Dem Zeitgeist angepasst Neuer VW Touran glänzt mit inneren Werten
26.06.2015, 09:23 Uhr
Nur dezent sind die Änderungen an der Außenhaut des Touran ausgefallen, obgleich sie doch mehr Würze in den Kompakt-Van bringen sollten.
(Foto: Holger Preiss)
Der VW Touran galt mal als Multitalent. Heute muten diese Talente etwas behäbig und kompliziert an. Deshalb haben die Wolfsburger ihren Kompakt-Van neu erfunden. Jedenfalls was das Innere betrifft. Äußerlich folgt man dem Glauben, dass, was gut war, auch gut bleibt.
Es ist nicht von der Hand zu weisen: Der VW Touran ist der beliebteste Kompaktvan der Deutschen, ein echter Bestseller eben. Aber die Mitbewerber schlafen nicht. Selbst im Premiumsegment hat man sich bei BMW jetzt mit dem 2er Active Tourer entschieden, ein äquivalentes Fahrzeug in dieses wegen Absatzmangel umstrittene Segment rollen zu lassen. Das beweist einmal mehr, dass hier nicht mehr nur Familien mit entsprechender Kinderzahl die Zielgruppe sind, sondern auch Menschen mit Platzbedarf für Sport und Freizeit.
Äußerlicher Langmut mit inneren Werten

Hinter der Heckklappe verbirgt sich entweder eine dritte Sitzreihe oder aber ein Stauraum von 743 Litern.
(Foto: Holger Preiss)
Natürlich sollen die Käufer jung sein oder sich wenigstens ihre dynamische Seite bewahrt haben. Wenn man das im Hinterkopf hat, ist man einmal mehr beim Blick aufs Design über den Langmut der Wolfsburger verwundert. Denn optisch unterscheidet sich die zweite Generation so gut wie gar nicht von ihrem Vorgänger. Mit seiner kurzen Motorhaube und der kastenförmigen Karosserie bleibt der Touran ein klassischer Van. Dabei wurde die Optik durchaus gestraft: länger, breiter, flacher heißt hier das Motto und dennoch muss man die aufregenden Momente suchen. Wer sich Mühe gibt, erkennt die ausgeprägte Tornadolinie, sieht die leicht abfallende Dachlinie, erkennt die verschärften Scheinwerfer und den prägnanten Seitenschweller. Nur leider erst auf den zweiten Blick. Da Autokäufer aber ihre Entscheidungen nicht selten über die Optik treffen, bleibt abzuwarten, ob der Touran seine Spitzenposition auch in Zukunft halten kann.
Was seine inneren Werte betrifft, hat er zweifelsohne das Zeug dazu. Ruht er doch jetzt auf dem Modularen Querbaukasten von VW und konnte so 62 Kilogramm abspecken und das, obwohl er in der Länge um 13 Zentimeter auf 4,53 Meter gewachsen ist. Die gewonnenen 11,3 Zentimeter beim Radstand kommen hier vor allem den Insassen, die sich je nach Wunsch auf fünf oder sieben Plätze verteilen lassen, zugute. Auch das Gepäckabteil hat gewonnen. Hier verschwinden jetzt 734 Liter - vorausgesetzt die dritte Sitzreihe ruht im Unterboden.

Wenn alles umgelegt ist, hat der Touran fast 2000 Liter Ladevolumen und schluckt Gegenstände von bis zu 2,70 Meter Länge.
Klappt man auch die zweite Reihe um, ergeben sich 1980 Liter Ladevolumen auf einer planen Fläche. Im alten Touran mussten, um Platz zu schaffen, die Sitze noch ausgebaut werden. Wer bei der ganzen Klapperei auch noch den Beifahrersitz nach vorne umlegt, was nur bei den manuell verstellbaren Sitzen geht, der kann ein Surfbrett von 2,70 Meter locker hinter der optional elektrisch aufschwingenden Ladeklappe verschwinden lassen und muss dazu nur den Fuß unter dem hinteren Stoßfänger schwingen. Komfort, wie man ihn bisher nur aus dem Passat kennt.
Stauraum und Massagesitze
Komfort war auch das Stichwort bei der gesamten Bestuhlung. Die kann jetzt nämlich als höchst variable Fold-Flat-Sitzanlage bestellt werden, die es eben in einer fünf- oder siebensitzigen Ausführung gibt. Wer es sich in der ersten Reihe so richtig schön machen will, der bestellt die Ergo Active Sitze mit Massagefunktion. Da lässt sich dann auch der Neigungswinkel der Sitzfläche verstellen und die Oberschenkelauflage verlängern. Der von der Aktion gesunder Rücken zertifizierte und erstmals für den Touran erhältliche Bonus kostet, wenn er nur auf der Fahrerseite verbaut wird, 620 Euro zusätzlich.
Wenn auch der Beifahrer in den Genuss kommen soll, sind es 880 Euro. Kostenfrei ist hingegen das Ablagenkonzept im Touran. Bis zu 47 Verstaumöglichkeiten soll es, wenn man Thilo Boemke von der technischen Projektleitung Glauben schenkt, geben. Gezählt wurden sie bei der ersten Ausfahrt nicht, aber die Jumbo-Box in der Mittelkonsole, das Mediafach mit CD-Einschub und Slots für USB und SD-Karten über dem Handschuhfach, sowie das Ablagefach auf der Armatur, erwiesen sich als äußerst praktisch. Auch kleine Fächer für Parkkarten oder Münzen links neben dem Lenkrad sind eine gute Idee.
Über einen Mangel an guten Ideen kann man im neuen Touran ohnehin nicht klagen. So können Allergiker jetzt auch im VW-Van mit der Drei-Zonen-Klimaautomatik aufatmen. Das heißt nichts anderes, als dass eine neue Filtertechnologie verhindert, dass Allergene in den Innenraum gelangen. Allerdings gibt es diese nasenfreundliche Variante als Einzeloption nur in der höchsten Ausstattung Highline und selbst da kostet sie noch 510 Euro extra. Ohne Aufpreis und in allen Modellen Serie ist eine einfache Klimaanlage mit dem Namen Pure Air Climatronic.
TDI SCR mit 150 PS ist der Renner

Anders als beim Passat hat der Innenraum in der Neuauflage des Touran gewonnen. Er wirkt klar, fast kühl, aber sehr dynamsich.
Doch egal wie man sich den Wind im Innern um die Ohren wehen lässt, um den Wind von außen zu spüren, braucht es ein Antriebsaggregat. Die Basisversion bildet ein 110 PS starker Benziner, der seine Kraft aus einem 1,2 Liter Vierzylinder schöpft und mit einem manuellen Sechsganggetriebe verbandelt ist. Ob dieser Motor ausreicht, um den trotz Gewichtsverlust immer noch 1,4 Tonnen schweren Einstiegs-Touran auch bei voller Besetzung flott voranzutreiben, darf bezweifelt werden. Dafür ist der Einstiegspreis mit 23.350 Euro eine Ansage, denn das sind nur 100 Euro mehr als beim Vorgänger. Der hatte aber Radio, Klima und Wärmeschutzverglasung noch nicht mit an Bord.
