SPD-Ministerin im ntv Frühstart Schulze verteidigt Steuermillionen für Radwege in Peru
31.01.2024, 10:17 Uhr Artikel anhören
Ein Radweg in der peruanischen Hauptstadt kursiert als Beispiel für angeblich unsinnige deutsche Ausgaben bei der Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungsministerin Schulze verteidigt das Projekt im ntv Frühstart - und erklärt Deutschlands gespaltene Haltung zum Palästinenserhilfswerk UNRWA.
In der Debatte über Sinn und Unsinn von deutschen Steuergeldern für einen Radweg in Peru hat Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze die Ausgaben verteidigt. Ja, erst mal klinge das mit dem Radweg in Peru ein bisschen abstrus, räumte die SPD-Politikerin in der ntv-Sendung Frühstart ein. Aber bei genauem Hinschauen, mache das Projekt "total Sinn". Schulze sagte: "Wenn wir es schaffen, in so einer Stadt wie Lima den Verkehr mit dem Auto zurückzudrängen, dann nutzt das unmittelbar dem Klimaschutz. Und dafür Kredite zu geben, und das haben wir getan, ist absolut sinnvoll, weil wir auch Freunde und Partner in der Welt brauchen."
Der Radweg in Lima, der Hauptstadt Perus, wurde zuletzt immer wieder als Beispiel für Sparmöglichkeiten der Bundesregierung genutzt. Dabei wurde oft von 315 Millionen Euro gesprochen, die Deutschland hierfür zahle. Diese Zahl ist allerdings viel zu hoch. Tatsächlich zahlt Deutschland rund 44 Millionen Euro, bei der übrigen Summe handelt es sich um Kredite. Im Gespräch mit ntv betonte Schulze, dass diese Art der Entwicklungszusammenarbeit wichtig sei, um Partnerschaften zu pflegen, insbesondere für Deutschland. Deutschland sei ein rohstoffarmes Land und jeder zweite Euro werde mit dem Export verdient.
Ferner sei für alle sichtbar, wie China seine Macht und damit auch den Zugriff auf Ressourcen immer weiter ausbaue. Auch Deutschland müsse deswegen Partnerschaften pflegen. "Und gerade der afrikanische Kontinent ist einer, der sich gerade enorm dynamisch entwickelt. Die haben Rohstoffe, die haben junge Leute, die haben sehr viel erneuerbare Energien", sagte Schulze. Deswegen sei es auch sehr schmerzhaft, in diesem Bereich so massiv zu sparen. Aus den Etats des Auswärtigen Amts, des Wirtschaftsministeriums und des Entwicklungsministeriums werden im neuen Haushalt für das laufende Jahr insgesamt 800 Millionen Euro für internationales Engagement gestrichen.
Schulze fehlt Alternative zu Palästinenserhilfswerk
Die Zahlungen an das Palästinenserhilfswerk der UN, UNRWA, hat Deutschland vorerst eingestellt, weil dort mutmaßlich Mitarbeiter an den Terroranschlägen der Hamas in Israel beteiligt waren. Wie die "New York Times" berichtet, soll ein UNRWA-Mitarbeiter an der Entführung einer Frau aus Israel beteiligt gewesen sein. Zudem habe ein weiterer Mitarbeiter Munition ausgeteilt, ein dritter sei an einem Massaker in einem Kibbuz beteiligt gewesen, bei dem 97 Menschen starben. Die Zeitung beruft sich dabei auf ein israelisches Dossier, das der US-Regierung vorliege.
Entwicklungsministerin Schulze will dem Palästinenserhilfswerk aber nicht dauerhaft die deutschen Zuschüsse streichen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir bei dem Leid und der Not, die da gerade in dieser Region ist, nicht mehr unterstützen. Wir werden da helfen müssen. Das ist übrigens auch im Interesse Israels, dass den Menschen in dieser Region dort geholfen wird", sagte Schulze. Das Flüchtlingshilfswerk habe wirklich ein Problem, das aufgearbeitet gehöre. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Organisationen wie die Hamas künftig nicht über UN-Gelder unterstützt würden.
Trotzdem sei das UN-Flüchtlingswerk die Organisation, die im Moment vor Ort Hilfe leiste. Die Menschen bräuchten Wasser und Lebensmittel, das müsse genau abgewogen werden. "Wir haben keine anderen Strukturen, die da gerade unterstützen können. Also kurzfristig ist da gar nichts zu machen. Längerfristig muss sich dieses Hilfswerk aber verändern, da geht gar nichts drumherum", sagte Schulze.
"Wir wollen keine Kinderarbeit in unseren Produkten"
An anderer Stelle sieht die Bundesentwicklungsministerin die eigene Koalition in der Pflicht, einen Kompromiss zu finden. Das Lieferkettengesetz müsse vorangebracht werden. Hier hatte die FDP zuletzt Bedenken geäußert, die vorgeschlagene Richtlinie sei zu bürokratisch. Laut Schulze dürfe sich die Politik aber nicht zuerst an den "schwarzen Schafen" orientieren. "Und das sind schwarze Schafe in der Wirtschaft, die immer noch glauben, sich gegen Kinderarbeit einzusetzen, wäre ein Bürokratiemonster. Wir wollen keine Kinderarbeit in unseren Produkten haben. Wir wollen nicht, dass die Umwelt dafür zerstört wird", sagte Schulz.
Es gehe um einen fairen Wettbewerb, der auch im Interesse der deutschen Unternehmen sei. Sie setze darauf, dass die Regierung da eine Lösung finden werde, damit auch auf europäischer Eben faire Lieferketten durchgesetzt werden könnten. Ein Machtwort vom Kanzler brauche es aber nicht: "Wir sind doch Erwachsene, und wir sind in einer Demokratie. Da muss man Lösungen miteinander aushandeln", sagte Schulze. "Das europäische Lieferkettengesetz zum Beispiel ist jetzt schon ein Kompromiss, den wir auf der europäischen Ebene gefunden haben. Und dann muss man auch in der Lage sein, solche Kompromisse voranzubringen."
Quelle: ntv.de, cpf/shu