"Niemand sollte Mitleid haben" Glaubst du noch an die Liebe, Kylie?
13.04.2018, 16:04 Uhr
Everybody's darling: Kylie Minogue.
(Foto: Simon Emmett / Darenote Ltd.)
Manche nennen "Golden" ein "Trennungsalbum". Schließlich verarbeitet Kylie Minogue darauf auch ihr jüngstes Beziehungs-Aus. Mit n-tv.de spricht die Sängerin aber nicht nur über die Liebe, sondern auch über das Berghain, Country-Musik und ihr Image als "Geili Kylie".
n-tv.de: Vor rund drei Wochen haben Sie Ihr neues Album "Golden" im Berliner Club Berghain vorgestellt. Wie war das für Sie?
Kylie Minogue: Oh ja, das war der letzte Auftritt im Rahmen unserer kleinen Tour zur Vorstellung des Albums. Es war toll - und sehr aufregend!
Das Berghain ist ziemlich berühmt-berüchtigt. Würden Sie in so einen Club auch privat gehen?
Keine Ahnung. Als ich da war, wurde ich auf jeden Fall ein bisschen herumgeführt. Und das hat schon neugierig gemacht. (lacht)
Für die Arbeit an Ihrem neuen Album sind Sie dagegen in die US-Country-Metropole Nashville gereist. Wie kam es dazu?
Wir wollten einen Country-Einfluss auf dem Album haben. Ich habe erst sechs Monate lang versucht, das in London umzusetzen - ziemlich erfolglos. (lacht) Das hat mich schließlich nach Nashville geführt. Erst von da an machte das Konzept wirklich Sinn. Nashville war unglaublich! Ich befand mich dort auf einer zweiwöchigen Mission, im Juli - es müssen um die hundert Grad gewesen sein. (lacht) Ich arbeitete mit großartigen Songschreibern zwei stringente Sechs-Tage-Wochen.
Trotzdem ging es in zwei Wochen dann doch ziemlich schnell ...
Ja, ich kam an einem Sonntag an, um am Montag mit der Arbeit loszulegen. Am Sonntagabend traf ich mich mit ein paar Freunden und ich erinnere mich, wie es mir da noch durch den Kopf schoss: "Bitte, gib mir nur einen Song. Oder zwei oder drei. Das wäre toll!" Ich war ... nicht verzweifelt. Obwohl: Vielleicht war ich ein bisschen verzweifelt. (lacht) Aber ich dachte mir: Wenn es mir in Nashville nicht gelingt, das Fundament für das Album zu legen, dann gelingt es mir nirgendwo. Und es ist mir gelungen! Am Ende waren es drei Songs!
Hatten Sie zuvor schon einen Hang zur Country-Musik?

Für ihr neues Album holte sich Minogue Inspiration in Nashville.
(Foto: Simon Emmett / Darenote Ltd.)
Nein, nicht wirklich. Okay, mit den größten Country-Künstlern habe ich mich schon befasst: Dolly (Parton, Anm. d. Red.), Kenny (Rogers), Willie (Nelson) ... Kylie. (lacht) Nein, ich bin natürlich keine Country-Sängerin. Nachdem ich mich für diese Färbung des Albums entschieden hatte, ging es für mich darum, den richtigen Grat zwischen diesen Einflüssen und dem, was mich ausmacht, zu finden - damit es nicht aufgesetzt wirkt.
Im Berghain haben Sie natürlich viele Ihrer neuen Songs gesungen, aber auch einige ältere wie etwa "Hand On Your Heart" von Ihrem zweiten Album oder "Breathe" aus den 90er-Jahren. Können Sie sich rückblickend noch mit allem, was Sie in Ihrer Karriere gemacht haben, identifizieren?
Auf die eine oder andere Art schon, ja. Natürlich gibt es Songs, die ich nicht selbst geschrieben habe und die so gesehen nicht von meinem Herzen kommen. Trotzdem habe ich ja meine Geschichte mit diesen Songs - weil ich sie oft gehört, aufgenommen und in die Welt entsandt habe. Aber klar, einiges liegt 30 Jahre zurück. Und mein Blick darauf ist heute ein anderer als damals.
Sie sind als Künstlerin ja auch wirklich einen weiten Weg gegangen: von Ihren Anfängen mit dem Produzententrio Stock-Aitken-Waterman über ihr Duett mit Nick Cave, den Status eines Mega-Popstars mit "Can't Get You Out Of My Head" und die plötzliche Rolle einer Schwulenikone bis hin zu einem Weihnachtsalbum vor ein paar Jahren und nun eines mit Country-Einflüssen. Sind Sie so ein Chamäleon?
Ja, absolut. Aber all das passiert bei mir völlig ungezwungen und natürlich. Ich genieße das und gehe darin auf. Das alles sind für mich nur unterschiedliche Gestalten, die ich einnehme. Eigentlich habe ich ja auch als Schauspielerin begonnen. Klar, da ist es noch einmal eindeutiger, weil man in komplett unterschiedliche Charaktere schlüpft. Aber alles, was Sie aufgezählt haben, sind für mich nur unterschiedliche Versionen von Kylie, die zu einer eigenen Marke geworden ist.
Eine sehr erfolgreiche Marke. Man hat ja wirklich den Eindruck: Alle lieben Kylie. Man braucht nur Ihren Namen zu sagen und jeder reagiert mit "Oh, Kylie" ...
