Moskau dreht am Uhrzeiger Erste Zeitzonen fallen
28.03.2010, 15:32 UhrWenn der Arbeitstag im Westen beginnt, ist er im Osten schon zu Ende. Elf Zeitzonen gibt es in Russland – für Kremlchef Dmitri Medwedew ein bisschen zu viel. Er schafft zwei davon ab.
Einst galten Russlands elf Zeitzonen auch als Symbol der Macht im größten Land der Erde. Nun aber hat Kremlchef Dmitri Medwedew seine Idee vom November durchgesetzt, die Uhren im Riesenreich neu zu stellen. Mit der Sommerzeit reduzierte sich die Zahl der Zeitzonen im Riesenreich erstmals von elf auf jetzt neun. Das war nur der erste Schritt. Der 44 Jahre alte Präsident sieht die Zeitunterschiede zwischen Kaliningrad (früher Königsberg) an der Ostsee und der Pazifik-Halbinsel Kamtschatka als Hindernis bei seinen Plänen, das Land zu modernisieren. Deshalb sollen bis Februar 2011 Wissenschaftler prüfen, wo weitere Zeitzonen fallen können - ohne damit die Gesundheit der Bürger zu gefährden.
Auch die Sommerzeit in Russland steht auf dem Prüfstand. Weil viele Russen über Gesundheitsprobleme durch die Umstellung klagen und auch Medwedew keinen echten Nutzen sieht, denkt Moskau über ein Ende der Sommerzeit nach. "Ich habe nie jemanden gehört, der sagt, dass das auch wirklich gut und sinnvoll ist", sagte Medwedew unlängst. Experten betonten, dass der Energiespareffekt durch die Sommerzeit gering sei. Deutlich mehr Energie lasse sich sparen, wenn die gewaltigen Gas- und Ölreserven Russlands effektiver eingesetzt und auch Gebäude besser isoliert würden.
Untersuchung bio-medizinischer Folgen
Der Gouverneur des sibirischen Gebiets Kemerowo, Aman Tulejew, bezeichnete die Sommerzeit als Unfug, der traditionell zum Chaos bei "Mensch und Kuh" führe. Er legte Analysen vor, wonach infolge der Zeitumstellung die Zahl der Havarien und der Herz-Kreislauf-Krankheiten bei älteren Menschen steige. Medwedew will deshalb für seine "Reform der Uhrzeit" vor allem die bio-medizinischen Folgen untersuchen lassen.
Vorerst brechen nun in Kemerowo und Kamtschatka im äußersten Osten neue Zeiten an. Sie rückten um eine Stunde näher an die in Moskau gültige Zeit heran. Tulejew betonte, dass Kemerowo jetzt auch mit wichtigen Großstädten benachbarter Republiken enger zusammenarbeiten könne: wie Astana (Kasachstan) und Bischkek (Kirgistan), die nun eine gemeinsame Zeitzone haben. "Das bringt uns in allen Bereichen einen großen Nutzen", schwärmte der Gouverneur.
Regieren soll leichter werden

Am 28.03.2010 endet die Winterzeit und die Uhren werden um zwei Uhr eine Stunde auf Sommerzeit vorgestellt.
(Foto: dpa)
Der Zeitunterschied zwischen Kamtschatka und der Hauptstadt liegt jetzt nur noch bei acht statt neun Stunden. In der Teilrepublik Udmurtien westlich des Urals sowie in Samara an der Wolga ticken die Uhren so wie in Moskau. Allerdings regt sich auch Widerstand. Viele Menschen in Samara lehnen die zeitliche Bevormundung aus Moskau ab - sie erinnern an das "gescheiterte Experiment", als sie schon von 1989 bis 1991 unglücklich nach Hauptstadtzeit lebten. Ihre Sorge ist nun wieder der frühe Einbruch der Dunkelheit schon gegen 15.00 Uhr im Dezember - samt der Folgen für das Gemüt und die Energieausgaben.
Doch Medwedew verspricht sich in seinem stark von der Moskauer Machtzentrale aus gelenkten Land insgesamt ein leichteres Regieren. Durch die größere zeitliche Nähe zu Moskau sollen nicht nur Verwaltungen in den entlegenen Regionen während der Arbeitszeit in der Hauptstadt besser erreichbar sein. Der Präsident erhofft sich vor allem ein "regeres Wirtschaftsleben" der Regionen untereinander. "Die Reduzierung der Zeitzonen hilft dabei, neue wirtschaftliche Kontakte und Projekte anzustoßen", sagte Medwedew. Geschäftsleute und Beamte beklagen seit langem, dass der Arbeitstag im äußersten Osten Russlands schon zu Ende ist, wenn er in der Hauptstadt erst beginnt.
Als Medwedew im vergangenen Herbst in seiner Rede an die Nation mit dem Vorschlag eines neuen Gesetzes der Zeitregelung in Russland überraschte, führte er erfolgreiche Nationen wie die USA als Vorbild an, die auch mit weniger Zeitzonen auskämen. Als Beispiel nannte er zudem China, das zwar fünf Zeitzonen umfasst, offiziell aber nach Pekinger Zeit lebt. Russland könnte nach Meinung von Experten künftig vielleicht mit vier bis sieben Zeitzonen auskommen. So ließe sich etwa der Zeitunterschied zwischen Wladiwostok, der wichtigen Hafenstadt am Pazifik, und der 6500 Kilometer entfernten Hauptstadt Moskau von sieben auf vier Stunden reduzieren.
Quelle: ntv.de, Ulf Mauder, dpa