Neue Sicht auf Augenzeugenberichte Gehirn speichert mehr nebenher als gedacht
02.09.2016, 19:47 Uhr
Weitgehend unerforscht ist bisher der Bereich des Gedächtnisses, der als bewusster Nebenspeicher bezeichnet werden könnte.
(Foto: Monash University)
Gedächtnisforscher gehen davon aus, dass man sich beiläufig zwei bis drei unbekannte Gesichter merken kann. Neueste Untersuchungen allerdings bestätigen, dass das Gehirn viel mehr kann.
Gegenüberstellungen sind in der polizeilichen Ermittlungsarbeit normal. Aussagen von Augenzeugen gelten in Strafverfahren als wichtiges Beweismittel. Doch die Erinnerung des Menschen ist fehleranfällig und manipulierbar. Dass das menschliche Gedächtnis in der Lage ist, nebenbei bis zu sieben Gesichter abzuspeichern, haben Forscher der Monash University in Australien herausgefunden.
Die Gedächtnisforschung ist bisher davon ausgegangen, dass sich jeder Mensch nach einer beiläufigen Situation an zwei bis drei Gesichter erinnern kann. Das Team um Professor Naotsugu Tsuchiya fand bei seinen Untersuchungen jedoch heraus, dass sich Personen bis zu sieben Gesichter bewusst einprägen können.
Fokussierung auf Gesichter
Eltern, die beispielweise ihr Kind in einem überfüllten Einkaufszentrum suchen, sehen sich zuerst viele Gesichter an, bevor sie ihr Kind wiedererkennen. Nach der Suche kann sich ein Elternteil an bis zu sieben Gesichter erinnern. Die Fähigkeit jedoch, die Gesichter mit dem richtigen Ort im Einkaufszentrum in Verbindung zu bringen und die Erinnerung an die korrekte Reihenfolge der gemerkten Gesichter sind limitiert.
Professor Tsuchiya erklärt in diesem Zusammenhang, dass wir uns zwar merken, was wir gesehen haben, aber nicht den Ort und die Zeit. Sobald jedoch weitere Details der Erinnerung hinzugefügt werden sollen, wird das Abrufen der Erinnerungen insgesamt eingeschränkter.
Da das Gehirn täglich Unmengen an Daten aufnimmt, verarbeitet und verwirft, wusste man bisher nicht, welche Informationen das Gehirn abspeichert und welche davon bewusst abrufbar sind. Die neuesten Erkenntnisse geben einen Hinweis darauf, dass selbst beiläufige Bilder ohne praktischen Nutzen nicht sofort wieder gelöscht werden, sondern in einem Nebenspeicher gelangen. Für die Aussage von Augenzeugen könnte in Zukunft gelten, dass sie vielleicht nicht den genauen Standort oder die präzise Zeit einer bestimmten Szene wiedergeben können. Die Erinnerung an das Gesicht einer bestimmten Person könnte jedoch in einer strafrechtlichen Untersuchung durchaus relevant sein.
Quelle: ntv.de, jaz