Recht verständlich Gilt die Kündigung in Abwesenheit?
28.09.2018, 07:37 Uhr
Gefeuerte Arbeitnehmer können sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen den Rauswurf wehren.
(Foto: imago/Ikon Images)
Ein Chefarzt ist in Katar tätig und vermietet sein Haus in Deutschland. Kann ihm dort dennoch wirksam eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses zugehen, die er nur innerhalb von drei Wochen gerichtlich angreifen kann? Oder kann der Geschasste noch nachträglich klagen?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG: 2 AZR 493/17) stellt noch einmal klar, wann eine Arbeitgeberkündigung in Abwesenheit zugehen kann und welche Möglichkeiten bei einer verspäteten Klagezulassung bestehen. Zugang einer Kündigung kann durch Einwurf in den Hausbriefkasten erfolgen. Innerhalb von drei Wochen ab Zugang muss eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden, sonst ist die Kündigung des Arbeitsvertrages unabhängig von etwaigen Gründen schon rein formal wegen Fristversäumnis wirksam. Wenn man sich längere Zeit nicht zu Hause aufhält, muss man bezüglich der eingehenden Post ausreichend Vorsorge treffen, dass diese zeitnah zur Kenntnis genommen wird, damit man diese Frist einhalten kann. Kümmert man sich darum nicht hinreichend, dann wird eine Klage auch nicht später ausnahmsweise zugelassen
Wie war der Fall?
Hier gab es offensichtlich schon länger Streit zwischen einem Chefarzt und dem Klinikbetreiber, Schriftstücke wurden ausgetauscht. Der Anwalt des Chefarztes bat dann mit Vollmacht darum, dass weitere Schreiben nur an ihn geschickt werden. Die Arbeitgeberseite antwortete hierauf nicht und stellte danach eine erste Kündigung auch wieder direkt dem Chefarzt an dessen Wohnanschrift zu. Der Chefarzt nahm dann eine langfristige Tätigkeit in Katar auf, vermietete sein Wohnhaus, beließ aber seinen Namen am Hausbriefkasten.

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.
Der Mieter sollte ihm etwa einmal im Monat die Post nachsenden, ihn per Whatsapp über Einschreiben und förmliche Zustellungen informieren und diese sofort nach Katar senden. Zudem sei er auch immer wieder in Deutschland gewesen. Der Arbeitgeber kündigte dann noch einmal, was bei umstrittenen Vertragsverhältnissen vorkommen kann, beispielsweise wenn noch weitere Kündigungsgründe auftreten. Die Kündigung wurde in einem verschlossenen Brief, der nicht besonders aussah, per Bote in den Hausbriefkasten eingeworfen, der Chefarzt erhielt davon erst zwei Tage nach Ablauf der Klagefrist von drei Wochen bei einem Deutschlandbesuch Kenntnis, klagte und beantragte die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.
Das Urteil
Das BAG akzeptierte die nachträgliche Zulassung nicht. Eine nachträgliche Zulassung kommt laut Kündigungsschutzgesetz in Betracht, wenn der Arbeitnehmer "trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt" verhindert war, die Drei-Wochen-Klagefrist einzuhalten.
Hier habe der Chefarzt allerdings keine ausreichende Vorsorge getroffen. Wenn er seinen Namen am Hausbriefkasten lässt, muss er mit Zustellungen rechnen. Die Absprache, dass nur Einschreiben und förmliche Zustellungen sofort weitergeleitet werden, reicht nicht aus. Eine Weiterleitung "etwa" einmal im Monat garantiert keine zeitnahe Kenntnis. Hier hätte er beispielsweise eine Vertrauensperson bestimmen können, die alles öffnet, liest und ihn informiert. Die Arbeitgeberseite muss auch keine förmliche Zustellung vornehmen, der Einwurf in den Hausbriefkasten mit einem ganz normalen Umschlag ohne weiteren Hinweis reicht aus.
Die Arbeitgeberseite ist auch nicht verpflichtet gewesen, der Bitte des Anwalts, an diesen zuzustellen, nachzukommen. Der Chefarzt habe hierauf auch nicht vertrauen dürfen, weil der Arbeitgeber ja nicht reagiert habe und die erste Kündigung dann auch noch direkt zugestellt hat. Selbst wenn der Arbeitgeber wusste, dass sich der Chefarzt in Katar aufhielt, kann er dennoch in den mit dem Namen gekennzeichneten Briefkasten zustellen. Ein Berufen auf Ablauf der Klagefrist ist auch dann nicht treuwidrig - aus dem Fall war auch nicht zu entnehmen, dass der Chefarzt dem Arbeitgeber offiziell eine neue Adresse mitgeteilt hatte.
Eine Treuwidrigkeit der Arbeitgeberseite käme nach Auffassung der BAG- Richter allenfalls in Betracht, wenn der Arbeitgeber etwa gewusst hätte, dass der Briefkasten des Klägers nicht mehr geleert wurde und nur versehentlich noch mit dem Namensschild gekennzeichnet war - das hatte der Chefarzt aber nicht vorgetragen.
Die zweite Kündigung war deshalb nur wegen des Fristversäumnisses wirksam und der Chefarzt spätestens dann seinen Job los.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.
Quelle: ntv.de