Fundsache, Nr. 118 Körbchenmuschel in der Oder
18.03.2007, 14:48 UhrVon West nach Ost in 24 Jahren: Die aus Nordamerika eingeschleppte Körbchenmuschel (Corbicula fluminea) hat Deutschland durchquert und findet sich nun auch in der Oder. Der Naturkundler im Nationalpark Unteres Odertal, Hans-Jörg Wilke, konnte die kugeligen, braun gestreiften Muscheln nach eigenen Angaben vor kurzem in einem alten Oderarm bei Criewen (Uckermark) nachweisen.
"Die nur 25 Millimeter große Muschel wurde erstmals 1983 in der Weser bei Bremen entdeckt", erzählt Wilke. "Nun hat sie alle größeren Flüsse und Wasserstraßen erreicht." Das Weichtier stammt aus Asien und gelangte vermutlich im Ballastwasser von Schiffen über Nordamerika nach Europa. Die Folgen für Wasserpflanzen und Tierwelt sind noch nicht bekannt.
"Die Körbchenmuschel hat sich explosionsartig vermehrt", stellt Wilke fest und zeichnet ihren Wanderweg in Deutschland nach: 1990 wurde sie im Rhein entdeckt, 1997 in der Donau und 1998 in der Elbe bei Hamburg. 2003 gelang der Erstnachweis im Elbeverlauf der neuen Bundesländer. Wilke nimmt an, dass es auch in Polen schon Körbchenmuscheln gibt, ein Nachweis sei allerdings noch nicht erbracht. Insbesondere die Wasserstraßen spielen bei der Ausbreitung eine Rolle. "Der zur Elbe führende Mittellandkanal, der Elbe-Havel-Kanal und der Oder-Havel-Kanal dokumentieren die möglichen Ausbreitungswege."
"Als Ursache für die schnelle Verbreitung über die großen Wasserwege kommt in erster Linie die Schifffahrt in Betracht", meint Michael Zettler, Biologe am Institut für Ostseeforschung Warnemünde. Mit dem Ballastwasser, das leere Schiffe tanken, um weniger zu schaukeln, an der Außenhaut und in den Kühlwasserfiltern werden viele wirbellose Organismen in verschiedenen Entwicklungsstadien transportiert und verbreitet. "Das muss auch für die Jugendstadien von Corbicula fluminea angenommen werden", sagt der Forscher. "Die hohe Reproduktionsrate von über 5000 Larven bei mindestens zwei Generationen pro Jahr und Tier spielt für die rasche Ausbreitung eine wesentliche Rolle."
Mit der Körbchenmuschel ist die Liste der im Nationalpark Unteres Odertal vorkommenden Mollusken auf 146, darunter 46 Wasserschnecken und 23 Muscheln, angewachsen. Sie lebt eingegraben am Grund des Flusses und filtriert das Wasser auf der Suche nach Partikeln. In sandigen und kiesigen Untergründen fühlt sie sich besonders wohl. "Die Oder und Elbe sind auf Grund ihrer sandigen Stromsohle ein idealer Lebensraum für die Muschel", erklärt Zettler. Körbchenmuscheln seien mit drei Jahren geschlechtsreif und neigten zur Massenvermehrung.
Im Rhein gehört die Körbchenmuschel schon zu den häufigsten Weichtieren. Wo sie gefunden werden, siedeln durchschnittlich 500 Tiere auf einem Quadratmeter; jedoch sind auch bis zu 11000 Tiere keine Seltenheit. Ein gefundenes Fressen für Wasservögel? "Ob muschelfressende Wasservögel, wie Reiherente und Blässralle, die Körbchenmuschel nutzen, konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden", sagt Zettler.
Wie sich die rasante Ausbreitung auf die Bodenfauna auswirkt, sei bislang auch noch nicht geklärt; mancherorts wurde eine Zurückdrängung heimischer Süßwasserschnecken beobachtet. Sicher ist indes nur ein positiver Effekt, meint Zettler: "Auf jeden Fall tragen die Körbchenmuscheln durch ihre Filterfunktion zur Reinhaltung der Gewässer bei."
Quelle: ntv.de