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Arbeitnehmer aufgepasst Das ändert sich mit der Pflicht zur Zeiterfassung

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Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung will das Arbeitsministerium nicht vorschreiben.

Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung will das Arbeitsministerium nicht vorschreiben.

(Foto: picture alliance / Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts besteht in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Eine Rückkehr zur Stechuhr wird es nicht geben - die tägliche Arbeitszeit von Beschäftigten soll künftig elektronisch aufgezeichnet werden. Was man dazu wissen sollte, lesen Sie hier.

Es hat ein wenig gedauert, jetzt liefert Hubertus Heil nun wohl doch den Gesetzentwurf zur Reformation des Arbeitszeitgesetzes. Das Arbeitsministerium reagiert mit den Gesetzesplänen auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG), die eine Erfassung der Arbeitszeiten verlangt hatten. Künftig sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, tagesaktuell die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter zu protokollieren.

Das führt bei einigen Arbeitnehmern zu Verunsicherung. Was darf ich noch? Werde ich jetzt kontrolliert? "Kein Grund zur Panik", sagt Frederik Neuhaus, Gründer der Zeiterfassungs-App clockin "die Zeiterfassung bietet viele Vorteile für Arbeitnehmer, wenn man sich erstmal auf sie einlässt". Was ihm sonst noch zum Thema einfällt, lesen Sie hier.

Das Ende von New Work?

Nur, weil Arbeitszeiten nun erfasst werden müssen, bedeutet das keinen Schritt zurück. Firmen und Mitarbeiter können auch weiterhin Vertrauensarbeitszeiten vereinbaren. Der Unterschied: Mitarbeiter zeichnen ihre Arbeitszeiten jetzt digital auf. Das bedeutet, dass jeder arbeiten kann, wann und wo er will. Für die Einhaltung der Arbeitszeiten ist jeder selbst verantwortlich. Das schafft Transparenz und Vertrauen auf beiden Seiten, ohne die Kernidee der Vertrauensarbeitszeit zu ändern. Richtig umgesetzt, sind weiterhin Selbstbestimmtheit und Flexibilität vollumfänglich gegeben.

Wann beginnt die Arbeit?

Arbeitszeit kann je nach Branche oder Unternehmen unterschiedlich definiert sein. Es gibt keine allgemeingültige gesetzliche Regelung, sondern viel mehr Zuständigkeiten der Tarifparteien oder Betriebsräte, die diese Unterschiede klären sollten. In Zukunft werden die Grenzen hier immer mehr verschwimmen, und es wird zu einem vertrauensvollen Austausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen.

Hinzu kommt, dass Anwesenheitszeit nicht gleich Arbeitszeit ist. Mitarbeitende mit einem Achtstundentag arbeiten oft nicht die gesamte Zeit mit voller Konzentration an ihren Aufgaben. In dieser Hinsicht wäre etwas Gelassenheit angebracht. Hier muss jedes Unternehmen selbst festlegen, wo die Grenzen liegen. Müssen Mitarbeitende sich für eine kurze Pause oder einen Plausch in der Teeküche ausstempeln? Oder erst, wenn die Pause etwas länger dauert? Wann ist eine Pause zu lang? Das sind Individualentscheidungen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass gerade die kleinen Unterhaltungen in der Teeküche Betriebsklima und Kreativität fördern.

Pausen, Reisen, Fahrtwege

Grundsätzlich gilt alles als Arbeitszeit, was vom Arbeitsbeginn bis zum Ende der Arbeit durchgeführt wird - also vom Betreten bis zum Verlassen des Arbeitsplatzes. Gesetzlich vorgeschriebene Pausen zählen nicht zur Arbeitszeit. Ebenso sind Raucherpausen gesetzlich geregelt und werden nicht als Arbeitszeit angerechnet, da dies gegenüber anderen nichtrauchenden Mitarbeitenden unfair wäre. Kleine Pausen wie der Gang zur Toilette hingegen zählen zur Arbeitszeit. Oft stellt sich die Frage, ob das Hochfahren des PCs, das Umziehen oder das Einrichten einer Maschine ebenfalls zur Arbeitszeit gehören. Auch dafür gibt es klare Regeln: Ohne diese Tätigkeiten wäre die spätere Arbeit nicht möglich, daher werden sie ebenfalls zur Arbeitszeit gezählt. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2018 entschieden, dass auch die Fahrtzeit zum Kunden oder die Reisezeit während der Dienstreisen als Arbeitszeit definiert sind.

