Frage & Antwort

Frage & Antwort, Nr. 46 Verschwinden die Jahreszeiten?

Der Blattwurf bleibt nach wie vor ein untrügliches Zeichen für den Herbst.

Der Blattwurf bleibt nach wie vor ein untrügliches Zeichen für den Herbst.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ich habe das Gefühl, dass die Grenzen zwischen den Jahreszeiten zunehmend verschwimmen. Die Winter sind sehr mild, und die ersten Frühlingsboten kommen immer früher - verschwinden die Jahreszeiten ? (fragt Gabriela Staude aus Bochum)

17 Grad im November, Rekordtemperaturen allerorten. Nicht nur passionierte Spaziergänger wird das freuen. Trotzdem behalten die Meldungen einen schalen Beigeschmack. Schließlich sind für die erste Novemberhälfte Tageshöchstwerte zwischen sechs und zehn Grad Celsius normal.

Die Natur scheint verrückt zu spielen. Immer früher kommen Winterschläfer wie der Igel aus ihren Quartieren. Frösche beginnen schon im Januar mit ihrer Wanderung, während die ersten Amseln ihre Gesangskünste zum Besten geben. Pflanzen wie der Haselstrauch öffnen viel zu zeitig ihre Knospen, und die Apfelbäume blühen schon Ende April. Erleben wir gerade das Verschwinden der Jahreszeiten?

Klimaerwärmung wirkt sich aus

"Jahreszeiten sind meteorologisch definiert als jeweils dreimonatige Abschnitte, die jeweils bestimmte Wetter-Charakteristika zeigen. Der Winter etwa beinhaltet die kältesten Monate im Jahresverlauf. Man kann die Jahreszeiten auch phänologisch unterscheiden, also nach ihren Auswirkungen auf die Pflanzenwelt. Die Jahreszeiten definieren sich wesentlich nach bestimmten Pflanzenentwicklungen. Es gibt Zeigerpflanzen, die auf eine bestimmte Jahreszeit hindeuten, so wie mit der Blüte der Schneeglöckchen der Vorfrühling beginnt", erklärt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst.

In den Wetterdaten könne man klare Anzeichen für Veränderungen feststellen, so Friedrich weiter. "Besonders in phänologischen Beobachtungen kann man sehen, dass sich bestimmte Ereignisse nach vorne geschoben haben. Im Frühjahr tritt das Aufgehen von Knospen im Mittel 10 bis 14 Tage früher auf. Da hat sich die generelle Klimaerwärmung auf die Pflanzenwelt ausgewirkt."

Unterschiede bleiben

Trotz dieser Beobachtungen werden die Jahreszeiten nicht verschwinden. "Für uns Meteorologen wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Die Jahreszeiten verschwinden nicht. Der Sonnenstand, von dem die Länge der Tage und Nächte abhängt, wird schließlich gleich bleiben. Wovon wir aber bei einer weiteren Klimaerwärmung ausgehen müssen, sind mildere Winter und wärmere Sommer.

Die Unterschiede zwischen Sommer und Winter bleiben jedoch im Wesentlichen gleich, Frühling und Herbst werden weiterhin die Übergangsjahreszeiten sein. Da wird sich im Ablauf nichts verändern. Die Jahreszeiten werden wir weiterhin erleben."

Verschiebung zu beobachten

Der Wechsel der Jahreszeiten ist also nur durch unsere Position auf dem Globus bedingt, nur welchen Charakter die Jahreszeiten haben, bestimmen das Klima und die Ökosysteme der jeweiligen Region.

Auch Nicolai Schaaf, Referent für Klimawandel und Biodiversität beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), warnt vor übertriebenen Schlussfolgerungen: "Natürlich wissen wir, dass das Temperaturgefälle eventuell etwas kleiner wird, wenn wir etwa an die milden Winter denken. Aber angesichts von zu erwartenden Hitzewellen im Sommer würde ich sagen, dass es nicht zu einer Auflösung, sondern zu einer Verschiebung in den Jahreszeiten kommt.

Die charakteristischen Ereignisse der vier Jahreszeiten verschwinden nicht. Wir haben immer noch Ereignisse wie den Frühjahrsaustrieb oder den Blattwurf im Herbst. Es ist theoretisch natürlich denkbar, dass mit den steigenden Temperaturen auch mehr immergrüne Pflanzen nach Deutschland einwandern. Dies würde dann vielleicht das Erscheinungsbild des Herbstes ändern, weil ihr Laub sich nicht färbt. Aber da wir in mittleren Breiten leben, werden wir aber auch weiterhin einen Wechsel der Jahreszeiten erleben und ein warm-gemäßigtes Klima behalten."

Probleme für Tiere

Die Folgen der Veränderungen für die Natur seien trotzdem nicht zu unterschätzen. "Es wird immer dann gefährlich, wenn durch Verschiebungen die Interaktion der Arten beeinflusst wird. Keine Art existiert für sich alleine." Schaaf führt den Vogelzug als Beispiel an. Vögel, die in Afrika überwintern, könnten auf Veränderungen in ihrer europäischen Heimat nicht reagieren. Wenn sich durch das wärmere Klima nahrungsrelevante Insekten wie Raupen viel schneller entwickeln, hätten die heimkehrenden Tiere große Schwierigkeiten, genug Futter für ihre Küken zu finden.

Naturschutzverbände warnen schon seit Jahren vor den schwerwiegenden Folgen der Klimaerwärmung. Auch wenn die Jahreszeiten nicht verschwinden - die Veränderungen des Klimas können zu massivem Artensterben führen. Vielleicht erkennen wir dann in ein paar Jahren unsere Natur nicht wieder.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen