Beuten, Bienen und Honig Imkern kann man lernen
28.04.2019, 09:49 Uhr
Hunderttausende Imker kümmern sich in Deutschland um die Bienen.
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Bienen sind noch immer nicht so beliebt wie andere Tiere, aber das Imkern liegt im Trend. Was man wirklich über die kleinen Geschöpfe wissen muss, kann man nur von erfahrenen Bienenzüchtern lernen. Zu Besuch in einem Kleingarten in Berlin.
An einem Abend im April steht Martin Hammerschmidt* auf dem plattgetrampelten Gras in einem Kleingarten in Berlin-Charlottenburg und öffnet den Blechdeckel der Holzkiste, die vor ihm steht. Er ist zum vierten Mal in dieser Saison beim Imkerkurs. In der einen Hand hält er eine glimmende Zigarette, mit der anderen zieht er ein Holzrähmchen heraus. Darauf bauen die Bienen später ihre Waben. "Bei mir habe ich sechse davon zu stehen", sagt Hammerschmidt in breitem Berlinerisch.
Auf einer Brachfläche in einem Industriegebiet im Stadtteil Schöneberg hält er zwei solcher sogenannter Beuten. So nennen Imker die Behausungen für die Bienenvölker. Seitdem Hammerschmidt vergangenes Jahr im Lehrbienenstand in Charlottenburg das Imkern lernte, hat er Hochbeete auf seinem eigenen Grünstreifen angelegt und eine Wildblumenwiese gesät. Ein Garten speziell für die kleinen Geschöpfe, nur mit dem, was in der jeweiligen Jahreszeit blüht - gerade sind es Krokusse, Winterlinge und Schneeglöckchen.
Vier weitere Holzkisten stehen dort auch für die nächsten Bienenableger bereit. Aber noch ist es zu kalt, um einen Teil der Insekten umzusiedeln und seine Imkerei aufzustocken. Hammerschmidt hat den Reißverschluss seines Wollpullis unter der grünen Outdoorjacke bis unter das Kinn hochgezogen. Er ist 51 Jahre alt und will noch einiges über die Bienen lernen. Der allwöchentliche Imkerkurs ist ihm wichtig, um sich auszutauschen und zu erfahren, ob er alles richtig macht mit seinen Völkern.
Die Biene ist zu einem beliebten Tier geworden
In Deutschland hat die Anzahl derer, die wie Hammerschmidt in ihrer Freizeit imkern wollen, in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Der "Deutsche Imkerbund" geht davon aus, dass in den letzten zehn Jahren die Zahl der Imker um ein Drittel gestiegen ist. Inzwischen sind deutschlandweit rund 120.000 von ihnen registriert. Die Bienen seien von "enormem öffentlichen Interesse", Medien, Bevölkerung und Politik für das Bienensterben "sensibilisiert", heißt es. Experten fordern künftig einen verpflichtenden Wissens-Nachweis für Imker und wollen Mindeststandards für ihre Qualifikationen entwickeln.

In Bayern war das Volksbegehren zu den Bienen das erfolgreichste überhaupt.
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In Bayern war jüngst das "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen" das erfolgreichste, das es jemals im Freistaat gab. Über eine Million Bürger setzten sich für die Bienen und den Artenschutz ein, ihre Forderungen sollen nun Gesetz werden. Auch in Brandenburg wollen Umweltschützer jetzt ein Volksbegehren nach bayrischem Vorbild auf den Weg bringen. Die kleine Biene ist zu einem beliebten Tier geworden.
An diesem Abend sitzen um den ovalen Gartentisch rund ein Dutzend Bienenfreunde und lauschen den Worten von Hussein Kheir. Der erfahrene Imker und Besitzer des Charlottenburger Bienengartens kennt die kleinen Geschöpfe gut. Er hat ihr Sozialverhalten studiert, sich mit ihrer Biologie beschäftigt und weiß um die Krankheiten, die die empfindsamen Insekten befallen können. Der 61-Jährige mit den grauen Locken und dem rot-schwarz gestreiften Hemd gibt seit fünf Jahren Kurse für Menschen, die gern Bienen halten wollen. Jeden Mittwoch und Samstag unterrichtet er in dem Kleingarten an der Spree.
