Unterhaltung

Die Erotik des Geldes "Uli Hoeneß - Der Patriarch"

Gerichtsszene: Thomas Thieme als Uli Hoeneß (M.), Hanspeter Müller-Drossaart als sein Verteidiger Hans Feigen.

Gerichtsszene: Thomas Thieme als Uli Hoeneß (M.), Hanspeter Müller-Drossaart als sein Verteidiger Hans Feigen.

(Foto: ZDF / Janett Kartelmeyer)

Der tiefe Fall des Uli Hoeneß - für die Filmemacher ein gefundenes Fressen. Keine eineinhalb Jahre nach seinem Haftantritt kommt nun ein Doku-Drama über den Ex-Bayern-Boss ins Fernsehen. Das Resultat: Gute Inszenierung, wenig Erkenntnisse.

Das Schlimmste könnte für Uli Hoeneß schon bald überstanden sein. Bei guter Führung kann er darauf hoffen, im März 2016 wieder auf freiem Fuß zu sein. Dann hätte er die Hälfte seiner Haftstrafe von dreieinhalb Jahren, zu der er am 13. März 2014 wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, hinter sich gebracht.

Der "echte" Uli Hoeneß - hier bei einem Spiel der Basketballer des FC Bayern am 17. April 2015 - genießt bereits Hafterleichterungen.

Der "echte" Uli Hoeneß - hier bei einem Spiel der Basketballer des FC Bayern am 17. April 2015 - genießt bereits Hafterleichterungen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Doch schon jetzt genießt der ehemalige Präsident des FC Bayern München diverse Hafterleichterungen. Seit Anfang 2015 ist er im offenen Vollzug. Er arbeitet offiziell als "Assistent der Abteilungsleitung Junior Team" bei den Bayern, verbrachte Weihnachten und Silvester 2014 zu Hause und darf wohl derzeit auch häufig am Wochenende die Nächte bei seiner Familie verbringen. Und vielleicht hat Hoeneß ja sogar die Chance, am Donnerstagabend fernzusehen.

Thomas Thieme macht den Hoeneß

Wenn er dann das ZDF einschaltet, sieht er sich selbst. Nun ja, nicht ganz. Denn in dem Doku-Drama "Uli Hoeneß - Der Patriarch", das Regisseur Christian Twente für den öffentlich-rechtlichen Sender inszenierte, schlüpft Schauspieler Thomas Thieme in die Rolle der Titelfigur. Und das macht der renommierte Theater-Darsteller ausgesprochen gut. Jedenfalls aus Sicht des außenstehenden Betrachters. Ob sich wohl auch Uli Hoeneß gut getroffen fühlt?

Vielleicht wird sich der heute 63-Jährige irgendwann in Zukunft einmal dazu äußern. Ebenso wie zu den Einschätzungen seiner Person, die in dem Film zur Sprache kommen. Twente mischte für seine Aufarbeitung des Falles Hoeneß Spielszenen mit realen Bewegtbild-Schnipseln aus vergangenen Tagen, in denen Hoeneß in Fußballspielen, Interviews, Talkshow-Auftritten oder anderen Filmbeiträgen zu sehen ist. Und er befragte reihenweise Personen, die dem Manager mehr oder weniger nahe stehen und standen: Gerichtsreporter, Biografen, Jugendtrainer, Historiker, Journalisten, Psychologen und Finanzexperten. Frühere Funktionärskollegen wie Schalke-04-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, Ex-Bayer-Leverkusen-Geschäftsführer Reiner Calmund oder der ehemalige Werder-Bremen-Manager und Hoeneß-Intimfeind Willi Lemke kommen ebenso zu Wort wie Sportreporter Waldemar Hartmann oder etwa der einstige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude.

Beobachtung aus der Distanz

Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Thieme und Hoeneß ist nicht von der Hand zu weisen.

Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Thieme und Hoeneß ist nicht von der Hand zu weisen.

(Foto: picture alliance / dpa)

So immens die Fülle an Personen ist, die zur Erklärung des Falles Hoeneß in der Dokumentation herangezogen werden, so groß ist allerdings auch das wesentliche Manko des Films: An das wirklich unmittelbare Umfeld des Steuersünders mit Weltmeister-Titel kam Twente nicht heran. Kein einziger der FC-Bayern-Granden - ob Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge oder der heutige Vereinspräsident Karl Hopfner - wollte offenbar Rede und Antwort stehen, kein früher unter Hoeneß dienender Trainer, von Mitgliedern seiner Familie mal ganz zu schweigen, wollte etwas sagen.