Der Aufwand hinter der Zeiterfassung - auch im Homeoffice

Entgegen der Annahme, dass jetzt noch mehr Arbeit auf Arbeitnehmer zukommt, ist das Gegenteil der Fall. Die herkömmliche Weise, etwa mit Zetteln und Papier oder Excel-Tabellen, bedeutet einen wesentlich höheren zusätzlichen Aufwand für die Arbeitnehmer. Mit modernen elektronischen Systemen oder Apps genügen in der Regel drei bis vier Klicks am Tag, um die Arbeitszeit korrekt zu erfassen: Anmelden, Pause und Abmelden. Dadurch entsteht für das Unternehmen kein zusätzlicher Aufwand. Alle Zeiten werden sofort aufgeschlüsselt, unabhängig davon, ob die Mitarbeiter im Büro, im Homeoffice oder im Außendienst arbeiten.

Am Monatsende können alle Daten automatisch an den Steuerberater oder die Lohnbuchhaltung übermittelt werden, was mitunter sogar Arbeit einspart. Auch der Aufwand zur Einführung eines Systems ist geringer als viele annehmen. Softwareprogramme, die die Arbeitszeit rechtskonform abbilden, können oft innerhalb einer halben Stunde eingerichtet werden. Die Kosten sind überschaubar.

Achtung Kontrolle?

Durch Aufzeichnung der Arbeitszeit werden Arbeitgeber ihre Mitarbeiter in der Regel nicht mehr kontrollieren als bisher. Wer das tun möchte, findet bereits heute genug Möglichkeiten dafür. Ob dies rechtens ist oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Arbeitszeiten sind die vereinbarten Zeiten. Wenn ein Unternehmen diese genau erfassen möchte, hat es dazu das Recht. Gleichzeitig haben Arbeitnehmer auch das Recht, genau zu sehen, wie viele Überstunden sie geleistet haben. Die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung schafft also für beide Seiten mehr Transparenz. Alles, was vor oder nach der Arbeit passiert, ist tabu. Auch, was Mitarbeitende in den Pausen machen, geht den Chef nichts an.

Auch ob jemand gekündigt wird oder nicht, wird nicht durch die Arbeitszeiterfassung bestimmt - sofern sich diese Person nichts zuschulden kommen lässt und etwa Arbeitszeitbetrug begeht. Eine Kündigung stünde da aber bereits heute an. Im Wesentlichen geht es bei der Arbeit weiterhin um die Qualität der Ergebnisse in einer angemessenen Zeit.

Außerdem wird sich aufgrund des Fachkräftemangels langfristig eine zunehmende Flexibilität für Arbeitnehmer ergeben. Dies ist bereits heute in vielen Bereichen spürbar. Wir befinden uns auf einem Arbeitnehmermarkt. Unternehmen, in denen Kontrolle und Druck zu stark sind, werden in den nächsten Jahren zunehmend Probleme haben, unabhängig davon, ob Arbeitszeiten erfasst werden müssen oder nicht.

Eine Frage des Datenschutzes

Die Sorge, dass alle Arbeitszeiten nun ungeschützt im Internet liegen, ist unbegründet. Denn digitale Zeiterfassung ist wesentlich sicherer als die manuelle auf Papier. Auf Papier erfasste Arbeitszeiten können, wenn sie unachtsam liegengelassen werden, von jedem eingesehen werden, der vorbei geht. Das passiert bei der digitalen Version nicht. Die Daten liegen bei den meisten Anbietern in hoch gesicherten Rechenzentren in Deutschland, außerhalb des Unternehmens und ohne Zugriff durch Dritte. Somit sehen nur Mitarbeiter und Vorgesetzte oder die Personalabteilung, welche Arbeitszeiten tatsächlich geleistet wurden. Die Software und Server unterliegen dabei sehr strengen Vorgaben zum Datenschutz der Europäischen Union und Deutschlands.

Fluch oder Segen?

Fernab von all den Sorgen bietet die digitale Zeiterfassung Mitarbeitern Vorteile: Sie haben erstmals die Möglichkeit, jederzeit und überall zu sehen, wie viele Stunden sie schon gearbeitet haben und wie viele Überstunden sie auf dem Konto haben. Zudem kann der nächste Urlaub abends vom Sofa aus beantragt werden. Dadurch wird alles Organisatorische einfacher, schneller und transparenter.

Konsequenzen für nicht erfasste Zeit

Unternehmen sind verpflichtet, ein System zur Arbeitszeiterfassung zur Verfügung zu stellen. Tun sie das nicht, sind hohe Bußgelder von mehreren zehntausend Euro fällig. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass es zu Rechtsstreitigkeiten kommt. Die Konsequenzen tragen hier die Arbeitgeber. Arbeitnehmer sind im Gegenzug dazu verpflichtet, ihre Arbeitszeiten korrekt zu erfassen.

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Zukunft

Das im September 2022 gefallene Urteil des BAG besagt bereits, dass die Zeiterfassung in Deutschland Pflicht ist. Dadurch, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und die Ampel an dem Gesetz arbeiten, befinden sich Unternehmen aktuell in einer rechtlichen Grauzone. Niemand weiß, wer wann wie betroffen ist und welche Art der Erfassung ausreicht.

Quelle: ntv.de, awi

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