Leben

Aus der Schmoll-Ecke Ich bau dir (k)ein Schloss für die Bundeswehr

Bis zu 107.399 neue Vorhängeschlösser für die Bundeswehr werden gebraucht.

Bis zu 107.399 neue Vorhängeschlösser für die Bundeswehr werden gebraucht.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Die Fortschrittskoalition hat versprochen: "Überflüssige Bürokratie werden wir abbauen." Schaut man sich die öffentliche Ausschreibung für "bis zu 107.399" simple Vorhängeschlösser an, ahnt man, dass das schwer wird - und dass Deutschland neben "Layla" noch andere Probleme hat.

"Ich bau dir ein Schloss - so wie im Märchen", sang einst Heintje in deutschen Wohnstuben und nicht am Ballermann. Das war Ende der 60er-Jahre. Da war die Welt noch in Ordnung und übersichtlich in West und Ost eingeteilt, man musste nicht "differenzieren", wie das jetzt ständig heißt. Entweder man hielt zu den Amis oder den Russen (Sowjetmenschen). Niemand widersprach bei Twitter oder nervte mit sogenannten Zwischentönen - auch nicht Heintje aus Holland. Der besang eine heile Welt in Reinform.

Meine Oma und meine Mutter mochten die Musik sehr gerne, was ich schräg fand, aber heute verstehe. "Ich bau dir ein Schloss" gehörte, falls ich keiner Fake News im Internet aufgesessen bin, zur Filmmusik von Teil zwei der Komödienserie "Die Lümmel von der ersten Bank". Den Jüngeren rufe ich zu: Lassen Sie sich nicht von "Lümmel" in die Irre führen, das ist kein Porno. Die dritten ARD-Programme zeigen die sieben Folgen ("must see") immer noch, obwohl die Serie alles andere als divers und queer ist und kein Rollstuhlfahrer im Mittelpunkt steht. Aber dafür gibt es ja den "Tatort".

Heintje gibt sein Bestes. Er singt nicht von einer Puffmama, sondern von einer "Mama", was allerdings nach heutigen Maßstäben auch nicht mehr politisch korrekt ist, da wir ja alle "austragendes Elternteil" zu einer Frau mit Kind sagen sollen, damit die Welt endlich besser wird. Die sogenannte Debatte über das sogenannte Verbot des Liedes "Layla" haben Sie natürlich mitbekommen. Darin wird eine Puffmama namens Layla als "schöner, jünger, geiler" gepriesen, was keiner mitbekommen hätte, wenn nicht irgendeinem Wissenschaftler aufgefallen wäre, dass der Text eine "schräge, unterbewusste Antwort auf die MeToo-Debatten der letzten Jahre" ist. Ich sag es ja immer wieder: Das Unterbewusste ist eine Drecksau!

Nicht nur gaga, sondern total gaga

Politisch korrekt wäre ein Text wie dieser: "Ich kenne zufällig eine Sexarbeiterin, die Layla heißt. Ich gehe nicht zu ihr, weil sie eine Betroffene aus Osteuropa ist, die als Zwangssexarbeitende ausgebeutet und wegen ihres Akzentes diskriminiert wird. Das dürfen wir nicht zulassen." Der Vorschlag stammt nicht aus meinem Unterbewusstsein. Hier ist Bewusstsein gefragt. Und Haltung.

Der Produzent von "Layla", Künstlername Ikke Hüftgold, hatte laut "Zeit" seinen "Durchbruch als Mallorca-Barde" 2014 mit dem Lied "Dicke Titten, Kartoffelsalat". Das interessierte damals niemanden, dafür war keine Zeit, da 83 Millionen Deutsche täglich gegen die Annexion der Krim demonstrierten. Der Text ist nicht nur gaga, sondern total gaga. "Wir sehen einen Wal - Auf in den Wahlkampf, scheißegal." Ist das wirklich das Land von Goethe, Schiller und Hüftgold? Ja, ist es. Der Herr Produzent schrieb in der "Zeit": "Eine Diktatur beginnt oft mit Zensur." Ich sage nur: "Eine Schule beginnt oft mit Zensuren." Alles furchtbar und furchtbar gefährlich.

"Layla" kommt nicht für den großen Zapfenstreich infrage, wenn König Olaf der Unklare und seine Ministerin für Selbstverteidigung, Christine Lambrecht, nach 16 erfolgreichen Jahren für Deutschland sowie einem wunderbaren Panzer-Ringtausch mit dem von Russland besetzten Baltikum den Staffelstab an Friedrich Merz weiterreichen. "The Boxer" von Simon & Garfunkel wäre sicher eher was für die beiden, man könnte es als Reminiszenz an Gazprom-Gerd verstehen, da es in dem Text heißt: "Ein Mann hört, was er hören will - und ignoriert den Rest." Wie komme ich auf "The Boxer"? Wegen des Refrains mit "lie-la-lie", auf Deutsch: lei-la-lei. Es hätte ja sein können, dass die Layla meinten und das Bordell kennen, in dem sie als Puffmutter arbeitet. Aber das ist eine steile These, die sich in der Recherche nicht bestätigt hat.

