Auto

Lifestyle-Laster für John Wayne Renault Alaskan - teure Kopie des Navara?

Optisch ähnelt der Renault Alaskan seinem Genspender dem Nissan Navara doch sehr.

Optisch ähnelt der Renault Alaskan seinem Genspender dem Nissan Navara doch sehr.

(Foto: Michael Gebhardt)

Nicht nur Mercedes bedient sich am Pick-up des Kooperationspartners Nissan. Auch Renault hat sich den Navara jetzt einverleibt – und bringt ihn im November als Alaskan in den Handel. Zum deutlich höheren Preis!

Noch deutlicher wird die Verwandschaft des Renault Alaskan mit dem Nissan Navara wenn man das Heck betrachtet.

Noch deutlicher wird die Verwandschaft des Renault Alaskan mit dem Nissan Navara wenn man das Heck betrachtet.

(Foto: Michael Gebhardt)

Sie sind groß, sind unhandlich, und sie sind verdammt cool: Pick-ups. Direkt nach dem man so einen Hochsitz erklommen hat und im Rückspiegel die Ladefläche erblickt, fühlt man sich ein bisschen wie John Wayne. Oder wie J.R. Auf jeden Fall wie jemand, der in der Prärie über seine Ranch heizt. Ein Gefühl, dass auch immer mehr Städter zu schätzen wissen: Weltweit steigt die Nachfrage nach Pick-ups rasant  – auch in Deutschland: Haben sich 2008 gerade mal gut 5000 Kunden hierzulande für einen Lastesel mit Ladefläche erwärmen können, waren es vergangenes Jahr schon über 21.000.

Das bringt die Hersteller in Zugzwang, denn das Angebot ist noch ziemlich überschaubar: Bislang buhlten vor allem Mitsubishi L200, VW Amarok und Nissan Navara um die Käufergunst. Letzterer dürfte in naher Zukunft einen deutlichen Absatzschub erfahren – wenn auch nicht immer mit Nissan-Signet auf der Haube: Nach der Mercedes X-Klasse nutzt nun auch Renault den Japaner als Basis für einen eigenen Pick-up.

Außen ein bisschen anders

Das man mit dem Alaskan auc die eine oder ander Furt durchfahren kann hat er im ersten Fahrtest unter Beweis gestellt.

Das man mit dem Alaskan auc die eine oder ander Furt durchfahren kann hat er im ersten Fahrtest unter Beweis gestellt.

(Foto: Renault)

Alaskan heißt die französische Variante, die in Südamerika bereits seit einem guten Jahr über Stock und Stein brettert, und ab November auch bei den deutschen Händlern steht. Optisch unterscheidet er sich nicht groß von seinem Technikspender, die Front haben die Renault-Designer ein wenig überarbeitet, vor allem die Scheinwerfer an den markentypischen Look angepasst und in die Heckklappe haben sie eine neue Bügelfalte gedengelt. Würde allerdings der Renault-Rhombus vorne und hinten nicht so prominent hervorstechen, könnte man den Alaskan durchaus für den Navara halten.

Das gilt erst recht im Innenraum: Während sich Mercedes die Mühe gemacht hat, die Einrichtung nahezu komplett auszutauschen und sein eigenes Mobiliar einzubauen, belässt es Renault auch hier dabei, sein Logo aufs Lenkrad zu kleben. Das Kombiinstrument, der Startknopf, die Spiegel-Verstellung, die Sitzheizungsschalter, das Infotainment-System – all das kennen man von Nissan. Das gilt auch für das ordentliche Gestühl, das selbst auf längeren Strecken nicht unbequem wird. Und für das Lenkrad, das leider auch bei Renault nicht in der Länge verstellbar ist. Dass die Franzosen auch das Platzangebot nicht vergrößern konnten, versteht sich von selbst: Vorne sitzt man im ausschließlich mit vier Türen erhältlichen Alaskan großzügig, hinten müssen lange Passagiere die Beine allerdings ordentlich anwinkeln. Nach oben wird es dagegen selbst im Fond nicht eng.

Wirklich bequem geht es auf der Rückbank des Alaskan nicht zu.

