Recht verständlich Fußballer fliegt wegen Trainer-Toiletten-Fotos
15.09.2016, 11:30 UhrEr schiebt sein Smartphone unter der Trennwand in die benachbarte Kabine, fotografiert den Cheftrainer und wird fristlos gefeuert. Darüber, ob die Kündigung berechtigt ist, fällt ein Gericht sein Urteil.

Der Spieler entschuldigte sich sofort und löschte das Foto des Trainers auf der Toilette.
(Foto: imago/Westend61)
Die im Rahmen eines Smartphone-Fotos erfolgte fristlose Kündigung eines Fußball-Profis ist unwirksam, entschied nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Saarland (Az.: 2 Sa 10/15). Der Verein, in dessen Mannschaft der Spieler in der 3. Bundesliga mit DFB-Lizenz spielte, verlor den Prozess und muss den Fußballspieler weiter im Rahmen des ungekündigten Spielerarbeitsvertrages einsetzen und die Vergütung seit Zugang der fristlosen Kündigung nachzahlen.
Moment mal - Arbeitsvertrag und Arbeitsgerichte? Ja, denn auch wenn es sich zum Teil bei Lizenzbundesligaspielern um Millionäre handelt, so sind sie dennoch weisungsgebunden wie jeder andere Arbeitnehmer auch (und damit übrigens auch Arbeitslosengeldberechtigt) – der Verein ist damit Arbeitgeber und die Arbeitsgerichte sind für Streitigkeiten zuständig.
Das Gericht urteilte hier, dass kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorgelegen habe, unter anderem weil der Spieler das Foto direkt wieder gelöscht habe und keinerlei Verbreitung in sozialen Netzwerken oder an anderer Stelle erfolgt sei. Außerdem habe er das Foto in einem Schreckmoment, "nicht willensgetragen", gemacht.
Der Spieler hatte vorgetragen, dass er vor der Abfahrt der Mannschaft zu einem Punktespiel noch auf die Toilette (eine öffentlich zugängliche Herrentoilette eines Hotels) gegangen sei. Er habe dann – in einer Toilettenkabine sitzend – Schrittgeräusche gehörte und meinte auszumachen, dass die Person, die in die Nebenkabine ging, ebenfalls Turnschuhe trug. In der Vermutung, dass es sich um einen Mannschaftskollegen handelte, habe er sich vergewissern wollen, dass es sich auch wirklich um einen Kollegen und nicht um einen Hotelgast handelte. Zu diesem Zwecke schob er das Smartphone unter der Trennwand durch, um mit der Bildfunktion und dem zu ihm gerichteten Winkel des Gerätes - ohne ein Foto machen zu wollen – auf dem Display erkennen zu können, ob es auch wirklich Mannschaftsturnschuhe sind, deren Träger neben ihm seinen Verrichtungen nachgeht. Als der Nachbar dann offenbar das Handy erkannte und lautstark fragte, was das soll, bekam er einen Schreck – er erkannte die Stimme des Cheftrainers – und habe aus Versehen ein Foto ausgelöst. Ein im Prozess eingeholtes Sachverständigengutachten konnte ein solches Auslösen aus Versehen nicht ausschließen. Unstreitig ist außerdem, dass der Spieler sich entschuldigte und das Foto des Trainers auf der Toilette sofort löschte.
Eine fristlose Kündigung erfordert, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses keinen Tag länger zuzumuten ist. Dies sah das Gericht hier nicht, sondern führte neben oben genannten Punkten ins Feld, dass der vom Foto betroffene Cheftrainer den Spieler auch weiter am Trainings- und Spielbetrieb (zwei Meisterschaftsspiele) hatte teilnehmen lassen. Damit habe er gerade demonstriert, dass eine Weiterbeschäftigung des Spielers zumutbar sei. Den Vorfall meldete er erst über zwei Wochen später dem Vorstand des Vereins, der dann unmittelbar fristlos kündigte. Eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung kam mangels vereinbarter Möglichkeit in dem saisonbefristeten Vertrag nicht in Betracht, der Vorfall sei – so das LAG – ohnehin allenfalls abmahnrelevant.
Schließlich beschäftigte sich das Gericht noch damit, ob die Kenntnis des Cheftrainers einer in der 3. Bundesliga spielenden Mannschaft von einem möglichen Kündigungssachverhalt bereits die Kenntnis des Vereins darstellt. Würde man dies bejahen, wäre hier auch die 2-Wochenfrist nicht eingehalten, innerhalb derer eine fristlose Kündigung dann zugestellt werden muss. Die Frist läuft ab Kenntnis des Kündigungsberechtigten, was bei einem Fußballverein grundsätzlich der Vorstand ist und – so das LAG – jedenfalls nicht der nicht kündigungsberechtigte Cheftrainer einer 3. Bundesligamannschaft. Von diesem könne auch nicht wie etwa von einem Prokuristen erwartet werden, dass er Vorfälle ohne schuldhaftes Zögern dem Vorstand des Fußballvereins melde. Damit war hier zumindest die 2-Wochenfrist eingehalten, weil der Vorstand unverzüglich kündigte.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel MM ist Partnerin der Kanzlei FPS.
Quelle: ntv.de