"Hat hier nichts verloren" De Maizière weist Türkei-Wahlkampf zurück
13.03.2017, 08:03 Uhr
In den Niederlanden gab es Demonstrationen vor der türkischen Botschaft.
(Foto: imago/Depo Photos)
Führende Politiker von SPD und CDU sprechen sich deutlich gegen weitere Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland aus. Innenminister de Maizière spricht von "klaren Grenzen". EU-Politiker fordern gar ein generelles Verbot.
Nach der Eskalation des Streits zwischen den Niederlanden und der Türkei am Wochenende hält die Debatte um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker auch in Deutschland an. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sprach sich in der ARD entschieden gegen derartige Auftritte aus: "Ich will das nicht. Ein türkischer Wahlkampf in Deutschland hat hier nichts verloren", sagte de Maizière.
Wie die Niederlande Einreiseverbote gegen türkische Politiker zu verhängen, "muss man klug abwägen", sagte der CDU-Politiker. Es gebe für solche Auftritte aber "klare Grenzen", zum Beispiel das Strafgesetzbuch. "Wer die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft und böswillig verächtlich macht, macht sich strafbar. Dort wäre spätestens eine Grenze", sagte de Maizière.
Zuletzt hatten mehrere deutsche Kommunen Wahlkampfauftritte von türkischen Ministern im Vorfeld des Verfassungsreferendums über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei abgesagt. In Ankara löste dies Verärgerung aus, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf Deutschland "Nazi-Methoden" vor. Dies stieß in Berlin auf scharfen Protest.
In den Niederlanden war der Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker am Wochenende eskaliert. Die niederländischen Behörden verweigerten Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Einreise mit dem Flugzeug und wiesen die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya auf dem Landweg Richtung Deutschland aus. Erdogan erhob daraufhin auch gegen Den Haag Nazi- und Faschismus-Vorwürfe.
Von der Leyen rät zu "kühlem Kopf"
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen mahnte in der "Bild"-Zeitung: Deutschland sollte "mit kühlem Kopf bei uns Redefreiheit nach Recht und Gesetz gewähren, aber auch klarmachen, dass mit unerträglichen Nazi-Vergleichen einige türkische Politiker ihr Rederecht selbst infrage stellen".
Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte ein Auftrittsverbot für türkische Wahlkämpfer, falls der Streit weiter eskalieren sollte. "Innertürkische Konflikte haben in Deutschland nichts zu suchen. Wahlkampfauftritte, die den inneren Frieden in unserem Land gefährden, gehören verboten", sagte die CDU-Politikerin.
Der außenpolitische Sprecher der CDU, Norbert Röttgen, wies darauf hin, dass durch ein Auftrittsverbot für ausländische Hoheitsträger nicht das Recht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt werden würde. Ein Einreiseverbot würde er aber nicht aussprechen. Röttgen warnte in der "Bild"-Zeitung davor, dass eine Eskalation "nicht unser Interesse ist und Erdogan nur hilft, Stimmung zu machen und zu mobilisieren".
Ähnlich äußerte sich der SPD-Außenpolitiker Niels Annen: "Die Eskalation in den Niederlanden ist erschreckend", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Eskalation des Konfliktes nur Erdogans Kampagne nützt", sagte der Sozialdemokrat.
EU-Politiker fordern Auftrittsverbot
Der Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff, hat dagegen ein Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Minister in der EU gefordert. "Die Europäische Union sollte sich auf die einheitliche Linie verständigen, dass türkischen Ministern Wahlkampfauftritte in der EU nicht erlaubt werden", sagte das FDP-Präsidiumsmitglied der Zeitung "Die Welt".
Lambsdorff lobte das Vorgehen der Niederlande, die Reden zweier türkischer Minister am Wochenende verhindert hatten. "Die Holländer machen vor, wie es geht, die Bundesregierung dagegen eiert herum", sagte Lambsdorff. "So kann die Türkei versuchen, den einen gegen den anderen auszuspielen."
Auch der CDU-Europapolitiker Elmar Brok sagte, die EU solle Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker generell verhindern. "Erdogan fürchtet eine Niederlage im Verfassungsreferendum. Er sucht die Konfrontation mit Europa, um die Abstimmung zu einer Frage der türkischen Ehre zu machen", sagte Brok der "Welt". "Wir müssen ihm das Spiel vereiteln." Die Türkei und wahlberechtigte Türken im Ausland stimmen im April in einem Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei ab, das Erdogan eine noch größere Machtfülle bescheren würde.
Quelle: ntv.de, lsc/AFP/dpa