Wirklich bequem geht es auf der Rückbank des Alaskan nicht zu.

(Foto: Renault)

Praktisch: Unter den hinteren Sitzplätzen verstecken sich zwei Staufächer – eine clevere Idee, die fast von Skoda stammen könnte. Dazu kommen ein geräumiges Handschuhfach, eine Ablage auf dem Armaturenbrett, ein Fach in der Mittelkonsole, zwei Cupholder und große Türtaschen, in denen reichlich Krimskrams verschwinden kann. Dass fast alles im Cockpit wie bei Nissan aus Hartplastik gefertigt ist – geschenkt. Das passt zum robusten Image des Pick-ups und geht auch nicht so schnell kaputt.

Zwei Diesel-Versionen

Was im Innenraum gilt, gilt auch unter der Haube: Zur Wahl stehen die beiden vom Navara bekannten Versionen des 2,3-Liter-Vierzylinder-Diesels. Ein Sechszylinder, wie ihn Mercedes in der X-Klasse zusätzlich bringt, ist nicht vorgesehen und auch eine Benzin-Alternative steht selbst in Zeiten der Selbstzünder-Krise nicht auf dem Plan. Zumindest aber fahren beide Leistungsstufen serienmäßig mit SCR-Kat und AdBlue-Einspritzung vor.

Wie der Nissan Navara kann auch der Renault Alaskan bis zu einer Tonne auf die Ladefläche nehmen.

Wie der Nissan Navara kann auch der Renault Alaskan bis zu einer Tonne auf die Ladefläche nehmen.

(Foto: Renault)

Das Einstiegsmodell leistet 163 PS und entwickelt immerhin stolze 403 Newtonmeter Drehmoment, die bei tiefen 1500 Touren anliegen. Die Kraft aus dem Drehzahlkeller macht sich vor allem bei der ursprünglichen Bestimmung des Pick-ups bezahlt – wenn es darum geht, Lasten zu tragen. Bis zu eine Tonne darf auf die Ladefläche, die maximale Zuglast liegt bei 3500 Kilogramm. Nachteil der ab 36.900 Euro erhältlichen Basisversion: Sie wird nur in der einfachsten von drei Ausstattungen ausgeliefert, und man muss die sechs Gänge immer selber wechseln.

Mehr Komfort nur für den Starken

Wer etwas mehr Komfort will, bekommt auch ein Plus an Leistung: Die mindestens 41.500 Euro teure 190-PS-Version rollt ab Werk in der mittleren Ausstattung vom Band und hat unter anderem noch die Einparkhilfe hinten, eine Klimaautomatik und den 7-Zoll-Touchscreen mit Navigationssystem an Bord – und die Option auf das Top-Modell. Für weitere 4500 Euro fährt der Alaskan sogar mit Extras wie Voll-LED-Scheinwerfer und 360-Grad-Rundumkamera vor, die beim Rangieren wertvolle Dienste leistet. Schließlich muss ein immerhin 5,40 Meter langer Koloss in die Parklücke bugsiert werden.

Auch im Innenraum hat Renault nicht versucht dem Alaskan ein anderes Antlitz zu geben als dem japanischen Bruder.

Auch im Innenraum hat Renault nicht versucht dem Alaskan ein anderes Antlitz zu geben als dem japanischen Bruder.

Ob sich abgesehen von der Ausstattung der Griff zum Stark-Modell lohnt, ist fraglich: Zwar stand der 163-PS-Diesel im Renault noch nicht zur Ausfahrt bereit, doch hat das Aggregat im Navara einen ordentlichen Eindruck hinterlassen. Die doppelt aufgeladene Version wirkte bei der ersten Alaskan-Testrunde dagegen nicht viel spritziger, und wer nicht ins Datenblatt schaut, könnte durchaus einige PS weniger unter der Haube vermuten. Sobald die Drehzahl die Zweieinhalbtausender-Marke passiert hat, lässt die Kraftentfaltung spürbar nach. Der Lärmpegel dagegen steigt rapide an, und mit reichlich Gejaule bewegt sich die Tachonadel binnen 10,8 Sekunden auf Tempo 100 und weiter in Richtung Vmax bei 185 km/h. Zum Vergleich: Beim schwächeren Motor ist bei 172 Sachen Schluss, für den Standardsprint gönnt er sich zwölf Sekunden. Verbrauchsmäßig liegen beide gleich auf, hier wie da sollen 6,3 Liter Diesel pro 100 Kilometer verbrannt werden. Großer Pluspunkt für die starke Variante: Nur sie ist für 1800 Euro Aufzahlung auch mit einem Siebengang-Automatikgetriebe erhältlich.

