Die 25.000-Euro-Frage Nachhaltig investieren, aber richtig
30.01.2022, 06:07 Uhr
Lecker und rentabel?
Corona und Apps wie Trade Republic haben in Deutschland die Zahl der Aktionäre stark steigen lassen. Bei vielen neuen Börsianern ist auch Nachhaltigkeit wichtig. Das ist allerdings alles andere als trivial.
Das Positive vorweg: In Deutschland gibt es trotz des jüngsten kleinen Rückgangs endlich mehr Aktionäre. Das ist gut, weil die Anleger mit Sparguthaben, Anleihen oder auch Mischfonds real, also nach Abzug der Inflation, jede Menge Geld verloren haben. Aktien liefern dagegen seit Jahren, ja Jahrzehnten, regelmäßig Gewinne, auch wenn Anleger hier, immer wieder größere Schwankungen aushalten müssen.

Andreas Enke zählt zu den Inhabern und Vorständen der Vermögensverwaltung Geneon Vermögensmanagement.
Laut Deutschem Aktieninstitut (DAI) waren im vergangenen Jahr im Durchschnitt etwas mehr als zwölf Millionen Menschen in Aktien, Aktienfonds oder Indexfonds (ETFs) investiert. Das entsprach in etwa 17 Prozent der Bevölkerung oder in etwa jedem Sechsten ab 14 Jahren.
Etwas überspitzt ausgedrückt stellt sich nun die Frage: Handelt es sich bei den neuen Aktionären um Zocker, die mit "Schwarm-Wetten" ihr Glück versuchen, oder um Investoren, die langfristige Ziele verfolgen? Beides ist sicherlich legitim. Für den langfristigen Vermögensaufbau und die finanzielle Alterssicherung kommt jedoch nur grundsolides Investieren infrage.
Ziele definieren
Am Anfang einer seriösen Kapitalanlage sollten Anleger immer klären, was sie damit erreichen wollen. Dabei geht es regelmäßig um die drei Ziele Rendite, Sicherheit und Liquidität, auch magisches Dreieck genannt. Klar: Wir alle wollen möglichst hohe Gewinne einfahren. Das funktioniert aber nur bei einem hohen Maß an Risiko, also wenn Anleger beispielsweise sehr konzentriert in nur wenige spekulative Aktien investieren. Das ist dann schon eher etwas für Trade Republic. Eine höhere Sicherheit erlangen Anleger dagegen dadurch, dass sie in eine Vielzahl von Aktien investieren, die breit über Branchen und Regionen gestreut sind. Am einfachsten geht das mit Aktienfonds oder ETFs. Liquidität bedeutet, dass immer grundsätzlich die Möglichkeit besteht, Barmittel abzuziehen, um eine Autoreparatur oder Ähnliches zu finanzieren.
Gleichzeitig hat in den vergangenen Jahren bei vielen Menschen das Bedürfnis zugenommen, auf die Umwelt und die Gesellschaft einen positiven Einfluss zu nehmen, also nachhaltig zu investieren. Das beruht zum einen auf moralischen Überlegungen, zum anderen zeigt sich immer mehr, dass nachhaltige Kapitalanlagen zumindest nicht schlechter, häufig sogar besser als herkömmliche Investments laufen. Im Prinzip gibt es drei Stufen oder Klassen nachhaltiger Investmentstrategien: Best-in-Class, Ausschluss- und Positivkriterien.
Die Klassenbesten taugen nichts
Beim in die Jahre gekommenen Best-in-Class-Ansatz wählen Anleger aus einer Branche die Unternehmen aus, die am besten mit der Umwelt umgehen, die ihre Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten gut behandeln und die "sauber" geführt werden, wo es also beispielsweise keine Korruption gibt oder wo Frauen und Männer gleich bezahlt werden. Hört sich gut an, greift aber zu kurz.
Denn wenn man den Best-in-Class-Ansatz alleine einsetzt, kann es passieren, dass der Waffenhersteller, der mit den geringsten Umweltbelastungen produziert, oder der Ölförderer, der am besten mit seinen Mitarbeitern umgeht, im Depot landen. Dass diese Investmentstrategie nicht besonders nachhaltig ist, liegt auf der Hand.
Ausschlusskriterien liefern spürbaren Mehrwert
Anleger nähern sich dem Thema Nachhaltigkeit deutlich besser, wenn sie bestimmte Branchen oder Tätigkeiten aus ihrem Anlageuniversum ausschließen. Typische Beispiele hierfür sind die Herstellung von Waffen, Tabak oder Alkohol, Verstöße gegen die Menschenrechte, Kinderarbeit, hohe Umweltbelastungen oder fossile Energieträger. Auf den Punkt gebracht: So lässt sich das Schlimmste verhindern. Diese Unternehmen gehen anständig mit Menschen um und belasten nicht über Gebühr die Umwelt.
Unter Renditegesichtspunkten lassen sich durch diese Ausschlusskriterien auch noch substanzielle Risiken vermeiden. Umweltskandale (Beispiel: VW und Dieselautos) oder Finanzskandale wie bei der Deutschen Bank kosten diese Unternehmen und deren Anleger hohe Milliardenbeträge. Zuletzt haben die Börsianer den US-amerikanischen Spielehersteller Activision Blizzard massiv abgestraft, weil es dort zu sexuellen Belästigungen gekommen seien soll. Allerdings darf bezweifelt werden, dass der Einsatz von Ausschlusskriterien allein ausreicht, um der gesamten Bevölkerung der Welt ein menschenwürdiges Leben in einer adäquaten Umwelt zu ermöglichen.
Positivkriterien: die Champions League
Investitionsstrategien, die aktiv einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt ausüben, spielen - bildlich gesprochen - in der Königsklasse. Die entsprechenden Unternehmen betreiben Geschäftsmodelle, die gewissermaßen dazu beitragen, die Welt zu verbessern. Einen guten Orientierungsrahmen hierfür liefern die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Dazu zählen unter anderen die Bekämpfung von Hunger, sauberes Trinkwasser oder Bildung für alle. Die 2015 verabschiedete Agenda gilt als weltweiter Konsens, was sozial, ethisch und ökologisch ist.
Die 25.000-Euro-Frage
Anleger, die beispielsweise 25.000 Euro investieren möchten, können eins oder mehrere der UN-Nachhaltigkeitsziele auswählen, die sie mit ihren Investments unterstützen möchten. Dementsprechend können sie dann ihr Geld in passende Themenfonds oder ETFs anlegen. Dabei sollte allerdings eine ausgeglichene Gewichtung von Branchen und Regionen nicht aus dem Blick geraten, um auch das Thema Sicherheit abzudecken. Schließlich sollten die Investoren über einen längeren Anlagehorizont verfügen und einen gewissen Teil ihrer Mittel in Cash halten, um bei möglichen Rückschlägen an den Aktienmärkten preiswerter nachkaufen oder die Reparatur des Autos bezahlen zu können.
Andreas Enke zählt zu den Inhabern und Vorständen der Vermögensverwaltung Geneon Vermögensmanagement. Der Diplom-Kaufmann verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung in der Beratung vermögender Privat- und Geschäftskunden bei verschiedenen Großbanken.
Quelle: ntv.de