Kino

"Eden" von Ron Howard "Wir spüren wieder etwas Bedrohliches am Horizont"

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Erfüllte sich mit "Eden" einen langgehegten Traum: Ron Howard.

Erfüllte sich mit "Eden" einen langgehegten Traum: Ron Howard.

(Foto: IMAGO/APress)

Ron Howard ist einer der renommiertesten Regisseure Hollywoods. Von seinen frühen Erfolgen als Schauspieler in "Happy Days" bis hin zu seinen oscarprämierten Regiearbeiten wie "A Beautiful Mind" und "Apollo 13" hat er oft bewiesen, was für ein guter Geschichtenerzähler er ist. Zuletzt im Kino lief mit "Thirteen Lifes" ein Film von Howard über die wahre Geschichte einer in einer thailändischen Höhle verschütteten Jugend-Fußballmannschaft. In seinem neuen Film "Eden" widmet er sich mal wieder einer realen Begebenheit. Bei der sogenannten "Galapágos-Affäre" treffen 1934 mehrere Auswanderer auf der Insel Floreana aufeinander, um sich fernab der Zivilisation ein neues Leben aufzubauen, was dramatisch scheitert.

Im Interview mit ntv.de spricht der 71-jährige Howard über seine Faszination für diese Geschichte, die Herausforderungen der Produktion und darüber, warum das Ganze heute aktueller denn je ist.

ntv.de: Was hat Sie an der Geschichte der "Galapagos-Affäre" so fasziniert, dass Sie daraus einen Film machen wollten?

Ron Howard: Der Stoff bot viele spannende Elemente: faszinierende Charaktere und eine Kollision von Persönlichkeiten, die zugleich unterhaltsam, lustig, tragisch und auch sexy war. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, das Publikum filmisch an einen Ort zu entführen, der bei vielen Neugier weckt. Solche Gelegenheiten suche ich als Regisseur immer. Die Geschichte entwickelt sich auf natürliche Weise zu einem Mysterium, das bis heute ungelöst ist - auch wenn es nicht schwerfällt, zwei oder drei mögliche Szenarien zu entwerfen, was passiert sein könnte. Es ist ein düsterer Stoff, aber das Publikum ist heutzutage offener für solche Geschichten. Es hat lange gedauert, bis ich den Mut hatte, diesen Film zu machen, weil er so anders ist als alles, was ich bisher gemacht habe. Ich war mir nicht sicher, ob die Zuschauer diese Geschichte überhaupt sehen wollten. Umso glücklicher bin ich, dass wir sie jetzt mit den Menschen teilen können - denn es war keineswegs selbstverständlich, dass der Film es ins Kino schaffen würde.

Sie haben sich für das Drehbuch Noah Pink dazu geholt. Inwieweit waren Sie ab diesem Moment noch selbst an der Entwicklung beteiligt?

Ich habe zunächst versucht, es selbst zu schreiben, weil kein Studio diese Geschichte entwickeln wollte. Es ist keine geradlinige amerikanische Unterhaltung, und das ist immer noch das, wonach die Studios am meisten suchen. Wenn ein Studio für ein Drehbuch bezahlt hätte, würden sie es besitzen und hätten vielleicht den Mut, es zu entwickeln, aber nie tatsächlich zu produzieren. Also beschloss ich, es selbst zu machen. Eine Weile schrieb ich nur etwa drei Seiten pro Jahr, weil ich zu beschäftigt war, aber ich hatte eine gute Gliederung und glaubte an die Geschichte. Als Noah meine Gliederung las, sagte er: "Lass mich noch mehr recherchieren." Er schrieb es dann sehr schnell. Wir haben es komplett außerhalb des Systems entwickelt. Als wir sein Drehbuch hatten und ich sah, dass Schauspieler darauf ansprachen, bekam ich plötzlich den Mut und wir konnten das Geld unabhängig auftreiben.

War Streaming für diesen Film keine Option? Haben Sie beispielsweise mit Netflix, Apple TV oder Disney+ gesprochen?

Diese Gespräche hat es durchaus gegeben, aber ich habe mir wirklich eine Kinoauswertung gewünscht - und die Schauspieler ebenfalls. Die Streaming-Anbieter waren jedoch nie so überzeugt von dem Film, dass sie bereit gewesen wären, das zu tun, was sie manchmal machen - nämlich das Doppelte zu zahlen. Sie haben den Film einfach nicht in dieser Kategorie gesehen. Ich bin aber dankbar, dass sich alles so entwickelt hat, wie es jetzt ist.

