"Das kann ich also auch nicht" Markus Lanz tut Buße
06.10.2013, 10:57 Uhr
Das Lachen ist ihm noch nicht vergangen: Markus Lanz.
(Foto: dpa)
Es ist beinahe so eine Herkulesaufgabe, wie gegen Wladimir Klitschko zu boxen. Nachdem Markus Lanz und das ZDF "Wetten, dass..?" zuletzt auf die Bretter geschickt hatten, wollen sie den Unterhaltungs-Koloss wieder aufrichten. Beim Comeback nach der Sommerpause wird eines klar: Lanz weiß, dass er angezählt ist.
Der Schlüsselmoment war, als Markus Lanz versuchte, über ein paar senkrecht aufgestellte Fettstifte zu balancieren. Es schien, als überlegte er kurz, ob er Harrison Ford nicht bitten sollte, die Schwierigkeit der "Kinderwette" zu demonstrieren. Dann entschied er sich jedoch geistesgegenwärtig, den Stargast außen vor zu lassen und selbst die Aufgabe zu übernehmen. "Ich hab's in der vergangenen 'Wetten, dass..?'-Saison sehr viel mit Fettnäpfchen versucht - das ist mir gelungen", geißelte sich der Moderator selbst, während er seinen Fuß auf die Fettstift-Schar setzte. Als er schon beim zweiten Schritt strauchelte und in Fords rettende Arme fiel, entfuhr es ihm: "Das kann ich also auch nicht. Sehr gut. Läuft."
Man hätte für dieses spontane Markus-Evangelium kein besseres Drehbuch schreiben können. Wäre ein Junge zu der Wette angetreten, er hätte wahrscheinlich Paulus geheißen. So aber war es die 12-jährige Paula aus Mecklenburg-Vorpommern. Geübt hatte sie für ihren Balance-Akt - logisch - in einer Kirche. "Weil Beten hilft?", fragte Lanz sie rhetorisch. Die unglückliche Antwort darauf gab ihm das Mädchen wenige Augenblicke später: Auch sie scheiterte leider auf halber Strecke an den teuflischen Fettstiften.
Dass Beten allein ebenso wenig hilft, um "Wetten, dass..?" aus der Misere zu führen, ist den Verantwortlichen wohl spätestens nach dem Mallorca-Desaster wie Schuppen von den Augen gefallen. Neuer Redaktionsleiter und neues Sofa, dafür keine Cindy aus Marzahn und keine "Lanz-Challenge" mehr - so lauteten einige der Korrekturen, mit denen man die angeschlagene Arche der öffentlich-rechtlichen Samstagabend-Unterhaltung wieder flott machen wollte. Nur die Lanz-Äußerung, man sei sich einig, "dass wir an der einen oder anderen Stelle etwas zu mutig waren", klang da ziemlich pharisäisch. Man kann es, zur Hölle aber auch, ebenso unumwunden auf den Punkt bringen: Die eine oder andere Stelle - zum Beispiel die feuchte in Gerard Butlers Schritt - war schlicht und ergreifend unterirdisch.
Aber mit der ersten Show nach der Sommerpause in Bremen sollte ja nun alles besser werden. Und siehe da: Sogar noch vor seiner Erleuchtung im Angesicht von ein paar Fettstiften gab sich Lanz demonstrativ geläutert. "Erlauben Sie mir noch kurz eine persönliche Bemerkung", eröffnete er die Sendung, nachdem ihn das Publikum ausgiebig gefeiert hatte. Die mittlerweile mehr als 30 Jahre währende "Liebesbeziehung" zwischen dem Publikum und "Wetten, dass..?" sei "einmalig" im deutschen Fernsehen. Doch wie in jeder derart langen Ehe, könne es da auch mal krachen und ein Partner "so wie wir auch nochmal in so eine verspätete zweite Pubertät" geraten. "Wir haben das alles verstanden", trat Lanz einen Gang nach Canossa an, der in dieser Form wohl nicht minder einmalig im deutschen Fernsehen ist.
"Sag du's mir"
Deshalb jetzt Schluss mit diesem Kanon. Auch weil man dem Moderator und seinem Team attestieren muss, dass sie sich in Bremen redlich bemühten, ihren salbungsvollen Worten auch Taten folgen zu lassen. Nicht nur in der Szene mit Ford bei der "Kinderwette" fand Lanz endlich zu einem angemessen-sensiblen Umgang mit dem internationalen und heimischen Star-Ensemble auf der Couch, zu dem auch die Sängerinnen Cher und Helene Fischer sowie die Schauspieler Sylvester Stallone, Matthias Schweighöfer, Ruth Maria Kubitschek und Anja Kling gehörten. Auch sonst war zu spüren, dass die Macher der Show tatsächlich in sich gegangen sind. "Sag du's mir", sagte Kling zu Lanz, als er sie fragte, was denn ihr Wetteinsatz sein solle. Noch vor wenigen Wochen hätte er ihr womöglich ungefragt ein paar Eiswürfel in den Ausschnitt gekippt.