Mit dem Imkern lassen sich die Bienen nicht retten
Kheir bereitet die Jungimker an diesem Tag auf die ersten Monate der Bienensaison vor, die regulär im Frühjahr startet. Im April vergrößert sich in der Regel die Brut der Insekten. Die Imker müssen damit beginnen, ihre Königin auszumachen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist das Volk meist schon zu stark angewachsen, um die mächtigste aller Bienen im Stock zu finden. "Für euch heißt das nun bald mit der Durchsicht der Völker beginnen", sagt Kheir. Vor ihm sitzen überwiegend Männer in ihren Fünfzigern. Die meisten von ihnen haben zuvor noch keine Bienenbeute von innen gesehen oder einen Stockmeißel, das Universalwerkzeug des Imkers in der Hand gehabt. Etliche machen sich eifrig Notizen.
Das Wichtigste sei es, die Handgriffe zu vermitteln, sagt Kheir später in seiner Gartenlaube. Die Theorie lasse sich schließlich auch in Unmengen an Ratgebern und Bienenbüchern nachlesen. Kheir zeigt, wie man mit dem Stockmeißel vorsichtig die Bienenwaben aus der Beute löst oder die darauf noch verbleibenden Bienen mit dem Handbesen wegfegt, ohne sie dabei zu verletzen. Es geht auch darum, die Scheu vor den kleinen Tieren zu verlieren, die empfindlich zustechen können, es aber nur höchst selten tun. Er selbst hält noch eigene Völker in einem Garten in Berlin-Kladow. Dass man mit dem Imkern den Bienen aber nur Gutes tue oder sie gar vor dem Aussterben bewahren kann, glaubt Kheir nicht.
Er ärgert sich über bekannt gewordene Filme wie die 2012 erschienene Dokumentation "More than Honey" von Regisseur Markus Imhoof. In dem Film wird auf einen Satz verwiesen, den Einstein einst gesagt haben soll: "Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus." Kheir hält das für Unsinn. Viele Szenen in dem Film seien einfach übertrieben. Dass etwa chinesische Arbeiter auf Obstbäume klettern, um sie mit Wattestäbchen zu bestäuben, sei eine Folge von falscher Züchtung, meint Kheir. Imhoof hat mit dem Film viele Preise gewonnen.
Sterben Bienen wirklich aus?
Auch Umweltschützer beschäftigt das Sterben der Biene. Auf der Website von "Greenpeace" ist etwa die Rede davon, dass sich der Bestand "drastisch reduziert" und Imker "von einem Rückgang ihrer Bienenpopulationen" sprechen. Dabei fehlt es den Bienen vor allem an ausreichend Nahrung, sagen Artenschützer. Große Monokulturen und der hohe Einsatz von Pestiziden erschwere den Insekten zunehmend das Überleben in der freien Natur. Und wenn die Bienen sterben, dann habe das auch dramatische Folgen für den Menschen. Schließlich werden die arbeitsamen Tiere zur Bestäubung der Pflanzen gebraucht.
Auch bei Kheir melden sich immer wieder Teilnehmer an, die der Überzeugung sind, mit dem Imkern könnten sie die Bienen und die Welt retten. Die meisten von ihnen kämen aber nur die ersten ein, zwei Male zu seinem Kurs, sagt Kheir in seiner Gartenlaube. Mit dem Bienensterben sei es seiner Meinung nach wie einst in den Achtzigerjahren mit dem Sterben der Bäume. "Damals sprachen auch alle vom großen Waldsterben." Am Ende aber seien die Wälder nicht völlig verschwunden, kommentiert der 61-Jährige. Mit den Bienen sei das ähnlich. "Die Honigbiene ist nicht vom Aussterben bedroht", sagt er auch an diesem Abend zu seinen Bienenschülern. "Die Wildbiene aber schon."
