Frage & Antwort, Nr. 277 Warum haben Schiffe runde Fenster?
04.06.2013, 08:24 Uhr
Bullaugen sind eine runde Schiffssache.
(Foto: REUTERS)
Vor Kurzem fragte mich mein vierjähriger Sohn auf dem Hamburger Hafengeburtstag, warum wir nicht auch so schöne runde Fenster in unserem Haus haben wie die Schiffe. Eine berechtigte Frage: Warum haben ausgerechnet Schiffe meistens runde Fenster? (fragt Hendrik B. aus Hamburg)
Das Bullauge gehört zum Schiff wie die Wellen zum Meer. Auch wenn wir die runden Gucklöcher gefühlt nur noch selten zu Gesicht bekommen - es gibt sie noch! Kreuzfahrtschiffe trumpfen jedoch durch immer größere Glasfronten, Balkone mit Schiebetüren und Panoramaglaskuppeln auf. Die schwimmenden Bettenburgen verzichten, zumindest auf den höheren Decks, gänzlich auf das gute alte Bullauge - man will den betuchten Kunden schließlich nicht die freie Sicht aufs Meer unterschlagen.
Doch wie gefährlich so viel "Gläserne-Transparenz" sein kann, hat das Unglück auf der "Louis Majesty" gezeigt. Im März 2010 wurde das Kreuzfahrtschiff von einer circa acht Meter hohen Welle erfasst, woraufhin mehrere Fenster eines Salons zerschlugen. Zwei Passagiere wurden durch die eindringenden Wassermassen in den Tod gerissen, mehrere Menschen sind verletzt worden. Klassische Bullaugen hätten dem Druck vermutlich standgehalten.
Damit wären wir schon beim Sinn und Zweck von runden Fenstern auf Schiffen: Genau wie handelsübliche Fenster neben Luft- und Lichtzufuhr zum Beispiel mit Schallschutz und Wärmeisolation punkten, sollen Schiffsfenster in erster Linie natürlich Wasser abhalten. "Runde Fenster bzw. Bullaugen sind besonders optimal in Bezug auf die Lastabtragung und damit Belastbarkeit bei Seeschlag. Bei eckigen Fenstern würden sich die Ränder bei Druckbelastung in einigen Bereichen sogar ablösen", erklärt Professor Wolfang Fricke, Leiter des Instituts für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen an der Technischen Universität Hamburg-Harburg.
Rund ist immer noch Trumpf
Grundsätzlich stellen Ecken potenzielle Problemzonen dar. Sobald sich ein Schiffskörper nur um wenige Millimeter verformt, können dort kleine Haarrisse entstehen. Zudem liegen auch die Dichtungsgummis schlechter an als bei kreisförmigen Scheiben. Wegen der gleichmäßigen Druckverteilung auf den Rahmen und eines maximalen Durchmessers von etwa einem Meter, werden besonders in den durch Seeschlag belasteten Bereichen - zum Beispiel im Schiffsrumpf - Bullaugen nach wie vor bevorzugt. Spezielle Deckel und Öffnungshebel halten zusätzlich hohe Wellen und peitschendes Wasser ab.
Um künftig Unfälle wie auf der Louis Majesty zu vermeiden, beschäftigt man sich seit einigen Jahren an dem Institut für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen intensiv mit dem Festigkeitsverhalten von Schiffsfenstern. Neue Materialien, wie etwa Verbundsicherheitsglas für höhere Lasten und moderne Berechnungstechniken "ermöglichen neuartige und unkonventionelle Konstruktionen", so Fricke.
Bisher setzt man jedoch bei Flugzeugen, Raumstationen und sogar Waschmaschinen weiter auf altbewährte runde Formen. Bei der Waschmaschine allerdings soll das Wasser, im Gegensatz zur Schifffahrt, natürlich drinnen bleiben. Das Bullauge dient in diesem Fall als Ladeluke, das Glas ist ein Überbleibsel aus früheren Tagen, wo der Waschgang noch unterbrochen wurde. Heutzutage sind die Waschvorgänge überwiegend automatisiert und müssen nicht von außen beobachtet werden können.
Übrigens: In der Vergangenheit waren die runden Fenster noch leicht nach außen gewölbt, dadurch ähnelten sie wohl dem Auge eines Ochsen. Ihren Namen hatten sie so schnell weg: In England nannte man sie "bull's eye" und hierzulande letztendlich Bullauge.
Quelle: ntv.de