Ratgeber

Grundsicherung trotz Job Sind 3,40 Euro Stundenlohn sittenwidrig?

Viele Hartz-IV-Empfänger werden zu Unrecht als Drückeberger stigmatisiert. Tatsächlich bemüht sich die große Mehrheit sehr wohl um ein berufliches Vorankommen. Doch einige Arbeitgeber beuten dieses Engagement gnadenlos aus.

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(Foto: imago/blickwinkel)

Das Landesarbeitsgericht (LArbG) Berlin-Brandenburg hat positiv über die Klage eines Jobcenters gegen einen Arbeitgeber wegen sittenwidriger Löhne und deshalb erforderlicher Leistungen des Jobcenters entschieden (Az.: 15 Sa 2258/15).

In dem verhandelten Fall zahlte das Jobcenter in den Jahren 2011 bis 2014 Leistungen zur Grundsicherung an eine Arbeitnehmerin, obwohl diese bei einer Pizzeria im östlichen Brandenburg beschäftigt war. Dort erhielt die Frau seit 2001 als Auslieferungsfahrerin durchgängig pauschal 136 Euro pro Monat bei einer vereinbarten Arbeitszeit von nach Bedarf rund 35 bis 40 Stunden pro Monat. Der Lohn wurde vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes vereinbart

Das Jobcenter machte geltend, dass die Vergütung dieser Arbeitnehmerin sittenwidrig niedrig sei. Bei Zahlung der üblichen Vergütung wären geringere Leistungen an Grundsicherung angefallen, weshalb der Arbeitgeber die Differenz in Höhe von 5744,18 Euro an das Jobcenter zu erstatten habe.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Demnach handelt es sich bei dem sich ergebenden Stundenlohn von 3,40 Euro um einen Hungerlohn. Selbst bei unterstellter Vollzeittätigkeit werde ein Einkommen erzielt, von dem man nicht leben könne. Die Vereinbarung von Hungerlöhnen sei sittenwidrig und damit gemäß Paragraf 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Die übliche Vergütung ergebe sich aus den Feststellungen des Statistischen Landesamtes. Für das Jahr 2011 sei das klagende Jobcenter zutreffend von einem Stundenlohn von 6,77 Euro ausgegangen, der sich bis zum Jahr 2014 auf 9,74 Euro steigere. Ob sich eine Sittenwidrigkeit daneben auch aus Wertungen der Europäischen Sozialcharta ergeben kann, wurde nicht entschieden.

Das LArbG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Quelle: ntv.de, awi

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