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Standort Deutschland in Gefahr Wird der Euro die Inflation überleben?

Tja ...

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(Foto: IMAGO/IlluPics)

Massive Preissteigerungen und Geldentwertung hüben wie drüben. Doch die Inflation in Deutschland ist mit der in den USA nicht zu vergleichen. Die Zinserhöhungen der Notenbanken daher unterschiedlich zu bewerten. Für die Wirtschaft hierzulande könnte es eng werden.

10 Prozent in Deutschland, 8,2 Prozent in den USA - die Inflation gemessen am Verbraucherpreisindex ist im letzten Jahr dramatisch gestiegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed halten dagegen und erhöhen die Zinsen. Geld wird damit teurer, Konsum und Investitionen sinken. Angebot und Nachfrage von Gütern finden ein neues Gleichgewicht. So ist zumindest die Kausalkette im handlungsleitenden Modell der Geldtheorie. Damit enden aber die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland beziehungsweise dem Euro-Raum und den USA. Betrachtet man die Inflationszahlen im Detail, so zeigen sich gravierende Unterschiede.

Dr. Andreas Beck bewertet als unabhängiger Finanzmathematiker die Qualität von Vermögensverwaltungen. Daneben leitet er die Index Capital, welche für Banken und Fondsgesellschaften wissenschaftlich fundierte Portfoliomodelle entwickelt.

Dr. Andreas Beck bewertet als unabhängiger Finanzmathematiker die Qualität von Vermögensverwaltungen. Daneben leitet er die Index Capital, welche für Banken und Fondsgesellschaften wissenschaftlich fundierte Portfoliomodelle entwickelt.

In Deutschland ist der wesentliche Teil der Preissteigerungen darauf zurückzuführen, dass sich Importe verteuert haben. Die Preise von Energie und Rohstoffen haben sich zum Teil vervielfacht. Zusätzlich ist der Außenwert des Euro gefallen. Anders in den USA. Der starke US-Dollar verbilligt Importe, es gibt keine Knappheit an Energie - im Gegenteil, der Export von Fracking-Gas zu Höchstpreisen an Deutschland stellt eine neue Einnahmequelle dar. Stattdessen gehen die Preissteigerungen in den USA wesentlich auf gestiegene Lohnkosten zurück.

Im Zuge der Corona-Krise wurden vom Staat diverse direkte Hilfszahlungen an die Bürger verteilt, was zu einer gestiegenen Nachfrage führte, die aufgrund noch gestörter Lieferketten nicht entsprechend bedient werden konnte. Die Inflation zog in den USA entsprechend auch schon 2021 lange vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs deutlich an.

Fed löst Luxusproblem

Euro / Dollar
Euro / Dollar 1,16

Stellt man die finanzielle Situation beider Länder heute gegenüber, so ist der Wohlstandsgewinn der Bevölkerung in den USA gegenüber Deutschland im letzten Jahr erheblich gewesen. Die Gehälter in den USA stiegen doppelt so stark und der Dollar gewann über 20 Prozent zum Euro. Betrachtet man die Unternehmen, so zeigt sich das gleiche Bild. Die Nettoumsatzrenditen der Unternehmen sind gemäß der jüngsten OECD-Auswertung in den USA in 2021 mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland ausgefallen.

Auf die Zukunft bezogen bedeutet dies, dass die Handlungen der Fed ein Luxusproblem lösen und in weiten Teilen auch schon gelöst haben. Auf Monatsbasis ist die Inflation in den USA im Juli und August nicht mehr wesentlich gestiegen. Diesen Donnerstag wurden die Septemberzahlen veröffentlicht, die mit 0,4 Prozent über der Erwartung der Analysten lagen. Trotz dieses Rückschlags sind die hohen 8,2 Prozent einer 12-Monatsbetrachtung für den aktuellen Trend nicht mehr repräsentativ. Vielmehr hat die Fed das Problem schon in den Griff bekommen. Auch die Erzeugerpreis-Inflation in den USA bestätigen dieses Bild. Die Fed wird sicher noch die erwartete Zinserhöhung dieses Jahr durchführen, aber in der Kommunikation kann sie vom Gas gehen und vermutlich sind nächstes Jahre keine Zinserhöhungen mehr erforderlich.

In Deutschland und im Euro-Raum haben wir das gegenteilige Bild. Auf Monatsbasis hat die Inflation in den letzten drei Monaten an Dynamik zugelegt, sowohl bei der Konsumentenpreis- als auch bei der Produzentenpreisinflation. Da die Inflation dadurch bedingt ist, dass immer mehr Geld für teure Energie aus dem Land herausfließt, bezweifelt die EZB zu Recht die Wirkmächtigkeit ihrer Zinspolitik. Die Regierungen konterkarieren die Verknappung des Geldes durch die EZB, indem sie über Hilfszahlungen und Preisdeckel die Staatsverschuldung sprunghaft erhöhen.

Deutschland braucht einen starken Euro

Das Problem in Deutschland ist vielmehr unsere Wirtschaftspolitik. Der Industrie der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, die eigene Energieversorgen abzuschalten, war schon unter Bundeskanzlerin Angela Merkel realitätsfremd und international einzigartig. Dazu kommt, dass das Geschäftsmodell Deutschlands darauf fußt, Halbfertigprodukte zu importieren, diese mit sehr gut ausgebildeten Fachkräften zu veredeln und wieder zu exportieren. Ein Geschäftsmodell, welches ohne eine starke Währung langfristig auch nicht funktionieren kann.

Der Euro wird die Inflation überleben, aber wenn unsere Wirtschaftspolitik so weitergeht, dann werden wir die deutsche Wirtschaft in ein paar Jahren nicht wiedererkennen. Die breite Bevölkerung sollte sich fragen, ob sie diesen Kurs der Regierung und der EU wirklich so weiter tragen möchte. Es wäre dringend erforderlich, alle national verfügbaren Energieressourcen ideologiefrei zu prüfen.

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Immerhin - für vermögende Anleger stellt die derzeitige Situation kein Problem dar, denn der internationale Kapitalmarkt bietet Lösungen. Alle anderen könnten hingegen in die Röhre gucken. Und dies nicht nur als Anleger, sondern auch als Bürger.

Dr. Andreas Beck bewertet als unabhängiger Finanzmathematiker die Qualität von Vermögensverwaltungen. Unter anderem testet er zusammen mit n-tv seit über zehn Jahren die Portfolios der führenden Privatbanken in Deutschland. Sein neuestes Buch "Erfolgreich wissenschaftlich investieren" kann auf www.globalportfolio-one.de kostenlos heruntergeladen werden.

(Dieser Artikel wurde am Samstag, 15. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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