Fundsache

Fundsache, Nr. 221 Neues Protein blockiert HIV

Wenn das HI-Virus einen Menschen erst einmal infiziert hat, ist es für die Abwehr zu spät. Der Erreger der tödlichen Immunschwäche Aids baut seine Erbsubstanz fest in die DNA seines Opfers ein, vermehrt sich schnell und löscht einen Teil der Immunzellen aus. Dann ist der Körper zahlreichen anderen Krankheiten schutzlos ausgeliefert. Daher soll dem Virus der Weg in die Zelle verstellt werden.

Bislang gibt es nur einen Wirkstoff dafür. Dieses Präparat namens Fuzeon bringt allerdings eine ganze Reihe von Nachteilen mit sich. Nun berichtet eine Gruppe um Michael Kay von der Universität von Utah in Salt Lake City von einer Alternative. Die US-Forscher haben ein kleines Protein geschaffen, das den Infektionsmechanismus des Erregers auf neue Weise blockiert, schreiben sie in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften ("PNAS"). Ihr Verfahren sei so weit fortgeschritten, dass mit klinischen Studien begonnen werden könne.

Blockierter Anker

Die Hoffnung war groß, als im Jahr 2003 mit Fuzeon erstmals nach sieben Jahren wieder eine neue Klasse von HIV-Präparaten zugelassen wurde. Der Fuzeon-Wirkstoff Enfuvirtide ist ein kleines Protein. Es ist so konstruiert, dass es genau in ein Protein auf der Oberfläche von HIV hineinpasst. Dieses gp120-Protein ist der Anker, mit dem sich HIV an den menschlichen Zellen festhakt. Im zweiten Schritt verändert gp120 seine Form, um Virus und Zelle möglichst nahe zusammenzubringen, um so die Fusion möglich zu machen. Just in diesem Moment bindet sich Fuzeon an gp120 und blockiert es. Die Fusion wird unterbunden. Daher der Name dieser Wirkstoffklasse: Fusions-Inhibitoren.

Viele Probleme mit Fuzeon

Das Problem: Fuzeon kostet pro Patient und Jahr etwa 25 000 Dollar (rund 17 000 Euro), es muss zwei Mal am Tag in hoher Dosis gespritzt werden, und es gibt bereits mehrere dagegen resistente Viren, heißt es in "PNAS" Zu allem Überfluss wird das Protein im Körper natürlicherweise von Enzymen abgebaut. Damit ist Fuzeon mehr eine Art letzte Rettung für Patienten, bei denen sonst nichts mehr hilft. Keinesfalls ist das Präparat aber das gesuchte Mittel, um Millionen Menschen vor der Infektion zu bewahren. Ein solcher vorbeugender Schutz ist eines der Hauptziele der Forscher.

Kay und seine Kollegen haben nun ein neues Protein konstruiert (2K-PIE1), das viele Nachteile von Fuzeon umgeht. Es besteht aus nur acht miteinander verbundenen Aminosäuren. Das Mittel kann geschluckt werden, wird im Körper kaum abgebaut und blockiert das gp120-Protein auf dem Virus ähnlich wie Fuzeon, wenngleich an einer anderen Stelle.

L- und D-Aminosäuren

Zwar ist 2K-PIE1 – wie alle Proteine – aus Aminosäuren aufgebaut, die wie in einer Kette aneinander gereiht sind und sich zur Proteinform zusammen knäueln. Aber während die Proteine des Körpers nur aus L-Aminosäuren zusammengesetzt sind, verwendeten Kay und seine Kollegen D-Aminosäuren. Chemisch sind beide kaum voneinander zu unterscheiden, für ein lebendes System sind sie aber so unterschiedlich wie Tag und Nacht. L- und D-Moleküle sind aus den gleichen Atomen zusammengefügt, verhalten sich zueinander aber wie Bild und Spiegelbild. Sie lassen sich nicht zur Deckung bringen. Weil der Körper nicht auf D-Proteine vorbereitet ist, kann er sie bei weitem nicht so schnell abbauen und auch nicht verdauen – sie können daher geschluckt werden, ohne ihre Wirkung zu verlieren.

Hoffnung auf ein Mikrobizid

Die Gruppe um Kay testete 2K-PIE1 an zahlreichen HIV-Varianten. Geringe Konzentrationen reichten aus, um sie zu blockieren. Die Forscher suchen derzeit nach neuen, aus einer anderen Abfolge von D-Aminosäuren zusammengefügten Proteinen, deren optimale Länge auch mehr als acht Bausteine betragen könne. Weil das kleine Protein das Virus an anderen Stellen blockiere, könne es in Kombination mit weiteren Wirkstoffen eingesetzt werden. Zudem sei es weniger empfindlich und könne damit vielleicht als Mikrobizid Verwendung finden – als Wirkstoff in einem Gel, das sich Frauen vor dem Geschlechtsverkehr in die Scheide spritzen, um sich vor Infektionen zu schützen.

Die präsentierten Proteine hätten nun ausreichend Potenzial für vorklinische Studien, heißt es in "PNAS". Möglicherweise könnten ihre besondere Konstruktion und ihre chemischen Eigenarten auch gegen andere Erreger helfen.

Quelle: ntv.de

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