
Der Berliner Tiergarten - ein beliebtes Naherholungsgebiet, aber auch mit vielen dunklen Ecken.
(Foto: imago images/Westend61)
... dann verarbeitet Rainer Grebe etwas: Dinge, die ihm selbst passiert sind, Ereignisse, die sein Leben prägten, Zeitgeschichte, das, was ihm gerade durch den Kopf geht. Dass er erst so spät anfing, ist nicht verwunderlich - er hatte vorher in seinem Leben als Nicht-Autor einfach genug zu tun.
Rainer Grebe hat nicht schon immer Bücher geschrieben, er ist ein Spät-Berufener. Dafür schreibt er nun mit ganzer Leidenschaft. Vor ein paar Jahren erst hat er damit begonnen: "Das hängt sicher mit meiner Geburt zum Ende des Zweiten Weltkriegs und den historischen Ereignissen in den Jahren danach zusammen", erzählt er ntv.de. Er fängt es an, Begebenheiten und Ereignisse aufzuschreiben. Nicht in Tagebuchform, sondern eher als Trauma-Bewältigung. "So würde ein Psychologe das vermutlich einordnen", sagt der 80-jährige Berliner. Irgendwann dann traut er sich, ermuntert durch Leute, die seine Art zu schreiben kannten, ein Manuskript bei einem Verlag einzureichen. "Daraus, und weil ich zunehmend begriffen habe, welche Möglichkeiten uns die Sprache eröffnet, hat sich dann das bewusste Schreiben von Büchern entwickelt."
2018 erscheint sein erster Roman, "Lebensabschnitte", den er auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt hat. Wegen Corona kann vieles seit fast zwei Jahren nicht mehr stattfinden, auch 2022 wird Grebe nicht in Leipzig lesen können. Derzeit ist es sowieso schwer, "und wenn, dann wollen die meisten Veranstalter nur Lesungen mit bereits bekannten Autoren durchführen." Das kann sich ja ändern! Denn Grebe schreibt und schreibt und schreibt. Und immer haben seine Bücher einen Bezug zu echten Fällen.
In seinem zweiten Krimi, "Tödliches Schweigen", geht es um den Missbrauch von Kindern durch katholische Geistliche am Canisius-Kolleg. "Das Thema Missbrauch begleitet mich seit meiner eigenen Schulzeit, es gab immer wieder Andeutungen von Mitschülern, die man aber nicht so recht einordnen konnte. Oder wollte." Später dann, als seine Töchter auf dem Gymnasium waren und Rainer Grebe sowohl als Elternvertreter in einigen Gremien als auch als Volleyballtrainer in den Hallen unterwegs war, wurde es mehr. "Wenn man jedoch nachfragte, Genaueres wissen wollte, zogen sich die Angesprochenen sehr schnell wieder zurück, ihnen war das Thema, wie den meisten Mitmenschen, unangenehm. Keiner wollte sich festlegen." Als die Fälle am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich wurden, war das jedoch wie eine Bestätigung seiner jahrelangen Vermutungen. Grebe setzte sich an den Schreibtisch und legte los.
Sein aktuelles Buch, "Die Toten vom Tiergarten", ist der dritte Band, in dem Kommissar Kramer ermittelt. War Kramer im ersten Krimi, "Das Gold der Ruinen", noch mit den Verbrechen der Nazis, die weit über das Ende des Zweiten Weltkrieges hinaus ihre Wirkung zeigten, beschäftigt, ist der Kommissar nun in den Sechziger Jahren angekommen. Die Sechziger Jahre und das alte West-Berlin faszinieren den Autor, weil es die Zeit ist, in der er, wie er sagt, durch die Ereignisse des Jahrzehnts schneller erwachsen wurde, als das wohl unter "normalen" Umständen der Fall gewesen wäre. Zudem wollte er Verbrechen und Kriminalfälle dieser Jahre aufgreifen.
Kommissar Kramers neue Fälle
In seinem neuen Krimi geht es um den Mord an einer Prostituierten im Tiergarten aus dem Jahr 1966. Unmittelbar nach diesem Verbrechen geriet einer der bekanntesten Berliner Schauspieler - Dieter Hallervorden, damals dreißig Jahre jung - in Verdacht und sorgte für entsprechende Schlagzeilen in den West-Berliner Zeitungen. Hallervorden bestritt damals nicht, mit der Prostituierten gesprochen zu haben, und auch das Auto, ein roter Citroen, passte auf Hallervorden. Zeugenaussagen stellten sich jedoch bald als falsch heraus und der Verdächtige wurde entlastet. Dass Hallervorden lange um seinen Ruf kämpfen musste, kann man sich denken.
Darüber hinaus geht es in diesem dritten Band aber um zwei weitere, wichtige Fragen: Kann allein die Disposition eines Menschen, seine Verhaltensbereitschaft, ihn zu einem Mörder werden lassen? Und: Wird es Kommissar Kramer, der sich eigentlich in einer glücklichen Lebensphase befindet (verheiratet mit seiner Kollegin Maggie, Vater einer kleinen Tochter, Haus im grünen Bezirk Frohnau) gelingen, seinen offenkundigen Realitätsverlust zu überwinden und das verlorene Vertrauen ins Leben und die Gerechtigkeit wieder zurück zu gewinnen?
Aus der ursprünglichen Idee, einen Kriminalroman zu schreiben, sind dann also drei Bücher entstanden. "Vermutlich haben Kramer und sein Team in meinen Gedanken ein gewisses Eigenleben entwickelt", lacht Grebe. Sieht doch ganz danach aus, als ob Kramer in Zukunft noch weitere Fälle lösen muss. Übrigens - der Mord an der Prostituierten Louise Nährlich, der als "Lustmord vom Tiergarten" in die Geschichte einging, wurde nie aufgeklärt.
Quelle: ntv.de