Sechs Lehren des 15. Spieltags Guardiola revoltiert, Hummels knackst
14.12.2015, 10:29 Uhr
Hier steht alles drauf: Josep Guardiola und sein Kapitän Philipp Lahm.
(Foto: imago/Team 2)
Josep Guardiola zettelt beim FC Bayern eine Revolution an - und hat Erfolg. Dortmunds Mats Hummels gibt sich einsichtig, Andi Möller ist zurück auf Schalke, Stefan Kießling rostet, die Hertha schwelgt und Huub Stevens knurrt.
1. FC Bayern zettelt sich zum Sieg
Ein typischer Spieltag sieht für Josep Guardiola, den Trainer des FC Bayern, vermutlich in etwa so aus: Der Schiedsrichter pfeift das Spiel an und seine Münchner beginnen so, wie der Katalane es sich mehrere Tage zuvor überlegt hat. Sie spielen ein paar Minuten mit dieser Idee, dann greift Guardiola ein. Wie ein Flugzeug-Einweiser fuchtelt der Spanier an der Seitenlinie mit den Armen herum. Hier eine kleine Korrektur und dort eine minimale Veränderung – und plötzlich greift der Matchplan wieder. Vor diesem Hintergrund war das Spiel gegen die "bisher beste Mannschaft der Saison" an diesem 16. Spieltag der Fußball-Bundesliga eine Zäsur. Kurzer Einschub: Mit "beste Mannschaft der Saison" meint Guardiola - Sie ahnen es sicher, liegt ja auch auf der Hand - den FC Ingolstadt.
Und gegen eben diese beste Mannschaft tat sich bisher allerbeste Mannschaft richtig schwer. Weil Herr Guardiola allerdings jemand ist, dem vor allem die Leichtigkeit im Spiel gefällt, gefiel ihm das Gesehene nicht. Es musste sich also etwas ändern aus Sicht der Münchener. Und Guardiola hatte auch eine Idee, was. Beziehungsweise hatte er gleich mehrere Ideen. Seine Idee, die Ideen mitzuteilen: ein Zettel. Den übergab der Tabula-Rasa-Katalane an Kapitän Philipp Lahm. Lahm gab den Kommunikator, weil er laut Trainer "dafür intelligent genug" ist. Der Zettel wanderte und die Mannschaft rotierte. Wie genau? Lahm rückte auf Rechtsaußen. Rafinha von links nach rechts hinten. Holger Badstuber von der Innenverteidigung nach links hinten. Javi Martínez vom Mittelfeld in die Innenverteidigung. Thomas Müller gesellte sich als zweiter Mittelstürmer zu Robert Lewandowski. Und dann? Dann lief's: 2:0 für die Bayern, Herbstmeisterschaft und ein zufriedener Guardiola. Den Zetteltrick indes hat er nicht exklusiv. Am 14. Spieltag erklärte Trainer André Schubert seinen auch sehr guten Mönchengladbachern, die eine Woche später den Bayern übrigens die bisher einzige Liga-Niederlage zufügen konnten, via kreiselndem Papierschnipsel seine Idee, wie sich das Spiel gegen Hoffenheim (3:3) noch drehen ließe - ebenfalls erfolgreich. Der Beginn einer machtvollen Zettel-Revolution?
2. Hummels vertreibt die bösen Geister
Dass man immer erst laut werden muss! Wochenlang haben wir und die Kollegen anderer deutscher Presse-Organe immer wieder gekitzelt, so lange gekitzelt, bis Mats Hummels endlich wieder der ist, der er bei der Weltmeisterschaft 2014 war. Dass wir Journalisten dabei nicht immer zimperlich mit dem BVB-Kapitän umgegangen sind, fand der ziemlich blöd.

