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Deutsche Fichten in Gefahr Borkenkäferplage befürchtet

Kurz vor der Brut: Experten warnen vor einer drohenden Massenvermehrung des Borkenkäfers in deutschen Wäldern.

Kurz vor der Brut: Experten warnen vor einer drohenden Massenvermehrung des Borkenkäfers in deutschen Wäldern.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die große Trockenheit im Frühjahr hat die Abwehrkräfte vieler Fichten so geschwächt, dass sie sich nicht mehr ausreichend gegen Borkenkäfer schützen können. Die Schädlinge stehen kurz vor der Brut.

Ein, zwei gezielte Hiebe mit seinem Beil und schon hat Revierförster Wolfgang Ladwig ein großes Rindenstück einer umgestürzten Fichte abgeschält. Darunter wimmelt es emsig: Kleine hellbraune Käfer sind ebenso sichtbar wie weiße Larven. Für Ladwig und seine Kollegen ein schlechtes Zeichen, denn was da krabbelt sind frisch geschlüpfte Borkenkäfer. In Kürze werden sie ausfliegen, sich unter die Rinde benachbarter Bäume bohren und dort ihre Eier ablegen. In der Regel sterben befallene Bäume ab. Nach dem Schneebruch im Winter und dem trockenen Frühjahr befürchten Experten eine immense Borkenkäfer-Plage in Deutschlands Fichtenwäldern.

"Wir sind jetzt in einer Phase, in der sich alles entscheidet", sagt Ladwig, der rund 2000 Hektar Wald rund um Ziegenrück in Ostthüringen betreut. "Momentan gibt es noch keine Katastrophenbilder, aber wenn es in den kommenden Wochen heiß und trocken bleibt, sieht es schlecht aus." Er zeigt auf eine Fichte: Ihre Krone ist zwar noch grün, doch am Stamm sind große, hellbraune Flecken sichtbar, an denen die Rinde fehlt. "Dort ist der Käfer schon ausgeflogen", sagt der Förster.

Trockenheit fördert Massenvermehrung

Fichten sind von den Schädlingen ganz besonders bedroht.

Fichten sind von den Schädlingen ganz besonders bedroht.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Behält die alte Bauernregel vom Siebenschläfer recht, werden die kommenden Wochen heiß und trocken. Dann wird es in vielen Regionen "eine ganz kritische Situation" geben, erläutert Waldschutz-Experte Alfred Wulf vom Julius-Kühn-Institut in Braunschweig. Besonders in Bundesländern mit sehr hohem Fichtenanteil wie Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen sowie Thüringen und Sachsen drohe eine Plage. Das Thüringer Forstministerium hat schon jüngst auf Basis des landesweiten Überwachungssystems mit Lockstofffallen vor der Gefahr einer Massenvermehrung gewarnt. Von Januar bis Mai sei 16 Prozent mehr Käferschadholz angefallen als im Vorjahreszeitraum. Auch in Bayern wird in etlichen Regionen vor hohem Borkenkäfer-Aufkommen gewarnt, besonders schlimm ist es um Ansbach und nahe Regensburg.

"Die Buchdrucker und Kupferstecher sind relativ gut durch den Winter gekommen", sagt Wulf. In diesen Tagen schwärmt nun die erste Nachwuchsgeneration der verschiedenen Käferarten aus.. Normalerweise können die Bäume die Eindringlinge ausharzen, doch die Trockenheit im Frühjahr hat ihre Abwehrkräfte geschwächt. Die Käfer legen ihre Eier unter der Rinde ab, wo sich dann die Larven durch das Bastgewebe des Baumes fressen und dessen Wasser- und Nährstoffbahnen zerstören. Wulf schätzt, dass dieses Jahr zwei bis drei Käfergenerationen schlüpfen. Ein Weibchen könne so schon mal rund 80.000 Nachkommen haben.

Totholz bietet Brutstätten

Die Masse macht's: So klein der Borkenkäfer auch ist, bei einer Massenvermehrung sind die Schäden für die Wälder kaum abzusehen.

Die Masse macht's: So klein der Borkenkäfer auch ist, bei einer Massenvermehrung sind die Schäden für die Wälder kaum abzusehen.

Das Käfer-Holz muss so rasch wie möglich aus dem Wald, um die verhängnisvolle Kette zu durchbrechen. Dabei kommt den Waldbesitzern der momentan hohe Holzpreis zugute, sodass sie trotz der Abschläge noch Gewinn machen können. Eine andere Möglichkeit sei, die Stämme zu entrinden, erklärt Förster Ladwig. Dadurch werde die Käferbrut ausgetrocknet. Insektizide sollten nach Expertenmeinung nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden - etwa in Fangholzhaufen, in die die Käfer mittels Pheromone gelockt werden.

Im Kampf gegen den Borkenkäfer macht den Förstern in Ostthüringen zu schaffen, dass der Waldbesitz stark zersplittert ist. Etliche Besitzer wohnen auswärts und hätten kaum Bezug zu ihrem Wald, erklärt Herbert Seyfarth, der Leiter des Forstamtes Schleiz, dem auch Ladwigs Revier untersteht. "Bis sie informiert sind und reagieren, verstreicht oft wertvolle Zeit." Die zum Forstamt gehörenden 29.300 Hektar Wald seien fast ausschließlich in privater Hand, meist in Größen von drei bis sechs Hektar. Nur wenn die Gefahr akut sei, dürften die Förster auf eigene Faust einschreiten, betont Seyfarth.

Damit sich Borkenkäfer in Zukunft nicht mehr so massenhaft im Wald vermehren, setzt der Forstamtschef mit seinen Kollegen auf einen stärkeren Mix an Bäumen. In seinem Forstamt soll in den nächsten zwei Jahrzehnten der Anteil der Fichte von heute 90 Prozent auf 70 Prozent sinken. Stattdessen sollen verstärkt Douglasie, Weißtanne und Laubbäume wachsen, die längere Trockenphasen besser verkraften. Eine Strategie, die auch nach Einschätzung von Waldschutz-Experte Wulf Erfolg verspricht.

Quelle: ntv.de, Andreas Hummel, dpa

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