forschern der Universitäten Dresden und Leipzig entwickelte Methode soll der Kükentötung ein Ende bereiten: Mit einer bestimmten Technik lässt sich dem befruchteten Hühnerei schon innerhalb der ersten 88 Stunden die Information entlocken, ob es sich um ein Männchen oder ein Weibchen handeln wird. Das Projekt zur "spektroskopischen Geschlechtsbestimmung" ist weit fortgeschritten, aber noch nicht reif für den Massenbetrieb. Es wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert.
Tötungsfreie Bruteier sind das Ziel
Hat das Verfahren Marktreife erlangt, müssen – so Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im vergangenen Jahr – "schnellstmöglich in den Brütereien die entsprechenden Geräte angeschafft werden, damit es kein Schreddern mehr geben wird". Von einem alternativlosen Verbot des Kükenschredderns hält Schmidt nichts. Auch er argumentiert mit einer dann drohenden Verlagerung der Geflügelhaltung ins Ausland. Zuletzt verteidigte der Minister daher die Entscheidung der Regierungskoalition, die Tötung männlicher Küken weiterhin zu erlauben.
Doch sobald die Technik zur frühen Geschlechtsbestimmung der Küken zur Verfügung stehe, greife das Tierschutzgesetz, so Schmidt. Ende 2016 soll der Prototyp präsentiert werden, für 2017 steht die Vorbereitung der Marktreife auf dem Plan. Dann soll der Ausstieg aus dem Kükenschreddern folgen. Männliche Küken werden dann - das ist das Ziel - gar nicht erst schlüpfen und die entsprechenden Eier im Idealfall verkauft. Eine erhebliche Preissteigerung für die Verbraucher erwartet Schmidt nicht: "Die Methode, die wir fördern, ist die billigste. Der Preis für ein Ei wird um maximal ein bis zwei Cent steigen."
Quelle: ntv.de, asc