"Ich habe gemerkt, dass mein Selbstvertrauen zum ersten Mal in meiner Karriere ein bisschen angeknackst war": Mats Hummels.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Sehr weit weg von der Realität, kritisierte Hummels die Kritik. Nun, wie dem auch so, ob gerecht oder ungerecht, am Wochenende hat der Innenverteidiger endlich wieder ein richtig gutes Spiel für den nach wie vor souveränen Tabellenzweiten der Liga gemacht: Im Kerngeschäft, dem erfolgreichen Unterbinden von zielführenden Offensivaktion des Gegners, völlig unterbeschäftigt, legte Hummels an diesem Sonntag das 1:1 mit einem Spitzenpass auf und erzielte das 3:1 im Heimspiel gegen die Frankfurter Eintracht selbst. Und nach der Glanzleistung erklärte der zuletzt so motzige Hummels sehr ehrlich: "Ich habe gemerkt, dass mein Selbstvertrauen zum ersten Mal in meiner Karriere ein bisschen angeknackst war, dass ich in Spiele reinging und dachte: bloß kein Fehler." Und jetzt? Jetzt ist vieles wieder deutlich besser: "Es lässt sich nicht abstreiten, dass eine Last von meinen Schultern gefallen ist. Da tut so ein Spiel für die Selbstsicherheit und das Selbstverständnis enorm gut." Dass man immer …
3. Schalke erinnert sich an Andi Möller
Beim FC Schalke 04 sitzt der Frust mächtig tief. Gegen Augsburg spielt die Mannschaft sehr ordentlich, verliert aber mit 1:2 und rutscht auf Rang acht ab. Eine Niederlage, für die, wenn es nach den Schalkern geht, auch der Schiedsrichter verantwortlich ist. Gleich zwei Rote Karten für die Schwaben wollen die Verantwortlichen der Knappen in Halbzeit eins gesehen haben. Doch Florian Meyer war da anderer Meinung. Und dann gab's da ja auch noch FCA-Spieler Markus Feulner. Der legte sich nach 14 Minuten im Strafraum einfach mal ab - eine klare Schwalbe, für die es zwar keinen Elfmeter, aber eben auch keine Gelbe Karte gab. Schalkes Sportvorstand Horst Heldt fühlte sich ob der Dreistigkeit des Abflugs gar an Andi Möllers Superschwalbe aus dem Jahr 1994 erinnert. Und dass eben dieser Feulner dann auch noch den Siegtreffer vorbereitete, mit einem klaren Handspiel, führte nicht unbedingt dazu, dass die Gelsenkirchener die Leistung des Schiedsrichters wohlwollend beurteilten. Der erkannte immerhin, dass er nicht seinen besten Tag hatte und ging nach dem Spiel in die Kabine der Königsblauen - um sich zu entschuldigen. Bei den Schalkern kann das gut an. Heldt erklärte: "Das habe ich so noch nicht erlebt und zeugt von Größe." Trainer André Breitenreiter fand die Aktion gar "großartig". Und so gab sich Breitenreiter auch noch als fairer Verlierer: "Natürlich erwarte ich, dass wir das Unentschieden über die Zeit bringen, wenn wir schon nicht selbst den Siegtreffer erzielen."
4. Kießling & Leverkusen: Alte Liebe rostet doch
Ach, der Stefan Kießling. Erst sitzt er die meiste Zeit nur auf der Bank, dann vergibt er in der Champions League gegen den FC Barcelona, wie mehrere seiner Kollegen auch, die Chance auf den Sieg - und plötzlich ist er wieder da. Beim sehr überraschenden 5:0 des TSV Bayer 04 Leverkusen gegen den VfL Borussia Mönchengladbach erzielt er zwei Treffer und bereitet zwei des dreifachen Torschützen Javier Hernandez vor.

Da strahlt er: Stefan Kießling, hier mit dem Kollegen Javier Hernandez.