Als Sie mit dem Cast sprachen - kannten alle die wahre Geschichte hinter der Filmidee?

Nein, nur Felix hatte schon einmal davon gehört. Dieser Stoff hat bereits mehrfach das Interesse von Filmemachern geweckt. Hans (Zimmer) erzählte mir sogar, dass Nicolas Roeg (u.a. Regie bei "Wenn die Gondeln Trauer tragen" - Anm.d.Red.) ihm spät in seinem Leben sagte, er wolle diese Geschichte verfilmen, es aber nicht mehr schaffte. Ich glaube, es gab auch einmal eine schwedische Firma, die ein Drehbuch dazu entwickelt hatte. Mit Daniel (Brühl) sprach ich darüber, als wir Pressearbeit für "Rush" machten. Er kannte die Geschichte damals nicht, aber ich sagte zu ihm: "Du bist vielleicht ein bisschen zu jung für Hans Wittmer, aber ich würde sehr gerne wieder mit dir arbeiten. Wenn es passiert, lasse ich es dich wissen." Es hat dann zehn Jahre gedauert, aber schließlich hatte ich ein Drehbuch für ihn.

Wer ist denn Ihre persönliche Lieblingsfigur auf der Insel?

Was hier nach Urlaub aussieht, wird ganz schön stressig.

Was hier nach Urlaub aussieht, wird ganz schön stressig.

(Foto: IMAGO/Landmark Media)

Ich kann mich am besten mit den Wittmers identifizieren, weil sie eine Familie sind und ich selbst ein Familienmensch bin. Besonders fasziniert hat mich, wie sich die Beziehung zwischen Ritter und Dora entwickelt hat. Jude (Law) und Vanessa (Kirby) sind so kreativ, intelligent und neugierig, dass sie diese Beziehung ständig weiterentwickelt haben. Gemeinsam mit Noah und mir wurde ihre Dynamik immer spannender - sie wurde sexy, seltsamer und überraschender. Und natürlich ist die Baroness eine unglaublich bemerkenswerte Figur. Ich musste Ana (de Armas) ein wenig überreden, diese Rolle anzunehmen, weil sie als Person dieser Frau überhaupt nicht ähnelt. Aber sie ist bereit, Risiken einzugehen - sie war ja auch bereit, Marilyn Monroe zu spielen, und hat das großartig gemacht.

Gedreht wurde vor allem in Australien. Ich nehme an, wegen der besseren Infrastruktur?

Richtig. Alle Dialogszenen wurden in Australien gedreht. Wegen der Infrastruktur dort und den Kosten für Dreharbeiten auf den Galapágos-Inseln. Die Einschränkungen auf den Galapagos machten es fast unmöglich. Es gibt dort kaum etwas - nur ein kleines Hotel und ein weiteres kleines Hotel. Wir wussten nicht, wie wir dort hätten leben und arbeiten können. Es ist im Grunde ein Naturschutzgebiet, man ist sehr eingeschränkt in dem, was man dort tun kann. Australien hat eine großartige Infrastruktur, Steuergutschriften und andere Förderungen.

Und die passende Natur.

Exakt. Bill Connor, der Produzent, war der erste Regieassistent des Films. Wir flogen zu den Galapágos-Inseln, zusammen mit Noah. Dann flogen wir zu den Kanarischen Inseln, weil wir bei "Im Herzen der See" dort waren, aber dort war es nicht richtig und zu überfüllt. Wir hatten "Thirteen Lives" schon an der Gold Coast gedreht, also versuchten wir es dort und fanden innerhalb von drei Tagen im Grunde alle Drehorte, die gut zu dem passten, was wir auf den Galapagos gesehen hatten. Es war nur alles etwas zu grün, weshalb wir in der Kinematographie viel von diesem Grün abschwächen mussten. (lacht)

Lassen Sie uns über Daniel Brühl und Felix Kammerer sprechen. Die Auswanderer auf der Insel Floreana waren Deutsche und Österreicher. War das auch ein Grund dafür, dass Sie die zwei in der Besetzung haben wollten?