Unter dem Verschlag im Garten hat sich ein kleiner Halbkreis um ihn gebildet. Kheir hat sich schwarze Arbeitshandschuhe übergestülpt und hält eines der Holzrähmchen in die Luft. Die ersten Monate der Saison sind auch für den Frühjahrsputz wichtig. Die Rähmchen, die nicht mehr stabil genug sind, müssen aus den Beuten herausgeholt und ersetzt werden. Von den übrigen muss der restliche Honig entfernt werden. Kheir hält auch eine Kiste für Ableger für alle sichtbar nach oben. Eine Jungimkerin sorgt sich, dass bei ihr bald ein "Bienenschwarm abgehe". Nach den Wintermonaten können die Völker auf das Dreifache anwachsen und aus bis zu 50.000 Tieren bestehen. Ein Teil der Bienen muss dann umgesiedelt werden, damit sie nicht ausschwärmen, erklärt Kheir. Denn in der freien Natur könnten sie sich nicht behaupten.
Das erste Glas Honig aus eigenem Anbau
Den kleinen Geschöpfen ergeht es dann wohl ähnlich wie den Wildbienen. Zwar gibt es kaum belastbare Zahlen oder Studien zu deren Vorkommen, aber es zeichne sich ab, dass es künftig bald weniger als die derzeit 500 Arten an Wildbienen gebe, sagt Dr. Saskia Wöhl. Sie ist die stellvertretende Leiterin des "Fachzentrums für Bienen und Imkerei" in Mayen, das seit 2002 regelmäßig die Bienenstöcke in Deutschland überprüft. Wöhl zufolge ist es daher am sinnvollsten, von einem "Insektensterben" zu sprechen. Schließlich gäbe es noch mehr Bestäuber wie beispielsweise Fliegen, Käfer und Schmetterlinge. Die Bestände der Honigbiene - das haben die Erhebungen des Fachzentrums ergeben - haben sich in den letzten 15 Jahren nicht signifikant geändert. "Die Honigbiene stirbt nur, wenn es keine Imker mehr gibt", sagt Wöhl.

Nach den Wintermonaten können die Völker auf bis zu rund 50.000 Bienen anwachsen.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Martin Hammerschmidt hat erst vergangene Woche in seine Beuten geschaut. Es waren die ersten warmen Tage des Jahres. In der kalten Jahreszeit müssen die Holzkisten geschlossen bleiben, sonst sind die Bienen in Gefahr. "Bei mir ist alles gut gegangen", sagt er. Alle beiden Völker haben die Wintermonate überlebt. Oft macht die Kälte den Insekten zu schaffen oder das Futter reicht nicht aus. Zudem können die Bienen auch von Krankheiten wie der Amerikanischen Faulbrut befallen werden oder von der Varroamilbe, die unter Imkern besonders gefürchtet ist. Ein Veterinärmediziner hat die Völker von Hammerschmidt bereits nach Krankheiten untersucht. Aber seine Bienen sind alle gesund.
Viele der Hobbyimker sind wegen der hohen Mortalitätsrate besonders in den Wintermonaten zögerlich, viel Geld in die Bienen zu stecken. Imkern ist ein teures Hobby. Hammerschmidt hat mittlerweile rund 1200 Euro dafür ausgeben. Allein eine einzige Beute mit Böden und Honigräumen kann rund 350 Euro kosten. Hammerschmidt ist trotzdem nach dem allwöchentlichen Imkerkurs immer gleich am darauffolgenden Tag in einen der Imkerläden der Stadt gefahren und hat sich dort etwa Stockmeißel oder Schutzkleidung gegen die Bienenstiche besorgt. Auch eine Honigschleuder hat Hammerschmidt mittlerweile. Denn spätestens Anfang Juni will er sein erstes Glas eigenen Honig in der Hand halten.
*Der Name wurde von der Redaktion geändert.
Quelle: ntv.de