Frage & Antwort

Fehlender Überraschungseffekt Wieso kann man sich nicht selbst kitzeln?

Das Kinn ist der sanfte Einstieg. Gleich geht's zwischen den Rippen und dann unter den Füßen weiter.

Das Kinn ist der sanfte Einstieg. Gleich geht's zwischen den Rippen und dann unter den Füßen weiter.

(Foto: imago/Westend61)

Die Finger kommen näher, immer näher, ganz langsam schleichen sie sich heran. Und dann beginnt sie: die Kitzelattacke! Wer gekitzelt wird, lacht – auch wenn die Stimmung vorher noch so mies war. Wieso aber können uns nur andere kitzeln?

Warum kann man sich nicht selbst kitzeln? (fragt Lukas K. aus Göttingen)

Achtuuung – Kitzelattacke! Ein Juchzen, ein Lachen, ein Winseln, ein gequältes Gesicht. Bitte aufhören! Oder doch nicht? Ein bisschen noch. Kitzeln, bitte! Genuss oder Qual? Kitzeln kann beides sein. Wir wollen es nicht und mögen es doch. Wie so häufig, macht auch hier die Dosis das Gift. Daneben kommt es aber auch darauf an, wer uns kitzelt und mit welcher Absicht.

Fest steht: Uns so zu kitzeln, dass es uns Spaß macht und wir lachen müssen, das schaffen nur andere. Uns selbst gelingt das nicht. Warum das so ist, haben Forscher im Jahr 2005 herausgefunden. Die Erklärung ist recht simpel: Kitzeln wir uns selbst, fehlt einfach der Überraschungseffekt. Unser Gehirn berechnet dann nämlich voraus, wann unsere Finger uns berühren werden. Und wo, weiß es auch schon. In der Folge dämpft es die Nervensignale, die der gekitzelte Körperteil aussendet. So gelangen diese Reize kaum in unser Bewusstsein. Unser Gehirn hat sie schlichtweg als unwichtig beurteilt.

Auf der Hut ist unser Denkapparat in erster Linie bei Signalen, die von außen kommen. Die unerwartet sind. Die sich schwer einschätzen lassen. Die uns – darauf kommt es an – womöglich gefährlich werden könnten. Dazu gehören die Kitzelattacken der anderen. Dass wir darauf meist heftig reagieren, ist Teil einer Schutzfunktion des Körpers. Auf den fremden Reiz antwortet er mit Abwehr. Er zuckt und schlägt um sich – fängt aber, so ist das beim Kitzeln, meist auch noch an zu lachen. Da können wir uns noch so viel Mühe geben, das zu unterdrücken. Und während sich schlüssig erklären lässt, warum wir uns selbst nicht kitzeln können, ist unklar, warum die Kitzelei so oft mit Gelächter einhergeht.

Kitzeln kann Folter sein

Doch wir wissen: Lustig ist es nur, wenn der, der uns kitzelt, Freund ist und nicht Feind. Bis ins Mittelalter gehörte Kitzeln zu den Foltermethoden. Das Opfer wurde fixiert und jeder Bewegungsfreiheit beraubt, seine Füße wurden mit Salz eingerieben und dann … kam eine Ziege, die das Salz mit ihrer rauen Zunge von den Sohlen leckte. Welch Übermaß an Reizen! Das Opfer musste sie ertragen, ohne sich auch nur im Geringsten wehren zu können. Das führte zu Krämpfen und Atemnot und zudem zu wunden Füßen. Wurde die geschundene Haut abermals mit Salz bedeckt, war der Schmerz noch ein ganz anderer.

Das Ziegenlecken ist Geschichte. Doch auch wenn – vergleichsweise harmlos – eine Wespe über die Kniekehle wandert, kitzelt das zwar, das Lachen aber bleibt uns im Hals stecken. Kitzeln, das für gute Laune sorgt, hat – so deutete es Evolutionstheoretiker Charles Darwin – einen sozialen Hintergrund: Es ist eine Interaktion mit Menschen, die uns sympathisch sind, und steht für Nähe, Zuwendung und Zärtlichkeit. Lachen löst es nach dem ersten Schreck aus, so einige Wissenschaftler, wenn Körper und Gehirn erleichtert bemerken, dass der Auslöser des Kitzelreizes ungefährlich ist. Darwin formulierte es noch pointierter: Lachen entsteht beim Kitzeln aus einer Erwartungshaltung, meinte er. Aus der Freude auf Genuss.

Quelle: ntv.de

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