Leben

Gedämpfte Stimmung  Bethlehem ringt um Weihnachtsspirit

Normalerweise wäre  die Stadt um diese Zeit voller Touristen.

Normalerweise wäre die Stadt um diese Zeit voller Touristen.

(Foto: AP)

Corona wirft dunkle Schatten auf die Weihnachtsfeierlichkeiten im Geburtsort Jesu. Die Pandemie raubt Bethlehem nicht nur die festliche Atmosphäre, sondern hält auch Touristen fern. Es wird wohl Jahre dauern, bis es wieder das Weihnachten in Bethlehem gibt, wie man es kannte.

Jedes Jahr zu Weihnachten richten sich die Augen auf Bethlehem, wo nach biblischer Überlieferung Jesus Christus zur Welt gekommen sein soll. Heute liegt der Ort unter der Verwaltung der palästinensischen Autonomiebehörde. An den Weihnachtstagen finden rund um die Geburtskirche normalerweise umfangreiche Feierlichkeiten statt, zu denen Tausende Touristen kommen. Doch 2020 bereitet sich die Geburtsstadt Jesu aufgrund der Corona-Pandemie auf ein düsteres Fest vor.

Schon zu Beginn der Feierlichkeiten wurde der renommierte Weihnachtsbaumbeleuchtungsdienst auf eine kleine Gruppe autorisierter Personen beschränkt. Vor allem aber hat Corona die Tourismusbranche getroffen. Die meisten Hotels und Geschenkeläden sind geschlossen. Feierte Bethlehem noch vor zwölf Monaten mit über 3,5 Millionen Besuchern seine umsatzstärkste Bescherung, wirkt die Stadt in diesem Jahr wie ausgestorben.

"Das Virus hat den Spirit der Stadt zerstört", sagt Eman Nassar, Reiseleiterin aus Bethlehem. Die palästinensische Christin, die seit zehn Jahren Touristen durch das Westjordanland führt, kann seit März in ihrem Beruf nicht mehr arbeiten. Auf dem festlich geschmückten Krippenplatz, der normalerweise zu dieser Zeit voll ist, sind nur einige Menschen zu sehen. Wenige Marktstände verkaufen ein paar Souvenirs. Vor der Pandemie kamen täglich Dutzende Busse mit Pilgern an.

"Bethlehem war Anfang März Ausgangspunkt der Pandemie in der Westbank", erklärt die Reiseleiterin. "Als die Corona-Krise begann und wir eine Ausgangssperre von mehr als 80 Tagen hatten, blieben meine Aufträge aus, und auch reservierte Führungen wurden storniert." Mit den abgesagten Touren hat die Branche viel Geld verloren, und von der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) gab es keine Hilfe. Viele versuchen über ihre Webseiten und soziale Medien geschäftliche Kontakte aufrechtzuerhalten. "Ich präsentiere jetzt vollständig online", erklärt Nassar. "Für meine virtuellen Touren erhalte ich zwar eine positive Resonanz, aber noch kein Geld. Zum Glück ist mein Mann Psychiater und erhält regelmäßig Gehalt."

Zeichen der Hoffnung?

Obwohl die biblische Stadt kurz vor dem Bankrott steht, ist Bürgermeister Anton Salman positiv gestimmt. Zwar warnte er schon zu Beginn der Festzeit vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten, gleichzeitig forderte er aber auch, die Feierlichkeiten fortzusetzen, in dem Bewusstsein, dass zu dieser Jahreszeit die Augen der Welt auf den Geburtsort Jesu gerichtet sind. Seine Stadt soll 2020 eine Botschaft der Hoffnung für die Menschheit senden. "Zwar wird Bethlehem die traditionelle Begrüßungszeremonie plus Mitternachtsmesse für den lateinischen Patriarchen aus Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa abhalten, doch ist die Teilnehmerzahl begrenzt", sagte das Oberhaupt der Stadt erst kürzlich in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung "Jedi'ot Acharonot".

Aufgrund der Pandemie wird die breite Öffentlichkeit die Predigt - an der normalerweise religiöse Führer und Hunderte von Pilgern aus der ganzen Welt teilnehmen - nur live vor dem Bildschirm verfolgen. Selbst die Teilnahme von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas ist aufgrund gesundheitlicher Probleme noch unsicher. Angesichts der steigenden Zahl von Corona-Fällen kündigte der palästinensische Premierminister Mohammad Schtajjeh sogar eine Sperrung des gesamten Westjordanlands an. "Wir werden alle Gesundheitsmaßnahmen einhalten, um die Übertragung des Virus zu verhindern", erklärte Salman. "Die Gemeinde ist mit einer schwierigen Situation konfrontiert und wird noch Zeit brauchen, bis sie sich erholt." Nach dem diesjährigen Totalverlust erwartet er erst Ende 2021 eine Rückkehr auf das Niveau vor der Pandemie.

"Wenn keine Besucher nach Bethlehem kommen, ist die Stadt tot", sagt Victor Tabash, Besitzer eines Souvenirladens in der schmucken Nativity-Straße. Sein Geschäft ist eine beliebte Anlaufstelle für Touristen, die Schlüsselanhänger mit Jesusbildern oder kunstvoll geschnitzte Kreuze und Krippen aus Olivenholz kaufen. Doch während sein Laden im letzten Jahr zur gleichen Zeit florierte und Dutzende Touristengruppen empfing, hat Tabash nun schon seit Wochen geschlossen. "Wir sind in einer totalen Sackgasse", erzählt der Unternehmer. "Der Laden ist voller Waren, doch außer einigen Internetbestellungen haben wir kaum Abnehmer. Meine Angestellten habe ich nach Hause geschickt, nachdem ich ihre Gehälter nicht mehr bezahlen konnte."

Alles hängt am Tourismus

Mit weiteren Geschäftsleuten und Wirtschaftsvertretern aus der gesamten Westbank hat er die PA um finanzielle Unterstützung gebeten. "Wir haben uns letzten Monat mit dem Premierminister getroffen, um die Probleme der Tourismusbranche zu erörtern", erklärt Tabash. Von den zugesagten Bankkrediten hat er bisher nichts gesehen.

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Für eine Stadt, die mit über 60 Prozent vom Tourismus abhängt, ist die Situation extrem unbefriedigend. Steigende Arbeitslosigkeit zwingt viele Menschen in die Armut. Viele Hotels und Restaurants sind pleite. Experten vermuten, dass es noch Jahre dauern wird, bis sich alles wieder normalisiert.

Im Gegensatz zum Vorjahr wird Eman Nassar dieses Mal Weihnachten zu Hause verbringen. "Es ist schon traurig", sagt die Reiseleiterin. "Doch niemand kann die Verantwortung übernehmen, eine große Anzahl von Menschen zu den diesjährigen Veranstaltungen einzuladen." Wie jeder in der Stadt hofft sie natürlich auf bessere Zeiten. "Ich liebe die Feststimmung in Bethlehem, doch die meisten werden zu Hause bleiben", sagte sie. "Die Weihnachtsfeier wird dieses Jahr im Herzen stattfinden."

Quelle: ntv.de

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