Allrad ist immer dabei

Bei beiden Motorversionen serienmäßig ist dagegen der Allradantrieb. Im Normalbetrieb geht die gesamte Kraft zwar an die Hinterräder, doch mit einem Drehregler lässt sich die Vorderachse per Klauenkupplung zuschalten. Das geht bis Tempo 100 während der Fahrt, allerdings wird das Moment immer paritätisch zwischen den Achsen verteilt. Das heißt: Bei engen Kurven kommt es durchaus zu spürbaren Verspannungen im Antriebsstrang. Wird das Gelände unwegsamer, kann man zusätzlich eine Geländeuntersetzung aktivieren. Dann schiebt sich der Alaskan langsam, aber dafür mit umso mehr Kraft durch die Prärie. Dass es dafür nicht mal besondere Offroad-Reifen braucht, hat der Ausflug abseits des Asphalts bewiesen: Mit Serienpneus hat der Renault tiefe Schlammfurchen gemeistert, in denen andere Fahrzeuge schier verzweifelt wären.

Neben dem Autor, der über 1,90 Meter misst, wirkt selbst eine Wuchtbrumme wie der Renault Alaskan klein.

Neben dem Autor, der über 1,90 Meter misst, wirkt selbst eine Wuchtbrumme wie der Renault Alaskan klein.

Anders als bei vielen Hochgezüchteten Lifestyle-SUV, wo die Elektronik dem Fahrer die meiste Arbeit abnimmt, sind im Alaskan noch die Künste des Lenkers gefragt. Zwar stehen ein Bergan- und Abfahrassistent bereit, und auch die 360-Grad-Kamera ist im Gelände hilfreich. Von High-End-Lösungen wie Land Rovers Terrain-Response-System, das das gesamte Fahrzeug auf die zu meisternde Aufgabe vorbereitet, ist man im Alaskan weit entfernt. Das gilt im Übrigen für alle Assistenzsysteme: Spurhalter, Tot-Winkel-Warner oder Abstandstempomat? Sucht man vergebens.

Geschmeidig – mit Beladung

Auch verschiedene Fahrmodi, wie sie Mercedes für die X-Klasse vorsieht, gibt es im Alaskan nicht – dafür eine durchaus geschmeidige Fahrwerksabstimmung. Zumindest dann, wenn man wie ich bei unserer Ausfahrt gut 150 Kilogramm Ballast auf der fast zweieinhalb Quadratmeter großen Ladefläche hat. Ist der knapp 2,1 Tonnen schwere Renault dagegen leer unterwegs, dürfte er wie sein japanischer Bruder etwas hölzern wirken. Am Unterbau mit Leiterrahmen und Mehrlenkerhinterachse haben die französischen Ingenieure nämlich gar nichts verändert.

Bleibt die Frage: Warum zum Renault greifen? Schließlich ist der Alaskan mit 163-PS-Motor gut 5000 Euro teurer als der vergleichbare Nissan Navara. Dafür gibt es zwar etwas mehr Ausstattung: Klimaanlage, Leichtmetallräder, elektrische Fensterheber und Tempomat, die bei den Asiaten extra bezahlt werden müssen, sind im Franzosen immer an Bord. Den Großteil des Preisaufschlags investiert man allerdings in die leicht überarbeitet Außenoptik und den Namen Renault. Ob die Kunden bereit sind, dafür doch deutlich mehr Geld zu investieren, wird sich zeigen. Denn für nur wenige hundert Euro mehr ist auch die Mercedes X-Klasse zu haben, die zumindest mit einem eigenständigen Cockpit daher kommt - und mit einem Stern auf der Schnauze.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen