Fundsache, Nr. 83 Tapetenwechsel in Jesu Zeit
16.01.2007, 11:25 UhrVon n-tv-Korrespondent Ulrich W. Sahm
Auch vor 2000 Jahren ging man mit der Mode. „Mal zerstörte Wasser die Wandmalereien und tauschte sie gegen bleichen Stuck aus und dann mussten Mosaiken ausgewechselt werden, weil sie ausgeleiert waren, so wie wir heute einen neuen Teppich ins Wohnzimmer legen.“ So der „Hausarchäologe“ der Wohl-Stiftung in Jerusalem, Hilel Geva. Über archäologischen Funden wurde auf Stelzen ein riesiger Gebäudekomplex errichten. Im Keller kann man durch ein 2.000 Jahre altes Wohnviertel sehr reicher Juden wandeln. Jesus hätte hier einkehren können, wenn er die richtigen Beziehungen zu den steinreichen Pharisäern und Tempelpriestern gepflegt hätte. „Wir wissen nicht, wie viele Wohnungen da ausgegraben wurden, weil alles sehr verwinkelt ist.“ Jede Familie konnte sich mindestens zwei Badezimmer und private rituelle Tauchbäder leisten. Sogar gemauerte Badewannen stehen da noch in kleinen Kämmerlein.
Für Archäologen zugänglich wurde das Viertel ab 1968, als das ohnehin von den Jordaniern zerstörte „Jüdische Viertel“ in der Altstadt Jerusalems abgerissen, vollständig ausgegraben und danach auf Stelzen über den Funden wieder neu errichtet worden ist. Das jüdische Viertel war durch die Jahrhunderte bis 1949 von Juden bewohnt. Sie wollten nahe der Klagemauer leben. Im Unabhängigkeitskrieg Israel eroberten es die Jordanier. Die vertrieben alle Juden aus der Altstadt und annektierten völkerrechtswidrig Ostjerusalem. 19 Jahre später kehrten Juden infolge des Sechs-Tage-Krieges wieder in das jüdische Viertel zurück.
In der schmucken Empfangshalle der größten Villa erwartete die Archäologen im vergangenen Sommer eine für Jerusalem bislang einmalige Überraschung. Ein großes Mosaik mit schwarz-weißem Meander-Schmuck und einem roten Rand sollte abgenommen werden, um im Israel-Museum restauriert zu werden. Doch 30 Zentimeter unter dem Meander-Mosaik entdeckten die Archäologen ein älteres Mosaik aus gröberen Steinchen und geometrischen Formen aus der griechisch-hellenistischen Tradition. Den Juden war gemäß ihrem Glauben die Abbildung von Menschen und Objekten verboten. So beschränkten sie sich auf geometrische Muster.
Das ältere Mosaik sei „Anfang des ersten Jahrhunderts“ gelegt worden, sagt Geva. Es existierte also, als Jesus in die Stadt kam, am Ende seines Lebens. Es sei mehrfach „repariert“ worden, bis die unbekannten Hausbesitzer beschlossen, es zuzuschütten und ein komplett neues Mosaik darüber zu legen. Das muss um das Jahr 40 geschehen sein, 7 Jahre nach Jesu Kreuzigung und dreißig Jahre vor der Zerstörung Jerusalems durch die Römer. Eine dicke Ascheschicht und eine Münze aus dem Jahr 2 des Aufstands gegen die Römer (67 v. Chr.), die man auf dem Mosaik gefunden hat, lieferten die exakte Datierung.
Die Frage nach dem Namen des Hausbesitzers konnte Geva nicht beantworten. „Wir haben nur im Nachbarhaus einen Gewichtstein mit dem eingeritzten Namen Bar Kathros gefunden. Erst in byzantinischer Zeit verewigten sich Stifter und andere Personen mit ihrem Namen auf Mosaiken.“ Bar Kathros, dessen Keller und Küche ausgegraben wurden und heute als „Das verbrannte Haus“ besichtigt werden kann, war als besonders korrupter Priester im Talmud erwähnt worden. Ihm wurde vorgeworfen, gefälschte Gewichte verwendet zu haben, damals wie heute ein besonders schlimmer Betrug. Den Beweis für sein Verbrechen lieferten Archäologen fast zweitausend Jahre später: Die gefundenen Gewichte in seinem Haus entsprachen tatsächlich nicht dem Standard.
Während das „neue“ Mosaik wieder an seinen alten Platz auf dem Fußboden des Empfangssaals der Villa zurückgekehrt ist, hängt das ältere „abgewetzte“ Mosaik seit kurzer Zeit an der Wand.
Quelle: ntv.de