Der Bestseller dürfte aber wie schon bei den bis dato 1,9 Millionen verkauften Exemplaren des Touran der Zweiliter-Diesel mit 150 PS sein. Dabei hat der sich mit 30.975 Euro schon um einiges vom Grundpreis entfernt. Da es ihn aber nur als Comfortlinie gibt, sind Schmankerl wie 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, drei Einzelsitze in der zweiten Reihe – übrigens alle mit ISOFIX – Parkpiepser und City-Notbremsfunktion mit enthalten. Hinzu kommt, dass das leise wie ein Benziner arbeitende Kraftpaket dank seiner 340 Newtonmeter sehr lässig mit dem Gewicht des Touran umgeht und es ihm auch ziemlich schnuppe sein dürfte, wenn die Kiste bis unters Dach beladen ist. Wer mit dem Selbstzünder nicht auf Wettkampffahrt geht, wird mit einem Verbrauch von 5,4 Liter belohnt. So jedenfalls nach einer Testfahrt über anderthalb Stunden im Infodisplay zu lesen. Auch eine Option was Kraft und Laufruhe betrifft, ist der 1,4 Liter Benziner, der ebenfalls 150 PS generiert. Der kommt noch einen Tick spritziger daher, kann aber, was Verbrauch und Endgeschwindigkeit betrifft, nicht wirklich punkten. Hier standen 6,8 Liter bei ähnlich softer Fahrweise auf der Uhr. In der Endgeschwindigkeit zeigt die Tachonadel beim Diesel im Übrigen auf die 208 und beim Benziner auf die 209 km/h. Mag jeder selbst entscheiden, was ihm das sagt.
Für die Eiligen
Wer es im Touran richtig eilig hat, der muss sich noch einen Moment gedulden, denn im September rollen vorerst nur vier Motorisierungen zum Händler. Zwei Benziner mit 110 und 150 PS und zwei ebenso starke Diesel. Danach folgen noch ein Selbstzünder mit 190 PS, eben jenem Motor, der schon im Golf GTD seine Arbeit verrichtet, und ein Benziner mit 180 PS. Die können dann sogar noch mit den Insignien des R-Paketes als Zeichen für besondere Sportlichkeit versehen werden oder optional mit dem Sportfahrwerk, bei dem das Chassis für 250 Euro extra 1,5 Zentimeter Richtung Asphalt verschoben wird. Not tut das allerdings nicht, denn das Fahrwerk des Touran ist bereits in der Basis ausgezeichnet abgestimmt. Schon damit lässt sich der Wolfsburger auf Wunsch auch mal sportlich ums Eck ziehen. Wenn es denn richtig mondän werden soll, dann lässt sich für 1035 Euro noch eine adaptive Fahrwerksregelung dazu buchen, die dann auf Knopfdruck zwischen Sport, Normal und Komfortabel unterscheiden kann.
Während über die Fahrwerksregelung noch gestritten werden kann, ist die Tatsache, dass auch im Touran der Infotainmentbaukasten von VW Einzug hält, keinen Disput mehr wert. Hier wird nämlich für 300 Euro extra die App-Konnektivität angeboten. Das heißt, wenn ich mir das Radio Composition Colour für 205 Euro in meinen Touran habe schmieden lassen – in der höchsten Ausstattungslinie ist das Serie –, kann ich mein Google-Smartphone oder mein Apple-Gerät im Display spiegeln und zum Beispiel die Kartenfunktionen als Navigationsgerät benutzen. Und das funktioniert fantastisch, sogar im Ausland, wie ein Selbstversuch ergeben hat. Natürlich gibt es das einfache Navi schon für 555 Euro, aber das aktuelle Kartenmaterial dazu nur drei Jahre. Anschließend wird nachgezahlt.
Gezahlt wird auch für die fast unendlich anmutende Liste der Assistenzsysteme. Abstandsregel-Assistent, Spurhalter, automatische Notbremse, Dynamisches Fernlicht, Ausparkassistent und Stauassistent kosten im Gesamtpaket ordentliche 2665 Euro. Wer die Highline-Variante des Touran wählt, zahlt knapp 800 Euro weniger. Auch Voll-LED-Scheinwerfer sowie ein Head-up-Display sind zu bestellen. Natürlich nur für einen entsprechenden Aufpreis. Wenn man dann so rechnet, ist das fast der einzige Wermutstropfen im neuen Touran: Wer den Familienvan nämlich mit allen Möglichkeiten der 28-seitigen Optionsliste ausstattet, muss sich nämlich als Normalverdiener die Frage stellen, wie er der nächsten Zeit nach dem Kauf seine Familie ernähren soll.
Quelle: ntv.de