Das BAAINBw und 55 PDFs

"Bau mir ein Schloss" würde bestens zu Lambrecht passen. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr - das Kürzel lautet BAAINBw - hat eine Ausschreibung für Vorhängeschlösser gestartet. Sie glauben nicht, was darin alles steht. Auf der Webseite sind bei "Unterlagen zu dieser Ausschreibung" 55 PDFs zum Runterladen eingebettet. Alles ist haarklein beschrieben und manchmal mit lustigen Comic-Zeichnungen garniert. Wer den Zuschlag erhalten will, braucht eine Truppe Rechtsanwälte und andere Exoten, die das Deutsch entziffern können.

Bei der Verpackung der Schlösser ist einiges zu beachten.

Bei der Verpackung der Schlösser ist einiges zu beachten.

Es gilt einiges zu beachten, wenn ein Unternehmen den "Versorgungsartikel (VersArt) der Bw" liefern möchte: "Selbstkostenrichtpreise sind möglichst in Selbstkostenfestpreise gemäß § 6 Abs. 2 VO PR Nr. 30/53 umzuwandeln." Und natürlich: "Der VersArt (Packgut) ist zu reinigen, zu trocknen und entsprechend dem erforderlichen Materialschutz zu konservieren, einzuwickeln, abzupolstern und zu verpacken. Hierfür sind ausschließlich die in der Bundeswehr zugelassenen Reinigungs-, Trocken- und Konservierungsmittel sowie Einwickler, Polster-, Pack- und Packhilfsmittel einzusetzen."

Ganz wichtig: "Mit Ausnahme der lfdNr. 060 des Anhangs A ist beidseitige Verriegelung des Bügels vorgeschrieben und die Stärke der Verriegelungsbolzen muss so ausgeführt sein, dass maßlich mindestens 80 % des Bügeldurchmessers auf den Bügelkerben wirken." Allerdings: "Dies gilt nicht für den Tiefeneingriff in die Kerbe." Vielleicht noch wichtiger: "Jedem Schloss müssen zwei Schlüssel beigelegt sein."

"Zollfahndungsamt Stuttgart - auch ihr seid dabei!"

Zu der Ausschreibung gehört eine "Aufstellung der Bedarfsträger", darunter Feuerwehren, der Katastrophenschutz der Bundesländer und natürlich einige Bereiche der Bundeswehr. Ich habe mir vorgestellt, dass die zu Beglückenden in einer Live-Sendung am Samstagabend in der ARD vorgelesen werden, so wie in einer Familien-Show, etwa "Der Preis ist heiß". "Zollfahndungsamt Stuttgart - auch ihr seid dabei!". Eine Schalte in die Behörde zeigt Leute, die sich vor Glück in die Arme fallen. Die Moderatorin, nehmen wir Barbara Schöneberger, verkündet: "Oh je, ich bin schon 15 Minuten über der Zeit, die arme Carmen Miosga muss noch warten. Aber einen hab ich noch: Otto-von-Bismarck-Stiftung! Auch ihr seid dabei!"

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Bis der Auftrag vergeben ist, werden Jahre ins Land gehen, werden Soldaten, Zöllner und Feuerwehrleute alte Schlösser nutzen oder selbst welche kaufen, um ihre Spinde abzuschließen, wird die Otto-von-Bismarck-Stiftung zittern, weil sie ihre Schränke nicht verriegeln kann. Laut der Zeitung "Welt" liegt der prognostizierte Bedarf übrigens bei "bis zu 107.399 Schlössern". Schon diese exakte Zahl auszurechnen, hat sicher ein Jahr gedauert. Da wundert es nicht, dass die Bundeswehr in dem Zustand ist, den wir seit Jahren beklagen. Übrigens arbeiteten Ende April 10.510 Menschen in dem Bundesamt. Was die wohl alle machen?

Ich hadere oft mit meinem Job, bin nun aber froh, dass ich keine Fabrik für Vorhängeschlösser habe und nicht versuchen muss, die Unterlagen zu kapieren, um mich um den Auftrag zu bewerben. Und ich bin glücklich, dass es die Fortschrittskoalition gibt. Denn in deren Fortschrittskoalitionsvertag heißt es: "Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden." Und: "Überflüssige Bürokratie werden wir abbauen." Na dann: Baut mir ein Luftschloss!

Quelle: ntv.de

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