In menschelnden Einspielfilmen erfährt man von den Wettkandidaten nun unter anderem auch, wie ihre Freundinnen aussehen, dass sie Salsa tanzen und sich von ihrem potenziellen Gewinn wahlweise eine Einbauküche (Vater) oder einen Haufen Schuhe (Tochter) kaufen würden. Hier ließ man sich offenbar ebenso vom Privatfernsehen inspirieren wie beim überarbeiteten Design mit Drall zu Neonlichtern, Videoleinwänden und grafischem Schnickschnack. Auch wenn mancher Stammseher des ZDF, der mit dem Zweiten nicht mehr ganz so gut sieht, da vielleicht erst einmal mit der Fernbedienung die Farbintensität nach unten regulieren möchte - "Wetten, dass..?" steht dieser modernere Anstrich äußerst gut zu Gesicht.
Nach wie vor wünschen würde man sich indes, dass Lanz seine Freude an Superlativen der Marke "spektakulär" und "sensationell" ein wenig drosselt und etwas seltener den neurotischen Charmeur gibt. Wenn einem ein menschliches Ersatzteillager und Tuschkasten wie Cher gegenüber sitzt, muss man schließlich nicht in Schmeicheleien verfallen, wie "grandios" sie doch aussähe. Zumal dann nicht, wenn einem, umgehend nachdem die Sängerin die Bühne verlassen hat, im Gespräch über Kubitschek schon wieder Sätze über die Lippen kommen wie: "Da ist jemand, der so ist, wie die Natur ihn geschaffen hat - das ist ja nicht immer so."
Kein K.o.

Öffneten mit einer Walze Bierflaschen und wurden so zu Wettkönigen: Annalena und Reinhard Will.
(Foto: dpa)
Dennoch: Über weite Strecken gelang es dem Moderator, die Trumpfkarte, die er als erfahrener Talkmaster hat, nun endlich auch mal bei "Wetten, dass..?" auszuspielen. So schaffte er es nicht nur, sogar einen schwierigen und latent missmutigen Gesprächspartner wie Harrison Ford einigermaßen bei Laune zu halten. Er konnte auch Cher fragen, ob sie mal was mit Jimi Hendrix gehabt hätte oder sich bei Stallone erkundigen, ob er denn mit seiner tiefen Stimme früher mal als Barry White gearbeitet habe, ohne dass es peinlich wurde.
Anstatt sich wie zuletzt bei "Wetten, dass..?" für die Gäste fortwährend fremdzuschämen, konnte man sich an diesem Samstagabend tatsächlich weitgehend schmerzfrei über Aufmerksamkeitserreger der anderen Art amüsieren. Seien es die Wetten, die vom neuartigen Eierlauf über mysteriöse iPad-Schmierereien bis zur Straßenwalze, die Bierflaschen öffnet, reichten. Oder sei es Chers geradezu züchtige Klamotten-Wahl, Klings gewagtes Pyjama-Dress und die durch Heiserkeit fast bis zur Unkenntlichkeit ruinierte Stimme von Außenreporter Elton. Dass man den einstigen "Show-Praktikanten" in die Bütt schickte, just nachdem sein Mentor Stefan Raab auf Mallorca Lanz noch die Show gestohlen hatte - Respekt.
Nein, der beste aller Showmaster wird Markus Lanz trotz des starken Aufwärtstrends in Bremen wohl nie. Die Idee, ihm eine Assistentin an die Seite zu stellen, die ihn mit der gebotenen Lockerheit unterstützt, sollte deshalb nicht ad acta gelegt werden. Die zumindest vorübergehende Rückkehr von Michelle Hunziker, die damit ihren Wetteinsatz aus der Mallorca-Ausgabe einlösen soll, steht ja noch aus. Vielleicht bekommt die Sendung dann den noch nötigen Schliff.
Und vielleicht sehen dann auch wieder ein paar mehr Menschen zu. Dass Wladimir Klitschko "Wetten, dass..?" diesmal eine schwere Harke verpassen würde, war von Vornherein klar. Just als "Rocky" Stallone und Schweighöfer zu einem Duell an einer Kirmes-Box-Bude antraten, prügelte sich "Dr. Steelhammer" in Moskau und bei RTL durch die letzten Runden mit Alexander Powetkin. So wie Lanz das Quoten-Duell erwartungsgemäß klar verlor, so unterlag der Russe deutlich im Kampf. Allerdings nach Punkten und nicht durch K.o. Auch Lanz könnte wieder aufstehen. Es stimmt ja nicht, dass er nichts kann. Amen.
Quelle: ntv.de