Frage & Antwort

Frage & Antwort, Nr. 110 Sehen Soaps wirklich "billig" aus?

Bundeskanzlerin Angela Merkel traf sich im Mai 2008 mit "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"-Darstellern. Die Seifenoper ist seit 1992 bei RTL auf Sendung und gilt als erfolgreichste Serie im deutschen Fernsehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel traf sich im Mai 2008 mit "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"-Darstellern. Die Seifenoper ist seit 1992 bei RTL auf Sendung und gilt als erfolgreichste Serie im deutschen Fernsehen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

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"Der Hauptgrund für die unterschiedliche Wahrnehmung ist die Erwartungshaltung des Zuschauers" sagt Peter Badel, Kameramann und Lehrer an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Entscheidend seien nicht nur die technischen Unterschiede, sondern oft auch psychologische Aspekte.

Der Kassenschlager "Avatar" wurde mit drei Oscars ausgezeichnet und übertraf die Erwartungen zahlreicher Kinobesucher.

Der Kassenschlager "Avatar" wurde mit drei Oscars ausgezeichnet und übertraf die Erwartungen zahlreicher Kinobesucher.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Dass die Produktion eines Kinofilms wesentlich mehr Geld kostet als ein paar Episoden einer täglichen Soap-Serie, bedarf keiner großen Vorstellungskraft. "Ein Pauschalurteil darüber, was billig aussieht, müsse auch billig sein, funktioniert jedoch nicht so einfach", so Badel. Vielmehr würden die beiden Extrem-Formate Kinofilm und Soap völlig unterschiedlichen Anforderungen gerecht.

Wir sehen, was wir sehen wollen

Letztlich, so der Kameramann, gehe es darum, dass ein Kinobesucher für sein Geld eine Qualität erwarte, die er nicht voraussetzt, wenn er den Fernseher einschaltet. "Man transponiert seine Erwartungshaltung auf die reale Situation", sagt Badel. "Wenn man acht Euro für einen Kinofilm bezahlt hat, dann möchte man als Gegenwert ein besonderes Erlebnis haben." Nicht die Technik und das Budget sind also entscheidend, sondern der voreingenommene Konsument.

Filme sehen nämlich oft gar nicht besser aus als gute Soap-Serien. Wir Zuschauer denken das nur. Unser Gehirn gaukelt uns vor, dass unsere Erwartung sich erfüllt hat, damit wir nicht enttäuscht sind. Genauso funktioniert es auf der Seite der Soaps. Eine tägliche Serie lebt davon, dass sie eine Gewohnheit aufbaut. Man wird mit dem Stil der Sendung vertraut und wünscht sich ihn fortan. "Der Zuschauer erwartet keine gebrochene Gewohnheit", so Peter Badel.

Professionelle Technik beim Soap-Dreh

Soaps werden mit digitalen Studiokameras gedreht. Diese kommen zwar an die Qualität einer Kinokamera nicht heran, spielen aber in der Profi-Liga mit.

Soaps werden mit digitalen Studiokameras gedreht. Diese kommen zwar an die Qualität einer Kinokamera nicht heran, spielen aber in der Profi-Liga mit.

(Foto: Pixelio/Michael Hirschka)

Natürlich gibt es auch technische Unterschiede. Für einen Kinofilm werden hochwertige Film- und Videokameras benutzt, die mit 35-Millimeter-Film arbeiten. Das führt zu einem brillanten Kontrastverhältnis. Diese Geräte sind sündhaft teuer. Genau wie das aufwendige Verfahren, in dem Kinofilme digital nachproduziert, visuell optimiert und ausbelichtet werden.

Neben der Ausstattung und der Bearbeitung spielt auch die Kameraführung eine Rolle. Badel betont, dass die sogenannte "Steadi-Cam" - eine Kamera, die nicht steht, sondern frei getragen wird - bei Kino-Produktionen bis heute sehr beliebt ist. Aber auch Soaps benutzen diese sehr dynamische Kamera schon lange. Durch den Einsatz der Handkamera kann der Eindruck einer amateurhaften Kameraführung entstehen. Tatsächlich ist dieser Effekt aber gewollt, um Realismus zu erzeugen. "Überhaupt benutzen die Produzenten von Soaps keinesfalls schlechtes, sondern ebenfalls sehr gutes Equipment", sagt Badel.

Soaps sind also meist gar nicht "billig". Warum auch? Sie sehen eben einfach nur so aus wie die eigene Wohnung, die Stammkneipe oder das Büro. Filme sind eher besondere, vom Alltag losgelöste Erlebnisse. Wie bei so vielen Vergleichen gilt also: Nicht schlechter, nur anders.

Übrigens: Das Bollywood-Drama "Slumdog Millionär" wurde zum Großteil mit Digitalkameras im Studio und außen gedreht – also technisch ähnlich wie Soaps und Studioproduktionen. Der Film wurde mit acht Oscars ausgezeichnet.

Quelle: ntv.de

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