Dementsprechend bleibt auch nach den knapp 90 Minuten, in denen "Uli Hoeneß - Der Patriarch" nicht nur den Prozess gegen den Ex-Bayern-Boss aufrollt, sondern sich auch an einer Charakterisierung der Hauptperson versucht, vieles nur schemenhaft. "Dieser Film basiert auf wahren Begebenheiten und wortgetreuen Mitschriften der Prozessbeobachter", leitet Twente seine Dokumentation ein und arbeitet sich anschließend handwerklich durchaus gut an den Mitschriften ab. Einzig, es fehlt der Input aus der realen Lebenswelt und direkten Umgebung von Hoeneß, um tatsächlich einen größeren Erkenntnisgewinn aus dem Streifen mitzunehmen. Das Tohuwabohu um Hoeneß' Börsenpoker, seine Steuerhinterziehungen, die Selbstanzeige und die genauen Summen, um die es vor Gericht eigentlich ging, hat der durchschnittliche Girokonto-Besitzer schließlich auch am Ende des Films nicht vollständig begriffen. Es waren 27,2 Millionen Euro, oder? Mit Soli aber 28,5 Millionen Euro, richtig?

Sucht und Schuld

Den etwas jüngeren Uli Hoeneß verkörpert im Film Robert Stadlober.

Den etwas jüngeren Uli Hoeneß verkörpert im Film Robert Stadlober.

(Foto: ZDF / Janett Kartelmeyer)

So sorgen letztlich nur zwei Aspekte beim Betrachter für einen gewissen Aha-Effekt. Erstens, wie tief Hoeneß offenbar in seinen Hang zur Zockerei an den Finanzmärkten wirklich verstrickt war. Immer hätte er an seinem Pager gehangen, berichten mit Calmund und Lemke diejenigen, die zu den glaubwürdigsten Zeugen in der Dokumentation zählen - nicht obwohl, sondern gerade weil sie einst seine direkten Konkurrenten im Fußball-Geschäft waren. Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger zitiert mit Egidius Braun einen seiner Vorgänger in dem Amt mit den Worten, Hoeneß habe geradezu "ein erotisches Verhältnis zu Geld". Und "Waldi" Hartmann plaudert aus, dass sich die einstige FC-Bayern-Lichtgestalt die Börsen-Symbole Bulle und Bär gar als Mosaik auf dem Boden seines Pools verewigen ließ.

Das alles klingt nicht nur nach "Sucht", der Begriff fällt in der Dokumentation auch ganz konkret. In diversen mit Thomas Thieme nachgestellten Szenen wird Hoeneß ebenfalls als Süchtiger dargestellt, der seinen Trieb im Spiel mit den Millionen nicht mehr kontrollieren kann. Eine Sucht-Krankheit als Entschuldigung für Steuerhinterziehung? Soweit geht der Film dann allerdings doch nicht. Daran, dass Hoeneß durchaus schuldhaft gehandelt hat und zu recht verurteilt wurde, kommt kein Zweifel auf.

Schon eher lässt die Dokumentation einen an der allgemeinen Relation der in ihr sprechenden Personen zu Geld zweifeln. Denn das beschert einem, zweitens, ein weiteres Aha-Erlebnis. "Nur" rund drei Millionen Euro Steuerhinterziehung, wie bei Hoeneß anfangs noch angenommen, sei schon schlimm, so der allgemeine Tenor. Aber 28,5 Millionen Euro sprenge dann doch jede Dimension. Drei Millionen Euro? Das verdient der durchschnittliche Girokonto-Besitzer sein ganzes Arbeitsleben lang nicht, geschweige denn, dass er dies an Steuern zahlen würde oder verschleppen könnte. Auch das sprengt somit schon längst jede Dimension. Nicht nur der Fall Hoeneß, sondern auch diese Dokumentation zeigt wieder mal: Die Maßstäbe sind in bestimmten Kreisen vollkommen verrückt.

Quelle: ntv.de

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