Kino

Bradley Cooper in "American Sniper" Der beste Scharfschütze der USA

160 Abschüsse von Chris Kyle sind offiziell bestätigt - es sind mehr als bei jedem anderen Scharfschützen in der US-Geschichte. Clint Eastwood hat mit "American Sniper" nun dessen Autobiografie verfilmt. Ein Antikriegsfilm ist es nicht.

Einen sensationellen Kinostart hat "American Sniper" in den USA hingelegt. Die Kosten spielte das Kriegsdrama bereits am ersten Wochenende locker wieder ein und es ist mittlerweile der Film mit den höchsten Einnahmen, den Regisseur Clint Eastwood je gedreht hat - in einer nicht gerade kurzen Karriere.

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Mit Taya gründet Kyle eine Familie, die durch die Kriegseinsätze starken Belastungen ausgesetzt ist.

(Foto: 2014 Village Roadhsow Films (BVI) Limited, Warner Bros. Entertainment Inc. and Ratpac-Dune Entertainment LLC)

Einige Experten waren überrascht wegen dieses Erfolges. Doch nicht nur sechs Oscar-Nominierungen halfen dem Film an den Kinokassen. Auch das Weltbild, das der Film vermittelt, dürfte eine große Rolle gespielt haben. Chris Kyle ist in den USA eine Berühmtheit, vor allem in konservativen Kreisen. Seine Autobiografie war ein Bestseller, er ist hochdekoriert, in seiner texanischen Heimat gibt es sogar einen Chris-Kyle-Tag. Denn Kyle ist der Scharfschütze mit den meisten bestätigten Abschüssen in der Geschichte der USA. Es sind 160.

Waffenvernarrtheit und Patriotismus

Mit "American Sniper" verfilmt Eastwood nun Kyles gleichnamige Autobiografie. Der Scharfschütze wird von Bradley Cooper gespielt, der sich die Filmrechte an dem Buch gesichert hatte und für den Oscar nominiert war. Bei der Verleihung wurde der Film allerdings weitgehend ignoriert. Das Thema ist nun mal kontrovers. Man muss Kyle nicht mögen, seine Waffenvernarrtheit, seinen Patriotismus - beides hat in Europa einen ganz anderen Stellenwert.

Reißerisch ist "American Sniper" aber nicht, eher kühl, zumindest zu Beginn. Der Film arbeitet sich ohne große Umschweife an Kyles Biografie ab. Schon am Anfang wird deutlich, dass er ein Mann mit übergroßem Beschützerinstinkt ist. Als 1998 US-Botschaften in Afrika von Islamisten angegriffen werden, genießt er gerade das wilde Leben als moderner Cowboy. Doch im Angesicht der toten US-Amerikaner meldet er sich freiwillig bei den Navy Seals, absolviert die harte Ausbildung und danach vier Einsätze im Irak. Schon bald wird er nur noch "Legende" genannt.

Wild-West-Duell im Nahen Osten

Kyle sieht sich als Hütehund, im Gegensatz zu den arglosen Schafen und den bösen Wölfen - dieses Weltbild hat ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben oder besser: eingebläut. Genau wie er ihm das Jagen beibrachte. Er bereue nicht einen getöteten Gegner, sagt Kyle im Film später zu einem Psychiater, aber er bereue all jene Kameraden, die er nicht beschützen konnte. Er ist das Auge, das aus dem Hintergrund die eigenen Truppen beobachtet und Gefahren beseitigt. Er erschießt Männer, Frauen, Kinder - im Film wiederholen sich diese Szenen immer wieder. Alle Erschossenen werden zuvor als Täter dargestellt, die es auf US-Soldaten abgesehen haben. Kyle ist der Chirurg, der mit gezielten Schüssen die Bösen trifft. Und nur die Bösen.

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Immer wieder begegnet Kyle einem gegnerischen Scharfschützen.

