Fundsache, Nr. 1077 Pflanzengreise im Mittelmeer
04.02.2012, 11:50 Uhr
Neptungras auf dem Meeresboden.
(Foto: Albett Kok, wikipedia)
Forscher machen Seegras im Mittelmeer ausfindig, das rund 12.500 Jahre alt ist. Die Wasserpflanzen gelten deshalb als robuste Lebewesen. Umso beunruhigter sind die Experten über den Rückgang der Seegras-Wiesen um jährlich fünf Prozent.
Wahre Methusalems unter den Seegräsern haben Forscher im Mittelmeer entdeckt. Einige der Klone seien mindestens 12.500 Jahre alt, berichten sie im Fachjournal "PLoS ONE". Damit spielten sie in einer Liga mit anderen Pflanzengreisen wie einem mehr als 11.000 Jahre alten Kreosotbusch (Larrea tridentata) und einer mehr als 13.000 Jahre alten Buchs-Buckelbeere (Gaylussaccia brachycerium). Als älteste bekannte Gefäßpflanze gilt das tasmanische Silberbaumgewächs Lomatia tasmanica: Das aus hunderten Schößlingen bestehende Pflanzenkollektiv ist rund 43.600 Jahre alt.
Das Team um Sophie Arnaud-Haond vom französischen Meeresforschungsinstitut IFREMER hatte auf 40 Seegraswiesen im Mittelmeer jeweils mehrere Proben des Neptungrases (Posidonia oceanica) genommen. Die Forscher fanden etliche genetisch identische Exemplare, die bis zu 15 Kilometer weit voneinander entfernt wuchsen.
Ein solches Pflanzenkollektiv, das über ein Rhizom verbunden ist oder war, wird als Genet bezeichnet. Die Pflanzen scheinen eigenständig zu sein, entstanden aber durch vegetative Vermehrung und bilden einen Klon. Manche der Seegras-Klone seien – mit Blick auf die geringe Wachstumsrate der Art – offenbar schon mehrere Zehntausend Jahre alt. Modellrechnungen und Analysen zur Mutationsrate stützten die Ergebnisse.
Erbgut ist flexibel
Seegraswiesen sind für die biologische Vielfalt und das Leben im Meer von enormer Bedeutung. Posidonia oceanica wächst in Tiefen bis zu 40 Metern und hat in diesem Bereich kaum Wettbewerber oder bedeutsame Fressfeinde. Die Seegrasart gehört zu den am langsamsten wachsenden und langlebigsten Pflanzen des Mittelmeeres. Einzelne Seegraspflänzchen können zu gewaltigen Teppichen heranwachsen, indem sie immer neue Sprosse bilden.
Sexuelle Vermehrung findet dabei nicht statt – und damit auch keine Neukombination genetischer Merkmale. Diese hilft Organismen dabei, sich an wechselnde Umweltbedingungen anzupassen. Das Erbgut der Seegras-Klone erlaube offenbar eine erstaunliche Flexibilität, schreiben die Forscher. Anders hätten Pflanzen kaum eine so lange Zeit mit vielen Veränderungen in ihrem Meereslebensraum überdauern können.
Bei einem so "zähen" Lebewesen sei es umso bedenklicher, dass die Posidonia-Wiesen mittlerweile jährlich um etwa fünf Prozent schrumpften, betonen die Forscher. Sie zögen sich damit Hunderte Male schneller zurück, als sie zuvor heranwüchsen. Klimawandel und Umweltprobleme im Mittelmeer überforderten offenbar selbst die langlebigen Klone, die zuvor Jahrhunderte des Wandels bestens überstanden hätten.
Quelle: ntv.de, dpa