Unterhaltung

Frankfurter Rassismus-"Tatort" Singende Nazis und ein Dada-Chef

Nimmt den tatverdächtigen Drogendealer in die Mangel: Kommissar Brix (Wolfram Broich, l.)

Nimmt den tatverdächtigen Drogendealer in die Mangel: Kommissar Brix (Wolfram Broich, l.)

(Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)

Die Überschrift ergibt für Sie so gar keinen Sinn? Sie haben keine Ahnung, wo wir mit diesem Text wohl hinwollen? Sehr gut, dann sind Sie jetzt genauso verwirrt wie wir. Schuld daran ist ein "Tatort", der alles will und kaum etwas schafft.

Die Drehbuchautoren der beliebtesten deutschen Krimiserie müssen sich bei der Auswahl ihrer Stories zurzeit - zumindest gefühlt - zwischen zwei Spannungsfeldern entscheiden: den Gefahren der digitalen Revolution und der Flüchtlingsthematik in all ihren Facetten. Nachdem sich der letzte Frankfurter "Tatort" erst vor wenigen Wochen an Big Data abarbeitete, sind nun unvermeidbarerweise wieder Flüchtlinge an der Reihe - diesmal allerdings flankiert von singenden Nazis und dadaistischen Polizeichefs.

Motiviert seine Leute am liebsten mit dadaistischen Gedichten: der neue Chef Fosco Cariddi (Bruno Cathomas, r.)

Motiviert seine Leute am liebsten mit dadaistischen Gedichten: der neue Chef Fosco Cariddi (Bruno Cathomas, r.)

(Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)

"Land in dieser Zeit" heißt der neueste Fall von Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich), der dem geneigten Zuschauer die vielen verschiedenen Formen präsentieren soll, mit denen sich Rassismus in diesem unseren Deutschland manifestiert. Und das sind bekanntlich eine ganze Menge: Da ist der gar nicht so gemütliche Opa, den die Afrikaner vor seinem Kiosk stören, Dealer oder nicht; da gibt es den scheinbar rund um die Uhr geöffneten Naziclub mitten in der Frankfurter Altstadt, in dem verdeckte Ermittler nur einmal laut am Tresen "Heil Hitler" schreien müssen, um sich selbst erfolgreich einzuschleusen; und, quasi als krasser Gegenpol, intellektuelle und sehr blonde Chordamen, die absolut nichts von der "Vermischung der Ethnien" halten.

Ein Potpourri aus platten Klischees

Aufhänger der Geschichte ist allerdings ein Mord, von dem nicht ganz klar ist, ob er überhaupt einer ist: Unbekannte fackeln einen Friseursalon per Molotow-Cocktail ab, in den Flammen stirbt eine junge Angestellte. Die ständig sehr, sehr wütende Kollegin der Toten heißt Vera (Jasna Fritzi Bauer) und ist genau wie die Tochter des Kioskbesitzers von nebenan fest davon überzeugt, dass die Schuld bei den afrikanischen Drogendealern von der Straßenecke zu suchen ist. Zu fest für Brix' und Jannekes Geschmack, die nach und nach eine rechte Verschwörung aufdecken.

Das klingt nun alles erstmal nicht so wahnsinnig komplex, ist aber dermaßen fragmentiert erzählt, dass man sich zu Recht fragen muss, ob es wirklich eine gute Idee ist, das Drehbuch auf gleich drei Autoren zu verteilen. "Land in dieser Zeit" mag gut gemeint sein, versucht aber, mit einem Potpourri aus platten Klischees Stereotypen aufzulösen, was logischerweise gewaltig in die Hose geht. Das fängt bei tiefschürfenden Erkenntnissen an ("Es gibt weiße Kinderschänder und es gibt schwarze Kinderschänder") und gipfelt schließlich in einer Szene, in der drei dialektsprechende Sauftouristen eine Hidschab-Trägerin mitten in der belebten Frankfurter Altstadt verprügeln. Die beiläufige und völlig unmotivierte Gewalt soll wohl schockieren, wird aber so platt serviert, dass sie unfreiwillig komisch wirkt - unschön.

Absolut unkomisch und völlig deplatziert wirken auch die diversen Slapstickeinlagen und ein merkwürdiger Sinn für Situationskomik: Durch die Luft fliegende Akten waren das letzte Mal wann genau lustig? Ganz zu schweigen vom neuen Polizeichef Fosco Cariddi (Bruno Cathomas), der am laufenden Band Ernst Jandls Dada-Gedichte rezitiert - und den diversen Gesangseinlagen, die so viel Fremdschämpotenzial bergen, dass der Finger am Programmknopf der Fernbedienung nervös zu zucken beginnt. Geben Sie der Versuchung ruhig nach: Dieser "Tatort" ist es echt nicht wert.

Quelle: ntv.de

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