(lacht) Das funktioniert mit anderen aber auch. Nehmen Sie zum Beispiel mal ... Julia Roberts. Da sagt doch auch jeder sofort: "Oh, Julia."
Da bin ich mir nicht sicher. Sie scheinen jedenfalls so etwas wie ein Konsens-Popstar zu sein, auf den sich nahezu alle einigen können. Haben Sie eine Erklärung für Ihr eigenes Phänomen?
Nein, nicht wirklich. Aber mir gefällt Ihre Umschreibung mit dem Chamäleon. Ich glaube einfach, dass "Kylie" für viele verschiedene Menschen ganz verschiedene Bedeutungen hat. Der eine erinnert sich womöglich an "Nachbarn" (Serie, in der Kylie Minogue in den 80er-Jahren mitgespielt hat, Anm. d. Red.). Für den anderen hat vielleicht das Video zu "Slow" eine besondere Rolle gespielt. Wieder ein anderer erinnert sich bei meiner Musik eventuell an seinen ersten Kuss. Oder einer meiner Songs war sein Hochzeitssong - oder sein Trennungssong. Nach 30 Jahren ist die Kiste voll mit Dingen, aus denen sich jeder etwas für sich herauspicken kann.
Ein Aspekt wird bei Ihnen sehr oft herausgepickt. In England gab man Ihnen irgendwann den Spitznamen "SexKylie". Hierzulande ist die Phrase "Geili Kylie" schon fast ein feststehender Begriff ...
(lacht) Wirklich? Das wusste ich gar nicht ...
Sind Sie darüber glücklich, dass Sie oft über Ihr Aussehen definiert werden?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Ich habe das definitiv auch benutzt und damit gespielt. Aber an einem bestimmten Punkt habe ich dann ebenso versucht, das regelrecht abzustreifen. Das machte für mich aber irgendwie auch überhaupt keinen Sinn. Ich fragte mich: "Warum solltest du diesen Teil deiner Persönlichkeit aufgeben?" Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Man sollte nicht zu extrem sein, aber diesem Teil seines Wesens auch freien Lauf lassen. Klar, heute bin ich ein wenig älter und weiser. (lacht) Im Rückblick sehe ich auch in diesem Zusammenhang manche Dinge anders als früher.
Ich weiß, Sie hassen die Frage nach Ihrem Alter. Aber bereitet es Ihnen dann Sorge, dass Sie in diesem Jahr 50 werden?
Es gibt nicht viel, was ich dagegen tun könnte. (lacht) Im Titelsong meines neuen Albums gibt es diese Textzeile: "We're not young, we're not old, we are golden" ("Wir sind nicht jung, wir sind nicht alt, wir sind golden"). Das kam ein Stück weit aus dem Bewusstsein heraus, dass ich auf die 50 zugehe und mir da auch nichts vormachen will. Aber ich wurde schon, als ich mein letztes Album herausgebracht habe, unglaublich oft nach meinem Alter gefragt - Fragen, die speziell darauf abzielten, eine Frau dieses Alters im Musikgeschäft zu sein. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten soll. Wird erwartet, dass ich mich verteidige? Dass ich mich entschuldige? Ich fand das sehr frustrierend. Jetzt, vier Jahre später, ist es ein wenig anders ...
Inwiefern?
Das Klima ist im Moment ein anderes. Glück für mich. Aber ich fühle mich als Teil dieser Veränderung. Ich habe diesen Satz geschrieben, noch bevor es die aktuellen Bewegungen von Frauen gab. Ich habe das gespürt. Und ich habe gespürt, mich dem stellen zu müssen - auf meine eigene, sehr kleine Art und Weise, die sich inzwischen zu etwas viel Größerem entwickelt hat.
Sie haben sich sehr offen über das Ende Ihrer letzten Beziehung mit Ihrem Verlobten Joshua Sasse und den Einfluss dieser Erfahrung auf "Golden" geäußert. War die Arbeit an dem Album also eine Art Therapie?
Nun ja, manche sprechen von einem "Trennungsalbum". Aber für mich ist es das nicht. Für mich ging es eher darum: "Wer bin ich? Wie bin ich hier hergekommen? Wie ist das passiert? Und wo geht's jetzt hin?" Und das nicht auf eine egozentrische, sondern einfach nur eine ehrliche Weise. Ich hatte ein gutes, ehrliches Jahr mit mir selbst im Studio. Ich mag das Wort "Therapie" in dem Zusammenhang nicht. Aber es trifft es wahrscheinlich schon einigermaßen.
Irgendwie ist das schon paradox: Alle lieben die Künstlerin Kylie, aber privat haben Sie doch einige Enttäuschungen erlebt. Glauben Sie noch an die Liebe?
Yeah! Ich versuche, die Dinge nüchtern zu betrachten. Nehmen wir den Ruhm, die Schlagzeilen und vor allem meinen ersten Song "I Should Be So Lucky (... in Love", Anm. d. Red.) weg - das werde ich nie los. (lacht) Dann gucke ich mir die Menschen um mich herum an. Und auch bei ihnen gibt es Dinge, die in ihrem Liebesleben schiefgelaufen sind. Das findet sich auch auf meinem Album wieder: Wir sind doch alle nur Menschen, die versuchen, das Leben auszuknobeln. Bei mir gab es sicher viele Aufs und Abs, aber vielleicht war es auch bunt und interessant. Ich hatte tolle Zeiten, ich habe tolle Männer getroffen. Niemand sollte mit mir Mitleid haben.
Mit Kylie Minogue sprach Volker Probst.
Quelle: ntv.de