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Zum 70. Geburtstag Leslie Mandoki: "Wir müssen viel mehr rebellieren!"

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Bleibt neugierig und interessiert an seinem Gegenüber: Leslie Mandoki.

Bleibt neugierig und interessiert an seinem Gegenüber: Leslie Mandoki.

(Foto: dpa)

Musiker, Rebell, Optimist, Vater, Ehemann, Freund, Brückenbauer, forever young: So könnte man Leslie Mandoki in wenigen Worten treffend beschreiben. Wenn man etwas mehr Zeit hat, dann gibt es auch noch etwas mehr zu sagen über den Mann, der nun 70 wird und sich fühlt wie 30. Ein Tusch.

Wir treffen uns auf dem Dach eines Hotels in Berlin, in dem er immer absteigt, wenn er in der Hauptstadt ist. Die Aussicht ist fantastisch, es ist kurz vor Weihnachten und irgendwie liegt etwas Friedliches in der Luft. Es kann aber auch gut möglich sein, dass das die Wirkung meines Gesprächspartners ist, denn der hat immer etwas Gutes im Ärmel: Leslie Mandoki sieht die Welt durch die Augen eines Kindes, denke ich manchmal. Aber damit würde man ihm nicht gerecht werden, denn Mandoki ist alles, nur nicht kindlich-naiv. Aber eben so dermaßen neugierig - auf das Leben, auf die Menschen, auf die Musik.

Unglaublich, dass dieser Mann jetzt 70 wird. "Ich fühl' mich nicht so", sagt er. Das nehme ich ihm sofort ab, denn das Programm, das er an den Tag legt, ist nicht das eines typischen 70-Jährigen. Aber was ist schon typisch 70? Und was ist schon typisch für Leslie Mandoki? "Du, ich werde übrigens nicht einfach nur 70", lacht er mich an und fährt in seiner unnachahmlich bayrisch-ungarischen Art fort: "Mein Red-Rock-Studio wird 40 und meine Band, die Soulmates werden 30." Das stimmt, und wenn Leslie Mandoki am 7. Januar - "endlich wieder nach Corona" - eine große Sause in München feiert, dann kommen die Freunde nicht nur, um den Geburtstag des ehemaligen Dschinghis-Khan-Bandmitglieds zu feiern.

Unter den Freunden könnten Musiker-Größen wie Lionel Richie, Phil Collins, Udo Lindenberg ("Bin froh, Teil seiner Bunten Republik zu sein"), Chris Thompson (Manfred Mann's Earth Band), Bobby Kimball (Toto), John Helliwell (Supertramp), sein Mentor Klaus Doldinger oder Till Brönner sein. Wirtschaft, Politik, Kunst, Kultur - Leslie Mandoki hat in der ganzen Gesellschaft Freunde, in Deutschland und überall auf der Welt. Er ist ein Brückenbauer. Apropos Brücke, sein Nachbar vom Starnberger See, der Maffay Peter, "auch so ein Immigrant wie ich", schaut sicher auch beim Geburtstag vorbei.

Mit Barry Gibb und Udo Lindenberg.

Mit Barry Gibb und Udo Lindenberg.

(Foto: dpa)

Sie alle kommen, weil dieser Mann so irre sympathisch ist, weil man - und frau - einfach gern in seiner Nähe ist, und weil er etwas geschafft hat, was leider nur die wenigsten schaffen: sich unter nicht so günstigen Startbedingungen eine Karriere aufzubauen. Damit kokettiert er ein bisschen, und gleichzeitig meint er das auch wirklich ernst, wenn er sagt, dass ihm damals einfach Leute geholfen haben, denen er bis heute dankbar ist. Die haben gefragt, was er werden will, er hat gesagt: Musiker, und dann ist er Musiker geworden. Darauf ist er "a bissl stolz". Und wünscht sich, dass man denen, die heute in Deutschland ankommen, auch individueller helfen könnte. Er war an der Grenze zur Ukraine, als der Krieg begonnen hatte, und er wird nicht müde, seinen alten Freund Gorbatschow zu zitieren, der sagte, dass ihm 1000 erfolglose Stunden Verhandlung lieber sind als ein einziger Toter. Es ist das einzige Mal, dass Mandoki etwas ratlos wirkt, wenn er auf den Ukraine-Krieg angesprochen wird.

