Warten auf einen historischen Moment "Discovery" tritt letzte Reise an
24.02.2011, 10:20 Uhr
Die Discovery beim Start im April 2010.
(Foto: REUTERS)
Der Countdown, der heute in Cape Canaveral abläuft, zählt auf einen großen Moment herunter. Es ist etwas Besonderes, wenn die US-Raumfähre "Discovery" am 24. Februar 2011 um 16.50 Uhr Ortszeit (22.50 Uhr MEZ) in Cape Canaveral abhebt. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die letzte Reise des Orbiters um fast vier Monate verzögerte. Ursprünglich geplant war der Start für den 1. November 2010; immer wieder wurde er verschoben, weil die älteste "Dame" der Raumfahrt offenbar noch nicht in Rente wollte. Ein Leck in der Steuerleitung, ein elektronischer Defekt im Hauptcomputer, zuletzt Risse im Außentank. Die "Discovery" macht es den NASA-Ingenieuren nicht einfach. Nun aber, so entschieden die Verantwortlichen nach ausführlichen Tests, kann es losgehen.
Es wird der letzte Flug des Orbiters sein. Über 26 Jahre nach ihrem Jungfernflug am 30. August 1984 wird die NASA-Raumfähre ausgemustert. Am Ende der Amtszeit wird das Shuttle mit 39 Flügen mehr Missionen absolviert haben als jedes andere seiner Geschwister. Fast ein komplettes Jahr wird es im All verbracht haben, mehr als 5.600 Mal hat das Shuttle die Erde bereits umrundet. Der elftägige Abschiedsflug des Weltraumgleiters besiegelt das Ende einer Legende: Die "Discovery" war immer wieder für historische Momente verantwortlich.

Weltweiter Schock im Jahr 2003: Die Columbia zerfällt beim Wiedereintritt in die Atmosphäre. 2005 wird das Shuttle-Programm mit der "Discovery" wieder aufgenommen.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Im Jahr 1990 war es die "Discovery", die das Weltraumteleskop Hubble ins All brachte, das bis heute spektakuläre Bilder auf die Erde funkt. Es war das erste Shuttle, das an die russische Raumstation "Mir" andockte. Und es war dieselbe Raumfähre, die nach den schweren Unglücken der Challenger und der Columbia jeweils als erste wieder ins All starten durfte. Bei den Tragödien in den Jahren 1986 und 2003 sind alle Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen, woraufhin die Shuttle-Programme in den Folgejahren ausgesetzt wurden.
Nager im All
Der nunmehr letzte Flug wird von Kommandant Steve Lindsey geleitet. Die Mission soll unter anderem helfen, eine Frage zu beantworten, die Forscher schon seit den Anfängen des Apollo-Zeitalters umtreibt: Warum sind Menschen im All und unmittelbar nach ihrer Rückkehr auf die Erde anfälliger für Infektionen? Um diese Beobachtung genauer zu untersuchen, sind die sechs Astronauten nicht die einzigen Lebewesen in der Raumfähre. Mit an Bord sind 16 Mäuse, die sich ebenfalls auf eine historische Mission begeben.
Sie sind Teil einer Testreihe der NASA, die seit mehr als 25 Jahren auch auf Shuttle-Missionen durchgeführt wird. Die Nager sollen nun den letzten Test der Reihe im Rahmen des Shuttle-Programm bestreiten. Nach ihrer Rückkehr werden sie untersucht und mit einer Testgruppe von Mäusen verglichen, die während dieser Zeit auf der Erde unter ähnlichen Bedingungen gelebt hat.
Beide Gruppen werden einem unter Menschen sehr verbreiteten Virus ausgesetzt. Die Forscher versprechen sich dadurch Erkenntnisse, welchen Einfluss eine Weltraum-Umgebung auf die Infektion hat.
Auch für irdisches Leben relevant
"Schon seit den Apollo-Missionen haben wir Anzeichen dafür, dass Astronauten während des Fluges und unmittelbar danach anfälliger für Erkältungen, Grippe-Viren und Harninfektionen sind", sagt der Projektleiter Professor Roberto Garofalo von der Universität in Texas.
Dieses Problem gewinnt immer mehr an Brisanz - nicht nur angesichts zukünftiger bemannter Missionen zu Mond und Mars. Auch wegen der langsam beginnenden Kommerzialisierung der Raumfahrt, durch die in absehbarer Zeit immer mehr Privatpersonen ins All reisen werden.
Auf der Erde könnten die Untersuchungsergebnisse ebenfalls zu einem Fortschritt beitragen, meint Garofalo: "Wir wollen herausfinden, was diese erhöhte Empfindlichkeit für Infektionen auslöst. Dabei geht es nicht nur um Astronauten, sondern auch um Menschen mit anfälligen Immunsystemen hier auf der Erde - zum Beispiel ältere Menschen oder Kinder."
Humanoider "Robonaut"
Nach derzeitiger Planung ist die Discovery-Mission der vorletzte Flug eines Space-Shuttles. Der Orbiter wird auf dem insgesamt 133. Shuttle-Flug ein Modul für mehr Stauraum und einige Ersatzteile zur ISS transportieren. Neben Mäusen und Astronauten ist noch ein weiterer Passagier an Bord: Der menschenähnliche Roboter "Robonaut 2". Mit dessen Hilfe will die NASA herausfinden, wie sich Roboter in der Schwerelosigkeit verhalten - und ob sie eventuell Astronauten zur Hand gehen könnten.
Am 19. April 2011 soll die "Endeavour" im Rahmen ihrer 25. Mission noch ein letztes Mal zur ISS fliegen. Das endgültige Ende der Shuttle-Ära soll eine Mission der "Atlantis" markieren, deren Abflug für den 28. Juni 2011 geplant ist. Danach ist Schluss.
Ein Nachfolger für die Space-Shuttles wie die bis vor kurzem noch geplante Raumkapsel "Orion" ist nicht in Sicht, seit die USA im April 2010 das Budget für die Raumfahrt gekürzt haben. Das einzige Transportmittel für Menschen zwischen ISS und Erde sind dann die russischen Sojus-Kapseln. Oder die Raumfähren privater Unternehmen, bei denen die NASA schon Versorgungsflüge zur ISS gebucht hat.
Zahlreiche Menschen werden den Start in Cape Canaveral heute live verfolgen. Bleibt zu hoffen, dass sich die "Discovery" auch diesmal als die robuste alte Dame bewährt, die sie bislang war. Damit sie in elf Tagen, nach ihrer Rückkehr, den wohlverdienten Ruhestand antreten kann.
Quelle: ntv.de