(Foto: imago/Chai v.d. Laage)
Die Fans riefen: "Stefan, du darfst nicht gehen." Und sie feierten ihn nicht nur, weil er an diesem Sonntag so erfolgreich war, sondern weil er einer der wenigen aus der Mannschaft von Trainer Roger Schmidt ist, mit dem sie sich identifizieren können. "Ich liebe es, für diesen Klub zu spielen", sagte Kießling beim Bezahlsender Sky. Und das seit neun Jahren, in denen er in 301 Partien 125 Mal den Ball im gegnerischen Tor unterbrachte. Doch bei seiner Aussage lag die Betonung wohl etwas mehr auf "spielen" als auf "für diesen Klub". Selten zu spielen sei " eine schwierige Situation für mich". Einen Interessenten gibt es auch schon, der VfB Stuttgart würde Kießling im Kampf gegen den Abstieg wohl nehmen. Zumindest ließ Präsident Bernd Wahler verlauten, der Angreifer sei ein interessanter Spieler. Allerdings sagte Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade: "Wir werden Stefan Kießling nicht abgeben." Und Sportchef Rudi Völler ließ per "Express" mitteilen: "Wir brauchen Stefan und lassen ihn nicht gehen. Der Idealfall ist, dass er hier bei Bayer seine Karriere beendet und dann in einer anderen Funktion weiter in den Verein eingebunden wird." Nun wollen sie in der Winterpause miteinander sprechen.
5. Hertha siegt und genießt
Sieh' an, die Berliner Hertha. In der vergangenen Saison kämpfte sie noch gegen den Abstieg, nun steht sie nun nach dem 4:0 in Darmstadt glänzender dar als je zuvor: Gelingt ihr am kommenden Sonntag im Heimspiel gegen den FSV Mainz mindestens ein Unentschieden, gehen sie und ihr Trainer Pal Dardai als Tabellendritter in die Winterpause und feiern somit Weihnachten auf einem Platz, der ohne Umwege zur Teilnahme an der Champions League berechtigt. Dardai will das Ganze nicht überbewerten, aber es bereitet ihm schon Freude.
Und er weiß auch, warum es nun so gut läuft: "Letztes Jahr hatten wir fast die gleiche Mannschaft. Aber hinten um die Existenz zu kämpfen oder vorne um den Erfolg zu spielen, das sind zwei verschiedene Sachen. Es ist eine Befreiung, nicht mehr diesen Druck wie vergangene Saison zu haben. Die Jungs genießen das jetzt. Sie verbessern sich Stück für Stück." Heißt übersetzt: Weil es gut läuft, läuft es gut. Zudem haben sie in Berlin noch einen Plan: Der DFB-Pokal ist ein "großer Traum", wie Dardai betonte. Das Achtelfinale am Mittwoch in Nürnberg "wird das wichtigste für uns und die Fans". Schon vor der Saison hatte Dardai darüber gesprochen, das Endspiel im heimischen Olympiastadion endlich einmal nicht bloß als Zuschauer erleben zu wollen. Sieh' an, die Hertha.
6. Stevens knurrt im Abstiegskampf
In seinem sechsten Spiel mit der TSG Hoffenheim hat es endlich geklappt: Beim 1:0 gegen Hannover 96 gelingt Trainer Huub Stevens der erste Sieg und der TSG ganz nebenbei der erste Heimerfolg in dieser Saison. Da wird er wohl kräftig gefeiert haben, oder? "Meine Stimmung ist noch dieselbe wie vor dem Spiel. Denn wir stehen immer noch unten - und wir wollen da weg." Da hat er auch wieder recht. Noch immer stehen die Hoffenheimer auf einem Abstiegsplatz, zum Abschluss der Hinrunde geht es am kommenden Freitag zum FC Schalke 04, der nach der Niederlage in Augsburg nur auf Rang acht in der Tabelle steht. In Gelsenkirchen hatte sie Stevens einst zum Jahrhunderttrainer gewählt, weil er mit dem Klub und den legendären Eurofightern 1997 den Uefa-Pokal gewann. Ein besonderes Wiedersehen? "Ich werde sehr viele bekannte Leute sehen." Ansonsten weiß auch er, dass der Kampf gegen den Abstieg ein langer und harter sein wird, in den mehr als die halbe Liga involviert ist. Den Tabellenletzten aus Stuttgart und den FC Augsburg auf Rang 13 trennen gerade einmal vier Punkte und auch der SV Darmstadt 98, der FC Ingolstadt, der 1. FC Köln und der Hamburger SV, immerhin Neunter, sind noch nicht aus dem Schneider.
Quelle: ntv.de