"Ich bin eigentlich noch in meinen 30ern"

Als er als junger Mann nach Deutschland kam, tat er das auch, weil er seinem Vater versprochen hatte, dass dessen Enkel in Freiheit und ohne Zensur aufwachsen werden. Mandoki ist natürlich nicht einfach so nach Deutschland gekommen, er ist geflohen. Sein Heimatland Ungarn war zu dem Zeitpunkt nicht das, was er sich für seine Zukunft vorgestellt hatte. Er war 22, als er mit zwei Freunden zu Fuß durch den Karawankentunnel vom damaligen Jugoslawien nach Österreich floh und von dort weiter nach Deutschland. Sie kamen in ein Zentrallager für Asylbewerber bei Stuttgart. Er erinnert sich, dass er sich bereits damals in das Land verliebt hat und dass er nach einer beruflichen Phase in Amerika wieder zurückkam, damit seine drei inzwischen erwachsenen Kinder in Deutschland aufwachsen können.

Leslie Mandoki ist eine treue Seele, man kann es nicht anders sagen: Seit Jahrzehnten mit der Ärztin Eva verheiratet, immer interessiert an den Leben und Geschichten der anderen, muss ich ihn jetzt fragen, wie es ist, 70 zu werden, denn es gibt ja keine Alternative, wenn man nicht tot sein will: "Es ist einfach nur unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht. Mir kommt es so vor, als wäre ich noch in meinen 30ern." Und tatsächlich wirkt es so, als rocke er mühelos und stundenlang die Bühne: Seine Tournee ab September hat keine Pausen zwischen den Auftritten.

Dschinghis Khan wurden von Ralph Siegel produziert.

Dschinghis Khan wurden von Ralph Siegel produziert.

(Foto: picture alliance / Istvan Bajzat)

Sind viel Arbeit und die Liebe zur Musik also vielleicht der Schlüssel zu einem langen Leben? "Ich weiß, es klingt, als wollte ich angeben, aber ich habe nun mal die gleiche Energie wie früher. Es hat sich da nicht so viel verändert." Außerdem verfügt der Mann mit dem ikonischen Dschinghis-Khan-Schnäuzer über beste Gesundheit - er war noch nie beim Zahnarzt (!) - und er liebt es, Kanu zu fahren: auf seinem geliebten Starnberger See oder in der Nähe seines Elternhauses in Ungarn, wo er auf der Donau paddelt.

Musiker, Vater, Ehemann, Rebell

Mit Tochter Julia.

Mit Tochter Julia.

Mandoki war letztes Jahr nach langer Pause wieder in Budapest mit seinen Soulmates, Open Air, knackevoll, und mit einigen Weltstars an seiner Seite. In seiner alten Heimat zu spielen, bedeutet ihm viel: "Ich werde meinem Geburtsland immer verbunden sein, und natürlich geht es nicht spurlos an mir vorbei, dass es kompliziert ist zwischen den Deutschen und den Ungarn." Aber er findet Streit konstruktiv und hofft am Ende auf eine Lösung, die einen Konsens in den Gesellschaften herstellt. Er, der alte Rebell, steht jedenfalls parat, für Gespräche und weitere musikalische Ideen.

Was am spannendsten an Leslie Mandoki ist? Neben der jahrzehntelangen Karriere, für die er sehr dankbar ist, fällt sein ewiger Optimismus auf, die Welt zu einem besseren Planeten machen zu wollen. Weg von der Gier, hin zu mehr Achtsamkeit. Mandoki hätte gut nach Woodstock gepasst, aber obwohl er dort nicht war, glaubt er noch immer an die Utopie einer positiven, friedlichen Revolution. Bei einem Gespräch, das wir in der Corona-Zeit hatten, es muss ein Zeitfenster zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown gewesen sein, bereitete es ihm schon Sorge, dass die Gesellschaft sich immer mehr spaltet und die Egomanen es den Toleranten unmöglich machen, miteinander zu leben. Mit seiner Musik versucht er immer wieder, die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Werte sind ihm wichtig - etwas, das er an seiner deutschen Wahlheimat so sehr schätzt.

Was wünscht sich Leslie Mandoki zum Geburtstag außer Frieden, einen ordentlichen Pegel im Starnberger See und funktionierenden Paddeln? Mandoki ist zwar Optimist, aber eben auch ein ewiger Rebell. Deswegen ist er auch der Meinung, dass Musiker - und bekannte Menschen überhaupt - auf Missstände aufmerksam machen sollten. "Wir alle müssen viel mehr rebellieren", wünscht er sich daher. Damit meint er nicht, sich an Autobahnausfahrten anzukleben oder Kunstwerke mit Tomatensoße zu bewerfen. Und deswegen liebt er seine Soulmates auch so sehr: Nicht nur, weil sie fantastische Musiker sind aus erfolgreichen Bands, sondern weil sie bunte Individuen sind, jeder Hautfarbe, jeder Herkunft, jeden Alters, die für das nötige Licht am Ende des Tunnels sorgen. Ihre Gemeinsamkeit ist die Musik. Wir alle sollten Musiker werden! Und Rebellen.

Quelle: ntv.de

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