
Eltern haben Angst, dass "Fortnite" ihre Kinder computersüchtig macht.
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Wenn das eigene Kind stundenlang vorm Bildschirm hockt und nur noch von Stürmen und Festungen spricht, ist es eindeutig im "Fortnite"-Fieber. Was tun? Erlauben, einschränken oder ganz verbieten? Das fragen sich viele besorgte Eltern.
Ein Stakkato aus Maschinengewehrschüssen. Kurz drauf basslastige Techno-Klänge. Diese eher ungewöhnlichen Geräusche aus dem Kinderzimmer dürften die meisten Eltern mittlerweile nur allzu gut kennen. Das Kind sitzt wieder einmal vor dem Computer und ballert sich munter und ausdauernd mit Dutzenden Altersgenossen durch eine virtuelle Insellandschaft.

Am Frühstückstisch, in den Pausen, vorm Schlafengehen: Einige Jugendliche haben Schwierigkeiten, mit dem Spielen aufzuhören.
(Foto: imago/Westend61)
"Fortnite: Battle Royale" heißt das Spiel, das zurzeit viele Eltern Sorgen macht. Der vergangenes Jahr erschienene Shooter ist bei Jugendlichen so beliebt wie aktuell kein zweites Spiel und wird von Erwachsenen und Medien kontrovers diskutiert. "Fortnite" ist in Deutschland ab 12 Jahren freigegeben und zudem in der Grundversion kostenlos erhältlich. Nur einer der Gründe, warum es viele Minderjährige für sich begeistert.
Das bereitet vielen Eltern Kopfzerbrechen. Zumal viele Berichte in den Medien ein eher negatives Licht auf das neue Hobby des Nachwuchses werfen. ProSieben sprach in seiner "Newstime" von einem "wilden Gemetzel", das die Schulhöfe erreiche, der "Stern" titelte: "Das Spiel, das eure Kinder alle spielen, solltet ihr verbieten". Gibt es also tatsächlich Grund zur Panik?
"Darf dein Kind auch …?"
Die Angst von Eltern, dass ihre Kinder sich in virtuellen Welten verlieren, dort mit Gewalt konfrontiert und schließlich computersüchtig werden, ist nichts Neues. Schon zu Zeiten von "World of Warcraft", "Counter-Strike" und "Minecraft", versuchten Mütter und Väter mit allen Mitteln, ihre Kinder von den heimischen Bildschirmen wegzuholen. Und auch heute berichten sie über immer fantasievollere Verstecke für Controller oder Tablets, kreative Passwörter für Kindersicherungen und gekappte Internetverbindungen. Auf Elternabenden fragen sich verunsicherte Mütter und Väter: "Darf dein Kind auch …?"
Der Psychologe Leonard Sax rät in der US-amerikanischen Zeitschrift "Psychology Today" dringend davon ab, "wie die Lemminge zu erlauben, was andere Eltern auch erlaubt haben". Sie müssten den Mut aufbringen, ihren Kindern zu sagen: Das ist nicht gut für dich. Statt "Fortnite" bräuchten Heranwachsende sozialen Kontakt, körperliche Bewegung und ausreichend erholsamen Schlaf. Zudem sieht der Arzt bei unter 18-jährigen Spielern die Gefahr, gegenüber Gewalt abzustumpfen.
Doch ein Verbot ist gar nicht so leicht umzusetzen - und meist auch nicht zielführend. Die Kinder spielen dann oft heimlich auf dem Handy oder bei Freuden. Zudem ist es fraglich, ob "Fortnite" tatsächlich einen so negativen Einfluss bei Jugendlichen hat, wie Sax schreibt. Denn die Darstellung von expliziter Gewalt ist im Spiel minimal. Im Comic-Stil hüpfen die Spieler über eine bunte Insel, die eher an eine Märchenlandschaft als an ein Schlachtfeld erinnert. Auch wenn es das Ziel von "Fortnite" ist, aufeinander zu schießen, um so Gegner auszuschalten, geschieht das sehr realitätsfern. Blut fließt keins. Und niedergeschossene Feinde werden einfach wegteleportiert.
Vertrauensbasis schaffen
Auch die Medienpädagogen von der nordrhein-westfälischen Initiative "Spieleratgeber" sehen die vorhandene Gewalt gegen andere Spieler als nicht überspitzt dargestellt. Zwar könnten "empfindliche Jugendliche durch das nervenaufreibende Gameplay überfordert sein", heißt es auf der Internetseite. Eine Verrohung gegenüber Gewalt würde das Spiel aber eher nicht fördern. Problematisch seien hingegen vor allem die möglichen In-App-Käufe. Diese könnten Kinder und Jugendliche dazu bringen, "schnell ihren Geldbeutel zu öffnen", schreiben die Pädagogen.
Die Initiative aus NRW rät besorgen Eltern, in die Welt ihrer Kinder einzutauchen und einfach mitzuspielen. Sie sollten sich nicht von negativen Berichterstattungen in den Medien beeinflussen lassen, sondern dem Freizeitinteresse ihres Nachwuchses grundlegend unvoreingenommen gegenüberstehen. Auch der Forscher Andrew Reid von der Glasgow Caledonian University empfiehlt Eltern, "selbst 'Fortnite' zu spielen, um zu erkennen, was die Kinder daran interessiert. So kann man die Sprache der Kinder sprechen und ist mit ihnen auf einer Wellenlänge."
Das gemeinsame Festsetzen von Regeln und eine klare Zeitvorgabe sind ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Für 11- bis 13-Jährige geben die Experten von "Spieleratgeber" als groben Richtwert 60 Minuten am Tag an. Außerdem sollten Eltern unbedingt vermeiden, Computerspiele als erzieherisches Druckmittel zu nutzen. Spiele wie "Fortnite" dürften weder zur Belohnung noch zur Bestrafung eingesetzt werden, denn dadurch erhielten sie ungewollt einen hohen Stellenwert im Alltag der Kinder.
Quelle: ntv.de