Das war ein Vorteil, und auch der Kameramann ist Deutscher - Mathias Herndl. Wir haben für die Fernsehserie "Genius" schon zusammengearbeitet. Er hat die Staffel über Einstein damals gefilmt und auch einige Folgen inszeniert. Auch Hans Zimmer war ein großer Befürworter dieses Films, schon seit mehreren Jahren. Mir gefiel die Idee, einige Deutsche um mich zu haben, fast wie technische Berater aus kultureller Sicht, die uns helfen, den richtigen Ton zu treffen. Auch wenn ich denke, dass es eine sehr universelle Geschichte ist und so etwas in jeder Kultur passieren könnte, wollte ich nicht übersehen, dass die deutsche Mentalität und Kultur dargestellt werden musste.

Es ist heute noch ein Mysterium, was genau auf der Insel passiert ist. Wie viel basiert auf den bekannten Fakten und wie viel ist reine Interpretation?

Die meisten bekannten Fakten werden im Film dargestellt, der Rest basiert auf Vermutungen. Wir haben uns bemüht, die grundlegenden, allgemein akzeptierten Tatsachenberichte zu nutzen und darauf unsere eigenen Hypothesen aufzubauen. Letztendlich haben wir uns für eine der möglichen Lösungen des Mysteriums entschieden. Als wir selbst auf der Insel waren und mit den Menschen dort sprachen, hörten wir viele verschiedene Theorien. Einige davon haben wir versucht nachzuverfolgen und zu recherchieren. Wir arbeiteten auch mit einem Experten in Köln zusammen, der sowohl zu Ritter als auch zu Margaret und Heinz Nachforschungen anstellte. Was wir sicher wissen, ist, dass es acht Personen gab, von denen vier nicht überlebten. Warum wurden sie nicht gefunden? Was könnte passiert sein? Es gibt nur wenige logische Möglichkeiten - und unsere Interpretation ist eine davon.

Es gab neulich ein Special Screening in Berlin, aber das war nicht die erste Gelegenheit, bei der Sie den Film mit Publikum sehen konnten. Ist das trotzdem immer wieder besonders und aufregend?

Wir testen unsere Filme immer und haben auch bei diesem mehrere Testvorführungen durchgeführt. Eine davon fand in Toronto statt, und dort passierte etwas Seltsames: Direkt nach der Geburtsszene erlitt eine Frau im Publikum einen Schlaganfall. Zum Glück hat sie überlebt, aber der Film musste für 20 Minuten unterbrochen werden. Viele Zuschauer verließen den Saal, und wir dachten schon, das war's - sie kommen nicht zurück. Doch dann kehrten alle zurück, und der Film lief weiter. Interessanterweise habe ich das Gefühl, dass der Film bei der Vorführung in Berlin und auch bei einer anderen, die ich vor ein paar Monaten hatte, anders wahrgenommen wurde - obwohl nur fünf Monate dazwischenliegen. Das hat meiner Meinung nach viel mit der aktuellen politischen Lage zu tun.

Wäre es eine Option für Sie, mit Ihrer Familie auszuwandern? Gerade angesichts der aktuellen Lage in den USA scheint das ja trotz der Ereignisse auf Floreana verlockend ...

Ich glaube nicht, dass das für uns eine Option wäre. Meine Frau und ich sind eher der Meinung, dass man bleiben und versuchen sollte, Probleme zu lösen. Das Interessante an der heutigen Zeit ist, dass wir - abgesehen von Krisenherden wie Syrien, der Ukraine oder Gaza - in einer Art existenzieller Angst leben. Wir spüren, dass etwas wirklich Schreckliches passieren könnte, aber es ist noch nicht ganz eingetreten. Dennoch haben wir das Gefühl, dass wir etwas tun sollten. Manche Menschen verlassen die USA, und wenn man "Off the Grid" googelt, gehört das seit Jahren zu den meistbesuchten Themen im Internet. Es ist definitiv etwas, das viele Menschen beschäftigt. Was Heinz, Margret und Ritter erlebten, war jedoch eine ganz andere Realität. Sie hatten das Gefühl, dass die Welt tatsächlich zusammengebrochen war. Sie hatten es erlebt - sie litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Ritter war ein Opfer des Grabenkriegs, und die Weltwirtschaftskrise hatte überall ihre Spuren hinterlassen. Ihre Erfahrungen waren von einer harten, unmittelbaren Realität geprägt. Wir hingegen befinden uns noch in einer Phase, in der wir wieder etwas Bedrohliches am Horizont spüren - etwas, das sich für viele Menschen nicht richtig anfühlt. Gleichzeitig gibt es aber auch Menschen, die genau das fordern. Diese Gegensätze sind extrem destabilisierend.

Mit Ron Howard sprach Nicole Ankelmann

"Eden" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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