(Foto: 2014 Village Roadhsow Films (BVI) Limited, Warner Bros. Entertainment Inc. and Ratpac-Dune Entertainment LLC)

Der Film ist streng aus der amerikanischen Soldatensicht erzählt. Das ist einseitig, man könnte auch sagen: naiv. Denn alle Iraker sind hier blutrünstige Kämpfer, hinterhältige Guerillas. Unschuldige Zivilisten gibt es nicht. Das wird besonders deutlich an zwei Figuren, die immer wieder auftauchen: einerseits ein Islamist, der wegen seiner Brutalität "Der Schlächter" genannt wird - der Film zeigt etwa, wie er ein Kind mit einer Bohrmaschine traktiert. Andererseits gibt es einen gegnerischen Scharfschützen, der sich ein Fernduell mit Kyle liefert, ein Wild-West-Duell im Nahen Osten, Gut gegen Böse.

Eastwood selbst hält sein Werk trotzdem für einen Antikriegsfilm, der zeige, wie Krieg Familien zerstöre. Tatsächlich gibt es diese Szenen. Etwa wenn Kyle aus einem Einsatz heraus seine schwangere Frau Taya (Sienna Miller) anruft, die dann mit anhört, wie die Truppen beschossen werden und sich zu Tode ängstigt. Oder wenn Kyle zwischen den Einsätzen zu Frau und Kindern zurückkehrt, sich aber nur schwer an das zivile Leben gewöhnen kann. Es sind intensive, schmerzliche Szenen. Doch sie bleiben eine Randnotiz, verglichen mit der Darstellung der "Legende" im Einsatz.

Der Legende erlegen

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Kyle im Einsatz: Bradley Cooper wird im Laufe des Films immer massiger.

(Foto: 2014 Village Roadhsow Films (BVI) Limited, Warner Bros. Entertainment Inc. and Ratpac-Dune Entertainment LLC)

Die Auswahl der gezeigten Lebensstationen macht den Film zu einer unkritischen Heldengeschichte. Betont werden die packend inszenierten Kriegseinsätze, Kameradentum und Heldenmut. Dass Kyle mehrmals verwundet wurde, ist kein Thema. Auch seine psychischen Probleme während der Heimaturlaube werden immer kürzer abgehandelt.

Cooper macht seine Sache allerdings gut. In nur minimalen, stoischen Gesten spielt er den Mann, der auf der Lauer liegt und Menschen ins Fadenkreuz nimmt - das passt zu einem Weltbild, in dem die irakischen Gegner als Barbaren gelten. Später scheinen auch die inneren Verletzungen durch die immer rauere, bärtigere und muskulösere Fassade. Cooper glänzt durch seine physische Präsenz. Je mehr Einsätze vergehen, desto massiger und schroffer wird er, desto kühler erledigt er seinen Job. Desto mehr schotten sich übrigens auch die Soldaten im Irak ab - das ist einer der wenigen Hinweise, die auf das größere Bild dieses Krieges verweisen.

Von Ex-Soldat erschossen

Dass Kyle nach Ende seiner Militärzeit am seelischen Abgrund stand, skizziert der Film nur sehr kurz. Dass er eine Sicherheitsfirma gründete, spielt gar keine Rolle. Dafür wird gezeigt, dass sich Kyle um traumatisierte Veteranen kümmerte. Auch das passt ins Heldenbild. Das Engagement wird ihm zum Verhängnis: 2013 wird er von einem traumatisierten Ex-Soldaten erschossen. Dieser wurde nun zu lebenslanger Haft verurteilt, ohne Aussicht auf eine frühzeitige Entlassung.

Doch Kyles Tod wird gar nicht mehr gezeigt im Film. Als dieser endet, hat der Scharfschütze schon den Nimbus des Helden inne. Die beobachtende Distanz zur Hauptfigur hat der Film da längst aufgegeben. Er zeichnet ein stark vereinfachtes Bild des Irakkrieges, wird der Realität nicht gerecht. Dafür hätte Eastwood mehr Stimmen zu Wort kommen lassen müssen, mehr Perspektiven aufzeigen müssen, die Kyles schwarz-weißes Weltbild ins rechte Licht rücken. Stattdessen lässt er die Präsenz seiner Hauptfigur und dessen Einsätze sprechen. So erliegt der Film der "Legende" und hinterlässt einen bitteren, unangenehmen Beigeschmack.

"American Sniper" startet am 26. Februar in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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